Owen Connelly: The Wars of the French Revolution and Napoleon, 1792-1815 (= Warfare and History), London / New York: Routledge 2005, ix + 270 S., ISBN 978-0-415-23984-4, GBP 18,99
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"The spectacle of the French Revolutionary / Napoleonic era has captivated ordinary people for over 200 years and still does "(1). Mit dieser Feststellung hat Owen Connelly zweifellos Recht, denkt man nur an den Erfolg der Verfilmung von Emil Gallos vielfach unhistorischem Napoleon-Roman. Daher sei es verwunderlich, so der Professor für Geschichte der University of South Carolina und Direktor des Consortium on Revolutionary Europe, dass seit Antoine Jomini und einigen Historikern des neunzehnten Jahrhunderts niemand mehr die Revolutionskriege und diejenigen Napoleons zusammen betrachtet habe. Connelly hofft daher, dass sich sein Buch, das sowohl die Kriege der Revolutions- als auch die der napoleonischen Zeit abdeckt, als nützlich erweist.
Damit dies der Fall ist, stellt der Historiker eingangs seiner Untersuchung acht Fragen. Erstens: Wie wirkte sich die Bevölkerungsexplosion des achtzehnten Jahrhunderts auf die Armeen und den Krieg sowie auf Politik, Gesellschaft und Kultur aus? Zweitens: Was waren die Gründe für die Revolutions- beziehungsweise die napoleonischen Kriege? Drittens: Was war das Vermächtnis des Ancien régime an die Armeen der Revolution? Viertens: Welchen Einfluss hatte die Revolution auf die Führung, den Führungsstil, die Organisation, die Strategie, die Taktik und die Bewaffnung der Armeen? Fünftens: Was trugen die Regierungen der frühen Revolutionszeit, des Terrors, des Direktoriums und des napoleonischen Regimes zum Militärwesen der Zeit bei? Sechstens eine vielleicht typische, vor allem die amerikanische und britische Leserschaft interessierende Frage: War Napoleon einzigartig, oder gab es andere Generäle, die seine historische Rolle hätten übernehmen können? Siebtens: Was wurde durch dreiundzwanzig aufeinander folgende Kriegsjahre erreicht? Und achtens: War die Periode der Revolutions- und napoleonischen Kriege ein Wendepunkt in der Kriegsgeschichte beziehungsweise in der Geschichte der Kriegführung?
In seinen knappen Schlussfolgerungen am Ende des Buches beantwortet Connelly diese Fragen. Ja, die Bevölkerungsexplosion des achtzehnten Jahrhunderts hatte Auswirkungen; sie war eine Wurzel der Revolution, und die Armee profitierte davon, weil erst diese Bevölkerungszunahme die levée en masse möglich machte. Zu den Kriegen kam es, weil der Kaiser und der preußische König die anderen europäischen Herrscher aufforderten, sich der Revolution entgegenzustellen, die Nationalversammlung sich dadurch bedroht fühlte und in der Absicht, allen Völkern Freiheit und Gleichheit zu bringen, Ludwig XVI. drängte, Österreich den Krieg zu erklären. Die französische Republik brauchte diesen Krieg, um den revolutionären Geist zu erhalten und sich zu perpetuieren. Napoleon brauchte den Krieg ebenfalls, erst, um die Herrschaft zu erringen, dann, um sie aufrecht zu erhalten.
Das Vermächtnis des Ancien régime war beträchtlich. Das französische Militärsystem war die breite und sichere Grundlage für die Armeen der Revolution wie für die Napoleons: "Little changed during the Revolution as to the armies' organization, weapons, tactics, and strategy. It was the same with Napoleon, except for the introduction of the corps" (217). Dafür hatte die Revolution großen Einfluss auf Führung und Führungsstil. Denn 55 Prozent der Offiziere, die in der alten Armee fast ausnahmslos Adlige waren, flohen aus Frankreich. Sie wurden aus Angehörigen der Mittelschicht und durch Unteroffiziere ersetzt. Während des Terrorregimes öffnete Carnot, der für die Reform des Offizierskorps verantwortlich war, dem Talent Karrieremöglichkeiten. Aus dem Hauptmann Napoleon beispielsweise wurde ein Brigadegeneral, und ebenso stiegen acht von dessen zukünftigen Marschällen in diesen Rang oder höher auf. Auch die "levée en masse" geht auf das Terrorregime zurück; Napoleon hat sie beibehalten, wenn er auch bis 1812 lediglich 73.000 Rekruten pro Jahr in die Armee eingliederte, bei einer Heeresgröße von 600.000 Mann.
Seine sechste Frage, Napoleon oder ein Anderer, beantwortet Connelly, wie man es erwartet, und wenig überraschend: Napoleon! "It seems clear that he was one of a kind. None of the other ambitious generals had his combination of talents. Napoleon utilized the nationalism of the Revolution to the maximum "(220). Bei der Frage, was erreicht wurde, drückt der Autor sich dagegen um eine klare Antwort:"In the stunned hush after Waterloo, Frenchmen and other Europeans must have thought that nothing had been accomplished by the Revolution or Napoleon. The old monarchs were back; to peasants, surely, it seemed that the established Church had also returned. The people were ignorant of Napoleon's ultimate plan to build either a European state or (as he said in exile) a 'federation of free peoples'"(219f.). Am Ende wird Connelly aber wieder eindeutig: Die Revolutions- und napoleonische Ära war kein Wendepunkt in der Geschichte der Kriegführung.
Zwischen den Fragen und Antworten findet sich Connellys "survey" (2), seine Untersuchung, die jedoch keine Analyse der Charaktere oder Strukturen der Revolutions- und napoleonischen Epoche ist. Sie besteht im Grunde nur aus Stellungnahmen des Autors zu Ereignissen und manchmal zu Personen. Diese Stellungnahmen, chronologisch sortiert und durch Kapitelüberschriften wie "The Revolution and War: First campaigns, 1789-93", "War in Italy and Germany, 1796-97", "Subdoing the European powers: Austerlitz-Jena-Auerstädt-Friedland, 1805-07" oder "The Hundred Days and Waterloo, 1815" zusätzlich gegliedert, haben die Form von Lexikoneinträgen. Deren Länge variiert zwischen maximal drei Seiten, so der Eintrag "Prussia goes to war" (128-131), und wenigen Zeilen, wie etwa die Stichwörter "Dismissal of noble officers" (59) oder "Breakup of the First Coalition" (71).
Nicht immer folgt die Anordnung der Einträge einem inneren oder inhaltlichen Zusammenhang. Besonders auffällig ist dies im Kapitel 4: Terror und Krieg Juli 1793 - Juli 1794. Nach dem knapp abgehandelten Stichpunkt "Erosion of Vendéan power" wendet sich Connelly kurz der Mainzer Garnison zu, ehe er in den sechs Zeilen "Carnot focuses on the Vendée" feststellt, dass die vereinigten republikanischen Heere gegenüber den Aufständischen der Vendée im Vorteil waren. Danach bespricht er unter dem Titel "Vendéan decline" den Kampf zwischen Republikanern und Aufständischen um Cholet, handelt unter dem Eintrag "The Vendéans move north" Kampf und Niederlage der Aufständischen ab, wendet sich danach in zwei kurzen Absätzen "The French navy" zu, darauf den "Missed British opportunities", den Verbindungen Londons zum Grafen Artois, um schließlich nach knappen Ausführungen zu "Bordeaux, Marseilles, Lyons" und "Toulon" erstmals Napoleon vorzustellen und, daran anknüpfend, das Schicksal Custines zu schildern.
Aufgrund seiner sehr guten Quellen- und Literaturkenntnis - eine wichtige Übersicht über die neuesten englisch-, französisch- und deutschsprachigen Veröffentlichungen geht dem Text voran - gewinnt Connelly viele interessante Erkenntnisse. Doch lässt er den Leser nicht nachvollziehen, wie er zu seinen Einsichten gekommen ist. Er leitet sie nicht her, diskutiert sie nicht. Unter dem Eintrag Napoleons "regular army" etwa steht schlicht: "Napoleon fought with a 'regular army' for most of his career, contrary to the usual view which is that of an army of draftees" (117). Da hätte man gerne gewusst, wie Connelly zu dieser Aussage gekommen ist, gerade weil sie vieles für sich hat. Doch gibt er in diesem Eintrag als Begründung nur ein paar Zahlen an - ohne die Quelle mitzuteilen. Die übrigen "Stichpunkte" sind analog gestaltet.
Auf diese Weise ist das Buch für den Zeitraum von 1792 bis 1815 ein durchaus passables Nachschlagewerk der militärischen Ereignisse und Vorgänge und teilweise auch der daran beteiligten Personen geworden, aber leider keine zusammenhängende Analyse und erst recht keine Darstellung des "spectacle of the French Revolutionary / Napoleonic era", wie Connelly sie in der Einleitung angekündigt hat.
Jürgen Luh