Jonas Eiring / John Lund (eds.): Transport Amphorae and Trade in the Eastern Mediterranean. Acts of an International Colloquium at the Danish Institute of Athens, 26-29 September 2002 (= Monographs of the Danish Institute at Athens; Vol. 5), Aarhus: Aarhus University Press 2004, 539 S., ISBN 978-87-7934-118-0, EUR 51,95
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Amphoren sind eine in ihrer Wichtigkeit kaum zu überschätzende Quellengattung für die antike Wirtschaftsgeschichte. Form, für die Herstellung verwendetes Material, heute noch nachzuweisende Inhalte der Transportbehälter, Stempelungen und Beschriftungen sowie Fundhäufigkeiten in datierten Kontexten und die regionale Verbreitung einzelner Typen geben Aufschluss über Produktion und Verhandlung verschiedenster Waren. Hierdurch wird es erst möglich, auch dort dezidierte Aussagen zur antiken Handelsgeschichte zu machen, wo die Schriftquellen schweigen.
Dass die auf die Erforschung der Amphoren gestützten Aussagen auch in Hinsicht auf die Methodik der Materialerhebung sowie der Materialauswertung ständig zu hinterfragen sind beziehungsweise je nach angewandter Methodik auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, zeigt eine in jüngerer Zeit aufgekommene Forschungskontroverse um den Befund an Dressel 20-Amphoren und seine Deutung in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung des römischen Heeres; in dieser Kontroverse stehen aber nicht nur die wirtschaftsgeschichtlichen Aussagen im Vordergrund, sondern auch die daraus resultierenden Konsequenzen für die Verwaltungsgeschichte der römischen Kaiserzeit und damit für die Strukturgeschichte des Reiches allgemein. [1]
Für den Osten des Mediterraneums gestaltet sich der Befund an Amphoren noch reichhaltiger als im Westen. Auch hier sind die Amphoren grundlegende Quellen für die wirtschaftsgeschichtlich orientierte Forschung, darüber hinaus kommt ihnen ein hoher Wert für andere Fragestellungen - etwa auf dem Gebiet der politischen Geschichte - zu. Zwar existieren zahlreiche Einzelpublikationen, bislang wurden aber nur wenige Synthesen zur Wirtschaftsgeschichte auf der Grundlage der Amphoren vorgelegt. Daher ist die Zusammenführung einzelner Studien auf diesem Gebiet in einem Sammelband umso begrüßenswerter, ist es doch nun schon nahezu zwanzig Jahre her, dass ein solcher publiziert wurde. [2]
Die hier versammelten Beiträge, die auf ein Kolloquium im Jahre 2002 zurückgehen, behandeln sowohl in chronologischer als auch in räumlicher und methodischer Hinsicht ein weites Spektrum. Die einzelnen Studien decken einen Raum ab, der im Westen von Sizilien und der Adria, im Osten durch die Ostküste des indischen Subkontinents, im Norden durch das Asowsche Meer und im Süden durch den indischen Ozean begrenzt ist. Hinzu treten ein von Stefanie Martin-Kilcher verfasster Forschungsbericht über den Westen der antiken Welt sowie eine Abhandlung von Jane Timby über den Befund an Amphoren in den aktuellen Grabungen von Pompeji. Die Bronzezeit ist ebenso Gegenstand der Analyse wie die Spätantike. Die - wenn man so will - traditionellen Methoden der Archäologie finden ebenso Anwendung wie modernste naturwissenschaftliche Analysen. Alle Beiträge auch nur kursorisch zu erwähnen, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Daher wird im Folgenden exemplarisch auf einzelne Aufsätze eingegangen, um die methodische und thematische Spannweite des Bandes zu dokumentieren.
Zunächst sei genannt der Beitrag von Catherine Abadie-Reynal, der den Amphoren-Befund des dem Euphrat zum Opfer gefallenen Zeugma beinhaltet. Der dortige Befund an Amphoren verdient größtes Interesse, lag Zeugma doch als wichtiger Kreuzungspunkt an der für den Handel bedeutenden Route, die den Euphrat entlang bis nach Seleukia am Tigris führte, wo man einerseits Anschluss an die Seidenstraße, andererseits an die Route nach Spasinu Charax und damit den Handel im Persischen Golf und mit Indien hatte. Durch die Vorstellung des Materials aus Zeugma vermag Abadie-Reynal die Bedeutung dieser Handelsroute zu unterstreichen und damit auch die Wichtigkeit des Landtransportes auf dem Gebiet des antiken Handels, selbst wenn der Großteil der nachzuweisenden Amphoren aus Zeugma und Umgebung stammt. Zu belegen sind aber Importe aus dem östlichen Mittelmeerraum, der Levante und möglicherweise sogar Italien, wobei der chronologische Schwerpunkt der nachzuweisenden Amphoren in der Spätantike liegt.
Samuel R. Wolff widmet sich der Verbreitung punischer Amphoren im östlichen Mittelmeerraum, die in dieser Region allerdings nur in relativ geringer Anzahl überliefert sind. Er kommt zu dem Schluss, dass Handelskontakte zwischen dem Osten des Mediterraneums und den westlichsten phönizischen Städten die Ausnahme bildeten. Selbst für Karthago und seinen Einflussbereich im Westen lässt sich erst seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert ein relativ schmaler Export von Waren in Amphoren nachweisen. Generell finden sich aber im Osten des Mediterraneums nur wenige punische Amphoren, wobei sich Wolff zu Recht gegen die Ansicht äußert, dies sei durch die Eigenart der punischen Amphoren bedingt, die nicht für einen Fernhandel geeignet gewesen seien.
Die hellenistische Zeit ist durch eine Vielzahl von Abhandlungen vertreten. Die wichtige Funktion der rhodischen Amphorenstempel für die Etablierung von Daten und Chronologien in der hellenistischen Welt und der ihrer Nachbarn beleuchtet einmal mehr der Beitrag von Gerhard Jöhrens, der auf der Grundlage der rhodischen Amphorenstempel vom Zeitpunkt der Gründung von Tanais handelt. Der Verfasser kommt beim Vergleich der chronologischen Distribution der rhodischen mit den sinopischen Stempeln aus Tanais zu dem Ergebnis, dass der Platz in der Zeit zwischen 261/260 v. Chr. und 240 v. Chr. stärker nach Sinope ausgerichtet war, um dann seit dieser Zeit eher nach Rhodos orientiert gewesen zu sein und ab 230 v. Chr. nahezu ausschließlich rhodische Waren importiert zu haben. [3]
Eine von Carolyn G. Koehler und Philippa M. Wallace Matheson verfasste Abhandlung betont die besondere Rolle von Knidos als Weinexporteur in der hellenistischen Zeit. Im Zentrum ihrer Analyse stehen jedoch nicht die Handelsverbindungen von Knidos, sondern chronologische Fragen. Insbesondere untersuchen sie die Auswirkungen der neuen, von Gérald Finkielsztejn etablierten Chronologie der rhodischen Amphoren auf die Chronologie der knidischen Phrourarchenstempel. Gewöhnlicherweise werden diese Stempel im Kontext einer rhodischen Kontrolle über Knidos in den Jahren 188-167 v. Chr. gesehen. Die Verfasserinnen deuten hingegen die Phrourarchen als eine knidische Körperschaft, die sich dem Weinhandel widmete und Amphorenproduzenten einschloss. Im Verbund mit einer aus dem Befund ablesbaren Steigerung des Exportes von knidischem Wein in dieser Zeit legt dies nach Ansicht der Verfasserinnen eine Kooperation zwischen Knidos und Rhodos nahe, in keiner Weise aber eine Unterdrückung knidischer Interessen durch die Rhodier.
Die erste Untersuchung, die die römische Kaiserzeit betrifft, ist ein von Rita Auriemma und Elena Quiri verfasster Beitrag, der ein in der modernen Forschung eher selten behandeltes Gebiet thematisiert: die Adria. Grundlage ihrer Betrachtungen sind Fundkomplexe, die im äußersten Norden - vertreten durch Triest - und im Süden der Adria, namentlich Brindisi und S. Foca, liegen. Bemerkenswert ist hier der hohe Anteil von Amphoren aus dem Osten des Mediterraneums in den südlichen Fundkontexten, was auf die Lebendigkeit des Handels zwischen dem Südosten Italiens und dem genannten Gebiet verweist. Auch die chronologische Verteilung der Befunde auf der Halbinsel von Salento verdient wirtschaftsgeschichtlich starke Beachtung, reicht sie doch vom ersten nachchristlichen bis in das 4. Jahrhundert n. Chr., wobei eine deutliche Spitze im 3. Jahrhundert liegt. Damit liefert auch dieser Befund einen weiteren Hinweis auf die Notwendigkeit, die Wuchtigkeit der 'Krise' auf wirtschaftlichem Gebiet zu relativieren, wobei freilich eine Feinchronologie von größtem Interesse wäre.
Den Handel Alexandrias in der Spätantike analysiert Grzegorz Majcherek. Insbesondere betrachtet er die Importe an Wein und Öl nach Alexandria auf der Grundlage der Ergebnisse einer Grabung in Alexandria. Diese lassen einen Rückgang der Kontakte mit dem Westen etwa seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. erkennen, während im 5. und 6. Jahrhundert der Osten klar dominiert. Dieser Beitrag ist damit methodisch besonders wichtig, da er Konjunkturverläufe im Mediterraneum exemplarisch aufzuzeigen vermag.
Die Ergebnisse des Kolloquiums werden in einem Schlusskapitel (J. Eiring, G. Finkielsztejn, M.L. Lawall und J. Lund) resümiert, wodurch der Leser auf das trefflichste in die Ergebnisse, Probleme und Tendenzen der aktuellen Forschung eingeführt wird. Insgesamt stellt der Sammelband einen Referenzpunkt für jeden dar, der sich mit Fragestellungen beschäftigt, für die der Amphoren-Befund gewinnbringend zu nutzen ist. Dies gilt insbesondere für die Wirtschaftsgeschichte. Das eben Gesagte hat aber nicht nur Geltung für das östliche Mediterraneum, wie der Titel des Sammelbandes vermuten lassen könnte, sondern dank des Forschungsberichtes über den Westen der antiken Welt eben auch für diesen. Damit wird das Werk für die nächsten Jahre Grundlage und Ausgangspunkt für weitere Arbeiten bilden.
Anmerkungen:
[1] Vgl. L. Wierschowski: Die römische Heeresversorgung im frühen Prinzipat, in: MBAH 20, 2 (2001), 37-61; J. Remesal Rodríguez: Heeresversorgung im frühen Prinzipat. Eine Art, die antike Wirtschaft zu verstehen, in: MBAH 21,1 (2002), 69-84. Vgl. ferner B. Onken: Administrative Zuständigkeiten bei der Organisation der römischen Heeresversorgung im 1. u. 2. Jh. n. Chr., in: Laverna 12 (2001), 123-138.
[2] J.-Y. Empereur / Y. Garlan (Hg.): Recherches sur les amphores grecques (= BCH; Suppl. XIII), Paris 1986
[3] Allerdings erscheint es dem Rezensenten nicht folgerichtig, solches mit einer Entwicklung von Tanais von einem Emporion zu einer Polis zusammenzubringen, zumal ein Emporion noch in der Kaiserzeit dort existierte: I. Bosp. 1237 = IOSPE II 423 (193 n. Chr.): vgl. SEG XLVI 920; I. Bosp. 1243 = IOSPE II 428 (192 n. Chr.); I. Bosp. 1244 (Z. 1-10 = IOSPE II 436) (3. Jahrhundert n. Chr.). Als weiterer möglicher Beleg ist I. Bosp. 1257 anzuführen.
Kai Ruffing