Marcus Hall: Earth Repair. A Transatlantic History of Environmental Restoration, Charlottesville / London: University of Virginia Press 2005, xvi + 310 S., 26 b&w ill., 2 charts, 5 tables, ISBN 978-0-8139-2341-3, USD 35,00
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Der Untertitel der Dissertation des amerikanischen Umwelthistorikers Marcus Hall ist schwer ins Deutsche zu übertragen. Eine Variante wäre: eine transatlantische Geschichte der Wiederherstellung von Natur und Umwelt. Damit sind die Maßnahmen des klassischen Natur- und Umweltschutzes, von der Errichtung von Nationalparks bis zur Renaturierung von Flüssen, aber auch die vielfältigen Kultivierungsmaßnahmen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gemeint, wie etwa die Aufforstung mit Nadelhölzern in Zentraleuropa.
Mich erinnerte die Lektüre dieses Buches an eine Konferenz junger zumeist amerikanischer und deutscher Umwelthistoriker, die 2004 in Washington stattfand. Während dieser Tagung forderte Donald Worster, ein Veteran der Umweltgeschichte des amerikanischen Westens, alle energisch auf, sich länder- und kontinentvergleichenden Studien zuzuwenden. Einige deutsche Teilnehmer waren skeptisch. Sie betonten die Schwierigkeiten eines solchen Vergleichs und hinterfragten den Nutzen, den eine solche womöglich oberflächliche Herangehensweise haben könnte.
In gewisser Weise versucht nun Marcus Hall in seiner mit dem Rachel-Carson-Preis der American Society for Environmental History und dem Ray-Allen-Billington-Preis der Western History Association ausgezeichneten Arbeit, Worsters Forderung zu erfüllen. Durch eine kluge Kombination von Diskursgeschichte, amerikanischen und italienischen Fallbeispielen sowie einer Reihe von Kronzeugen, die den jeweils anderen Kontinent bereisten, sollen die unterschiedlichen Vorstellungen in Europa und Amerika dafür analysiert werden, warum Umwelt und Natur zerstört wurden und zu welchem Zustand sie wiederhergestellt werden sollen. Wie zu erwarten ist, stößt dieser Ansatz tatsächlich an Grenzen. Oft entsteht der Eindruck alte und neue Welt würden verglichen, aber primär italienische Beispiele für Letztere verwendet. Evident wird dies etwa bei der häufig zitierten Metapher von der Natur als Garten, die für Italien viel besser passt als für Deutschland. Die amerikanischen 'Umweltrestauratoren' wollten die Schäden reparieren, die die Menschen der Natur zugefügt hätten, so eine der Thesen Halls. Die europäischen Restauratoren versuchten dagegen, die Kräfte der Natur einzudämmen, die die jahrhundertealte Kulturlandschaft immer wieder zu überwältigen drohten. Kurz, in Amerika bezweckte man vergangene, präkolumbianische Wildnis wiederherzustellen, in Europa hingegen einen von Menschen angelegten 'Garten' zu erhalten und zu pflegen, der zu verwildern drohte. Noch kürzer, in den Augen der Amerikaner war der Mensch Schuld an der Zerstörung der Natur, in den Augen der Europäer bedrohte die Natur den menschlichen Wohlstand. So lautet das Argument der ersten Kapitel des Buches.
Kann man nun wirklich generell annehmen, in Europa hätte man im 18. und vor allem 19. Jahrhundert hauptsächlich der Natur die Schuld an der zerrütteten Mensch-Natur-Beziehung gegeben? Ein Blick auf den Diskurs, der sich um die Entstehung einer wissenschaftsbasierten Forstwirtschaft seit den 1750ern entspann, scheint auf etwas anderes hinzuweisen. Hier waren es die nachlässigen und fehlerhaften Managementpraktiken einzelner Nutzergruppen, die der Natur Schaden zufügten und die vormals flächendeckenden Wälder 'devastierten'. Hinter diesen Erklärungsmustern standen soziale Konflikte. Ländliche Hirten und adelige Jäger galten den Trägern des Diskurses als Waldzerstörer. Nicht das Vieh, sondern die Trift, nicht das Wild, sondern Wildstand, gerieten ins Visier der aufgeklärten Reformer. Nicht der Mensch, wohl aber einzelne Schichten und Praktiken der menschlichen Gesellschaft waren Schuld am Niedergang der Natur. Nun ließen sich beiderseits des Atlantiks genug Einzelbeispiele finden, um makrohistorische Thesen zu hinterfragen. Dennoch zeigen die Details ein Defizit der Arbeit Halls auf. Soziale Zusammenhänge und Konflikte bleiben ausgespart. Mensch und Natur - das ist in gewisser Weise eine bürgerliche und historische Perspektive, die fortgeschrieben wird, wenn man sie zum Untersuchungsraster erhebt. Ausführlich werden beispielsweise die ökologischen Vorstellungen analysiert, die hinter der amerikanischen Nationalparkpolitik standen, und wie sie sich wandelten. Dass in diesem Diskurs über die Wildnis Indianer systematisch herausgeschrieben wurden, was ihre physische Entfernung zur Folge hatte, findet in der Untersuchung wenig Raum. [1]
Die Skepsis mildert sich durch die folgenden Fallbeispiele. Hall stellt die Versuche der italienischen Behörden, ab den 1850ern in dem piemontesischen Tälchen Val Neraissa durch Flussverbauung und Aufforstung die häufigen Erdrutsche und Überschwemmungen einzudämmen, den Maßnahmen der amerikanischen Regierung in den östlichen Hängen der Rocky Mountains gegenüber. In den Canyons der Wasatch Berge im Bundesstaat Utah wurde zunächst versucht, durch künstliche Wiederaufforstung der Überflutungen Herr zu werden. Sukzessive gingen die 'Restauratoren' dazu über, die 'ursprüngliche Vegetation wiederherzustellen, wozu sie umfangreiche Recherchen zur potenziellen natürlichen Vegetation als auch historische Rekonstruktionen der Landschaft vor der Besiedlung durch Europäer anstellten.
Halls Analyseinstrumente erhalten in der zweiten Hälfte des Buches mehr Schärfe. Sein Vergleich der Debatten von Landschaftsarchitekten in Italien und den USA und den historischen Narrativen, die sie bei der Gestaltung von Parks und Landschaftsgärten zu Grunde legten, wirkt überzeugend: "Italian designers aimed to produce historic cultural states while their American colleagues set out to reproduce untouched natural states" (150). Auch im folgenden Kapitel mit dem Titel "Ecology and Memory" gelingt es dem Autor, die unterschiedlichen Ansätze auf die jeweiligen historischen Erzählungen beiderseits des Atlantiks zurückzuführen. Amerikanische Ökologen suchten nach natürlichen Gleichgewichten, nach Öko-Systemen, die sich ohne menschlichen Einfluss auf einen natürlichen Höhepunkt hinentwickelten. Die europäische Ökologie des 20. Jahrhunderts war eher bereit, den Menschen als Teil von Öko-Systemen zu sehen, und Kulturlandschaften als gesunde und erstrebenswerte Öko-Systeme anzuerkennen. Insgesamt historisiert Hall das dichte Geflecht an historischen Erzählungen, das auf den jeweiligen Kontinenten in unterschiedlichen Richtungen über ideale Zustände von Natur und Umwelt, die es wiederherzustellen galt, zu Grunde lagen. Diese Erzählungen bestimmen noch heute viele Maßnahmen der 'Restauratoren'. Insofern ist Hall ein Vertreter amerikanischer Umweltgeschichte nach dem cultural turn. [2] Zugleich haben die Schneisen, die er in das Dickicht transatlantischer Diskurse über die Frage, welche Natur eigentlich repariert werden soll, ein praktisches Ziel: "Without clear reasons why one land is damaged and the other is ideal, we may be Don Quixotes fighting windmills." (240) Da das Projekt der Wiederherstellung der Erde per se mit der historischen Vorstellung eines vergangenen Idealzustandes arbeite, müssten sich die 'Restauratoren', ob sie nun renaturieren oder rekultivieren, im Klaren über diese Vorstellungen sein. Nur so könnten die Bedrohungen der Umwelt erkannt und effiziente Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Abschließend bleibt festzuhalten: Der transatlantische Vergleich ist gelungen. Das Buch ist gut zu lesen und bietet eine Fülle von neuen Einsichten über die der Praxis von Natur- und Umweltschutz, den Renaturierungs- und Rekultivierungsbemühungen der verschiedensten Akteure zu Grunde liegenden historischen Narrative. Und dem Autor ist zuzustimmen, wenn er festhält, dass eines nicht verwundern darf: Mit George Perkins Marsh war ein Amerikaner der Erste, der erkannte, dass nicht die Natur, sondern die Kultur die Quelle der Umweltzerstörung ist. (234) Dennoch ist zu fragen, ob es sich dabei nicht um eine Feststellung handelt, die dem amerikanischen Diskurs um die Erdreparatur, wie ihn Hall beschreibt, entspringt. Knapp zwei Jahrzehnte vor Marsh rief Wilhelm Heinrich Riehl in seinem Buch "Land und Leute" zum Erhalt des Waldes in seiner vormodernen Konstitution als Lebensraum der ländlichen Bevölkerung auf: "Der Wald ist für uns nicht mehr die Wildnis, von der wir ins geklärte Land hinausstreben sollen, sondern eine wahrhaft großartiges Schutzhege unserer eigensten volksthümlichen Gesittung." [3] Im historischen Kontext Europas wurde die Natur nur mit dem Menschen gedacht. Die Zerstörung der Natur war immer auch die Zerstörung der menschlichen Natur.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Mark Spenc: Dispossessing the Wilderness. Indian Removal and the Making of the National Parks, Oxford 1999. Karl Jacoby: Crimes against Nature. Quatters, Poachers, Thieves, and the Hidden History of American Conservation, Berkley/London 2001.
[2] Vgl. Richard White: From Wilderness to Hybrid Landscapes: The Cultural Turn in Environmental History, in: The Historian 66 (2004), 557-564.
[3] Wilhelm Heinrich Riehl: Land und Leute, 6. Aufl., Stuttgart 1861, 67.
Richard Hölzl