Bastian Salier: Freimaurer in Hildburghausen. Personen, Fakten, Hintergründe (= Schriften zur Geschichte der Stadt Hildburghausen; Bd. 5), Hildburghausen: Verlag Frankenschwelle 2005, 173 S., ISBN 978-3-86180-170-2, EUR 24,90
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Wer nach Quellen und seriöser Literatur zur Geschichte diskreter Gesellschaften sucht, kennt die damit verbundenen Schwierigkeiten: Über eine Vereinigung frühneuzeitlichen Ursprungs wie die der Freimaurer, deren Geschichte vielfacher Legendenbildung ausgesetzt war und ist, sind verlässliche Informationen nur unter hoher quellenkritischer Achtsamkeit zu erlangen. Freimaurerische Apologetik und antimasonische Konspirationsthesen sind dabei nur die offensichtlichsten Extreme. Der hier anzuzeigende Band Freimaurer in Hildburghausen des Leipziger Journalisten Bastian Salier ist ein weiteres Beispiel für die unverminderte Aktualität dieser Problematik.
Positiv hervorzuheben ist zunächst die Orientierung der Schrift an Quellen aus originärer Überlieferung der in Rede stehenden Hildburghäuser Freimaurerlogen - da der Autor keinen genuin geschichtswissenschaftlichen Hintergrund hat und zudem "allgemeinverständlich" schreiben will, ist dies ebenso wenig selbstverständlich wie der Abdruck etlicher Quellen, teilweise in Form von Abbildungen der Dokumente selbst. Auf präzise Belege für diese Quellen muss der Leser allerdings weitgehend verzichten. Zahlreiche Reproduktionen, etwa von Siegeln und Medaillen der Hildburghäuser Logen, von Porträts ihrer Meister und von Aufnahmen der Logenhäuser, geben dafür einen Eindruck vom kulturhistorischen und lebensweltlichen Charakter der Freimaurerei.
Der Band steht in einer Reihe mit älteren Werken zur Freimaurergeschichte, mit deren Hilfe der Historiker Einsicht in Quellen erhält, die nicht in öffentlich zugänglichen Archiven lagern, hier in einem Leipziger Logenarchiv. Allerdings stammen solche Werke zumeist aus der Feder freimaurerischer Schriftsteller, geben also in ihren Darstellungen und Interpretationen die masonische Binnenperspektive wieder, und eben dies gilt auch für die Hildburghäuser Logengeschichte: Bastian Salier ist selbst Freimaurer, wie der biographischen Notiz am Ende des Buches zu entnehmen ist. Nun limitiert die Zugehörigkeit des Autors zu einer Loge nicht unbedingt die Wissenschaftlichkeit seiner historischen Arbeit zu masonischen Gegenständen, wie zahlreiche Beispiele solider geschichtswissenschaftlicher Beiträge freimaurerischer Autoren zeigen. Im Falle der Freimaurer in Hildburghausen ist aber die apologetische, auf die historische wie auf die gegenwärtige Rolle der Freimaurerei gerichtete Perspektive unverkennbar, wie schon ein kurzer Blick in die zwei einführenden Kapitel zur Freimaurerei im Allgemeinen und zur Freimaurerei in Deutschland deutlich werden lässt: Wohltätiges Engagement der Logen geschehe auch heute "ohne große Geschwätzigkeit", und es habe lange gedauert, sich von den "fatalen Irrwegen" des 18. Jahrhunderts - wie den Hochgradsystemen - "zu erholen".
Dies vorausgeschickt, hat man es mit einem durchaus nützlichen und verdienstvollen Beitrag zur Geschichte einzelner Freimaurerlogen zu tun, dessen Gewinn gerade im lokalen Bezug liegt. Entsprechend dokumentarisch verfährt Salier, wenn er Datum und Umstände der Gründung der langlebigsten Hildburghäuser Loge "Karl zum Rautenkranz" im Jahre 1788 minutiös nachzeichnet und für seine Datierung zahlreiche Quellenbelege anführt. Interessant ist hier die Tatsache, dass der Regent des kleinen Fürstentums Sachsen-Hildburghausen, Herzog Friedrich, zwar Protektor der Loge war, das Amt des Meisters vom Stuhl jedoch über Jahrzehnte von Prinz - später Herzog - Carl von Mecklenburg-Strelitz, Großmeister der "Provinzialloge" in Hannover, bekleidet wurde. In einem längeren Literaturzitat erfährt man dazu, dass letzterer der Schwiegervater von ersterem war - die Hildburghäuser Loge mit Salier als "Hofloge" zu bezeichnen ist also mehr als nahe liegend.
Die weitere Darstellung der Logengeschichte bis zur Auflösung 1934 orientiert sich dann weitgehend an der inneren Logik der Logenorganisation und beschreibt anhand von Gegenständen wie der zahlreichen "Gremien und Stiftungen" oder der Kontakte zu anderen Logen das Leben in der Loge und ihre Wirkung in Hildburghausen. Salier bleibt dabei allerdings wie schon die ältere masonische Geschichtsschreibung stets auf der funktional-organisatorischen Ebene, ohne inhaltliche Einblicke in die "Arbeit" im Tempel, beispielsweise die Entwicklung der Rituale unter den jeweiligen Zeitumständen, zu geben. Welche Bedeutung die Zugehörigkeit zu verschiedenen Logensystemen für die alltägliche Logenarbeit haben konnte, erfährt der Leser dadurch leider nicht, so dass sich die Eigenschaft der Hildburghäuser Loge, keiner Großloge untergeordnet zu sein, nicht als die Besonderheit erschließt, die sie auch inhaltlich dargestellt haben dürfte. Ähnlich dünn sind die Ausführungen zur Rolle der Hildburghäuser Freimaurer im Nationalsozialismus - die Beobachtung, dass sich die Logen der "Großloge Deutsche Bruderkette" von völkischen Tendenzen des deutschen Logenverbandes distanzierten, könnte durchaus weiterverfolgt werden.
Biographische Skizzen zu einzelnen Persönlichkeiten der Logengeschichte bilden einen zweiten Teil, wobei die jeweiligen masonischen Aktivitäten nicht im Mittelpunkt stehen und insofern die biographischen Informationen von allgemein historischem Wert sind, besonders für die Lokal- und Regionalgeschichte. Eine Zeittafel der Hildburghäuser Logengeschichte sowie ein Glossar masonischer Begriffe ergänzen den Band, ein umfangreiches Register zu Personen, Logennamen und Orten ist ebenfalls beigegeben. Im Glossar ist der persönliche Hintergrund des Autors noch einmal besonders präsent, wenn er etwa den Begriff "Freimaurerei" mit einer "offiziellen" Definition aus der Verlautbarung einer Großloge erklärt.
Abseits der unmittelbaren Logengeschichte ist die Darstellung von Entstehung und Entwicklung der Freimaurerei leider nicht ganz auf der Höhe der Forschung, was sicher auch der eher schmalen Literaturgrundlage geschuldet ist. [1] So übernimmt Salier in der Tradition masonischer Geschichtsschreibung die Zurückführung der Freimaurerlogen auf die mittelalterlichen Dombauhütten, obwohl seit längerem differenzierte Untersuchungen zu den geistes- und religionsgeschichtlichen Hintergründen der frühen Logen vorliegen, etwa die Forschungen von David Stevenson. [2] Angemessen erscheint dagegen die Einschätzung, Freimaurerei und Aufklärung seien inhaltlich kaum, auf keinen Fall aber kausal miteinander verwoben, man könne also etwa den masonischen Toleranzgedanken nicht einfach für ein Indiz einer Verwurzelung der Logen in "der Aufklärung" nehmen.
Insgesamt hinterlässt der besprochene Band einen zwiespältigen Eindruck: Die Geschichte einzelner Logen detailliert zu bearbeiten ist eine Aufgabe, die kaum von Historikern geleistet werden kann, die an überlokalen Fragestellungen interessiert sind. Insofern bleibt solche Grundlagenarbeit weiter richtig und wichtig. Die masonische Binnenperspektive schränkt zwar die wissenschaftliche Nutzbarkeit ein, doch regionalhistorisch ist die Schrift von einigem Wert und gibt, auch mit den biographischen Informationen, nicht nur offene Fragen, sondern auch Material und Anregungen für weitere Forschungen an die Hand.
Anmerkungen:
[1] Zum Forschungsstand vgl. Geheime Gesellschaft. Weimar und die deutsche Freimaurerei, Katalog zur Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik im Schiller-Museum Weimar 21. Juni bis 31. Dezember 2002, hg. von Joachim Berger/Klaus-Jürgen Grün, München 2002.
[2] David Stevenson: The Origins of Freemasonry. Scotland's Century, 1590-1710, Cambridge 1988.
Renko Geffarth