Susanne von Falkenhausen / Silke Förschler / Ingeborg Reichle / Bettina Uppenkamp (Hgg.): Medien der Kunst: Geschlecht, Metapher, Code. Beiträge der 7. Kunsthistorikerinnen-Tagung in Berlin 2002, Marburg: Jonas Verlag 2004, 285 S., 100 s/w-Abb., ISBN 978-3-89445-337-4, EUR 25,00
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Mit "Medien der Kunst - Geschlecht, Metapher, Code" liegt seit Ende 2004 der Tagungsband der 7. Kunsthistorikerinnen-Tagung vor. Die Publikation enthält eine Auswahl der 2002 auf der Konferenz in Berlin gehaltenen Vorträge und spürt maßgeblich dem Verhältnis von Medialität und Geschlecht in der visuellen Kultur nach. Ein zentrales Anliegen der vier Herausgeberinnen ist es, "Medialität als analytische Kategorie und ästhetische Dimension auch jenseits der neuen Medien"(7) in den feministisch-kritischen Kunstwissenschaften nachhaltig zu etablieren. Obwohl sie bedauern, dass viele Tagungsbeiträge mit ihren Forschungsgegenständen nicht auf die 'alten' Medien zurückgreifen, ist den Herausgeberinnen, wie sich auf der Konferenz bereits abgezeichnet hatte, ein Band gelungen, der ein breites Spektrum hervorragender Aufsätze vereint. Nach Medialität wird nicht nur in den 'traditionellen' Bereichen wie dem Cyberspace (27ff.) oder der Videokunst (69ff.) gefahndet, sondern es werden auch Architekturen nach der Medialisierung des Raumes befragt, wie es Linda Hentschel (111-221) und Irene Nierhaus (122-131) unter dem Aspekt der Verschränkung von "Raumbilder[n]/Bildräume[n]" unternehmen. Außerdem werden Bilderpolitiken (145ff) und Körperbilder (202ff) konsequent und epochenübergreifend als Medieneffekte untersucht. Fluide Subjektentwürfe wie die der Cyborg Reiko in Shu Lea Cheangs Science-Fiction-Porno I.K.U., die Yvonne Volkart im Hinblick auf das subversive Potenzial solcher "Geschlechtermetamorphosen" kritisch diskutiert (60-68), interessieren ebenso wie die geschlechtliche Codierung des mittelalterlichen Buches, die Silke Tammen im Zusammenspiel von Bild und Schrift produktiv macht (257-272).
Anknüpfend an die 6. Kunsthistorikerinnen-Tagung, die sich 1996 in Trier mit den "Projektionen von Rassismus und Sexismus" auseinander gesetzt hatte [1], geht es somit nach wie vor um die kritische Analyse von Mythenbildungen - wie zum Beispiel die an die neuen Medien geknüpfte Vision von der Auflösung aller hierarchischen Strukturen im virtuellen Raum. Es stehen nun aber nicht mehr Repräsentationen im Mittelpunkt des Interesses, sondern Codierungen, die es zu decodieren gilt und mit denen die spezifisch medientechnologische Dimension der Bilder unterstrichen werden soll (10). Die Perspektivierung der Überschneidungen geschlechtlicher, ethnischer, ökonomischer und anderer Differenzen wird in der Einleitung weiterhin als ein zentrales Anliegen herausgestellt, von den einzelnen Beiträgen aber leider nicht immer konsequent weiterverfolgt. Anders dagegen Dagmar Fink und Susanne Lummerding, die das Transgressionsversprechen im Kontext des Cyberspace kritisch hinterfragen (164-174), und Kerstin Brandes, die vor dem Hintergrund postkolonialer Theoriebildung mögliche Widerständigkeiten im Hinblick auf visuelle Festschreibungen in der Dominanzkultur diskutiert (148-163). Vor allem die Beiträge von Gabriele Genge (133-144) und Silke Förschler (216-227) nehmen durch ihre Auseinandersetzung mit der medialen Inszenierung des Orients durch den westlichen Blick die Schnittstellen mehrerer Differenzsysteme in den Blick.
Genge untersucht anhand ausgewählter Beispiele aus dem Werk Shirin Neshats, wie unter anderem der Videoinstallation Pulse von 2001, inwiefern das Ornament "als Transporteur westlicher Kulturdefinition für den Orient reflektiert" und eingesetzt werden kann (138). Förschler befragt das Motiv der nackten Badenden im Kontext von geschlechtlichen Körperdiskursen und spürt dabei ihren medialen Inszenierungen zwischen look und gaze (Silverman) nach. Im Mittelpunkt stehen die als Pendants angelegten Videoinstallationen Frauenbadehaus und Männerbadehaus (1997) von Katarzyna Kozyra, die Förschler mit Ingres' Badenden vergleicht: In beiden Fällen ermöglicht die Schlüssellochoptik das visuelle Eindringen des Betrachters in den 'fremden' Raum. Der (westliche) Blick wird hier nicht einfach mit einer zentralperspektivischen Eroberungsstruktur in den Bildraum gelenkt, sondern durch die strudelartige Anordnung der Akte vielmehr dazu eingeladen in die Vielfalt der Körperformen einzutauchen, umso nachhaltiger vorzudringen.
Elke Frietsch fragt in ihrem Beitrag nach geschlechtlichen Zuschreibungen in Körperinszenierungen am Beispiel des Motivs vom Körper als Gefäß (228-241). Ihre These ist, dass die universalistische Vorstellung vom Körper als Seelengefäß mit der Ablösung des Ein-Geschlechter-Modells durch das Zwei-Geschlechter-Modell (Laqueur) keinesfalls aufgehoben wurde, sondern vielmehr eine geschlechtliche Fokussierung auf 'das Weibliche' stattgefunden hat. Mit der Festschreibung des Geistigen auf 'das Männliche' geht etwa in der Kunst des Nationalsozialismus die Inszenierung vom 'weiblichen' Körper als "Ideologiegefäß" (233) einher. Die Gefäß-Metaphorik wirkt in Körperinszenierungen bis heute nach, sodass Frietsch die Behauptung widerlegen kann, die neuen Medien seien frei von tradierten Zuschreibungen.
Mechthild Fend geht der spezifisch medialen Funktion von Haut in der bürgerlichen Kultur des 18. und 19. Jahrhunderts nach und zeigt am Beispiel der Porträtmalerei von David und Ingres frappierende Unterschiede auf (242-256). Während David in seinen postrevolutionären Gemälden durch eine sorgfältige Akzentuierung die Sensualität der Haut und damit das Innere nach Außen hin sichtbar macht, verweigert sich Ingres auf radikale Weise der Reproduktion von akademischer Körperauffassung. Er fasst die Haut der porträtierten Männer und Frauen als Leinwand - mit nichts dahinter - auf, die sich 'wurstpellenartig' um eine undefinierbare Masse (den Körper) spannt.
Der als brillant erinnerte Vortrag von Hanne Loreck, die mit intellektuellem Scharfsinn und Witz die "Bild-Andropologie" Beltings unter gendertheoretischen Vorzeichen dekolonisierte, ist im Tagungsband als programmatischer Text vorangestellt und um eine Einführung in das umkämpfte Feld der Bildwissenschaften, inklusive einer kritischen Lektüre W.J.T. Mitchells, erweitert (12-26). Mitchells What do Pictures Really Want? gilt als Schlüsseltext des so genannten pictorial turn. Mit ihrer Kritik gelingt Loreck nicht nur eine Positionierung innerhalb der Bildwissenschaften, sondern sie zeigt gleichzeitig die dringende Notwendigkeit der Debattenbeteiligung aus dem Bereich der feministisch-kritischen Kunstwissenschaften auf. Unklar bleibt bei der Lektüre des ganzen Bandes jedoch, ob es neben der Etablierung des Medienbegriffs in der kunsthistorischen Debatte auch ein Anliegen der Herausgeberinnen ist, den Expertinnenstatus auf dem Feld der Bildwissenschaften zurück zu gewinnen. Denn die Diskussionen um eine transdisziplinäre Bildwissenschaft werden längst nicht mehr von den Kunst- und Medienwissenschaften bestimmt, sondern philosophische Ansätze dominieren. [2]
Der vorliegende Band vereint eine große Anzahl thematisch und inhaltlich spannender Beiträge brillanter Wissenschaftlerinnen, und es bleibt zu hoffen, dass er auch in Zeiten knapper Kassen und hochschulinterner Verteilungskämpfe nicht der letzte in der Reihe der Veröffentlichungen von Kunsthistorikerinnen-Tagungen gewesen sein wird.
Anmerkungen:
[1] Annegret Friedrich / Birgit Haehnel / Viktoria Schmidt-Linsenhoff / Christina Threuter (Hg.): Projektionen. Rassismus und Sexismus in der visuellen Kultur, Marburg 1997.
[2] Klaus Sachs-Hombach (Hg.): Bildwissenschaft: Disziplinen, Themen, Methoden, Frankfurt am Main 2005.
Melanie Ulz