Florian Krüpe / Christoph Schäfer (Hgg.): Digitalisierte Vergangenheit. Datenbanken und Multimedia von der Antike bis zur frühen Neuzeit (= Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen; 5), Wiesbaden: Harrassowitz 2005, XI + 147 S., ISBN 978-3-447-05048-7, EUR 48,00
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Der von Florian Krüpe und Christoph Schäfer im Jahr 2005 herausgegebene Sammelband Digitalisierte Vergangenheit ist Ergebnis der Jahrestagung 2002 der AGE (Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV) mit dem Titel Historische Datenbanken und Multimedia. [1] Der Tagungsband greift einen Teil der auf der Tagung vorgestellten Digitalisierungsprojekte auf und bietet in seinen sieben Beiträgen eine knappe Übersicht zu laufenden bzw. kürzlich abgeschlossenen digitalen Editionsprojekten und nützlichen Ressourcen im Netz und unterstreicht vor allem in einem einführenden Kapitel der beiden Herausgeber die wachsende Bedeutung der Neuen Medien bzw. des Internets für die Geschichtswissenschaft.
Krüpe und Schäfer beleuchten in ihrer Einleitung Vor- und Nachteile der für die Geschichtswissenschaft immer wichtiger werdenden Neuen Medien. Während sie auf der einen Seite die schier grenzenlosen Möglichkeiten aufzeigen, die sich mit der Nutzbarmachung und dem Einsatz von Datenbanken, Internet und digitalisiertem Quellenmaterial eröffnen, weisen sie auf der anderen Seite auch auf einige Probleme in Einsatz, Handhabung und Möglichkeiten hin. Diese sehen sie vor allem in zwei Bereichen: Die bis dato gebräuchlichen Datenträger wiesen eine zu geringe Haltbarkeit auf (4) und der Benutzer wäre zunehmend weniger in der Lage, die Fülle an Informationen, die im Netz zur Verfügung stehen, sinnvoll zu nutzen (5).
Den ersten Einwand entkräften sie teilweise selbst mit dem Hinweis auf die Transferierung von Wissen in das ständig wachsende Internet. Bezüglich des zweiten Problems stellen beide eine Lösung in Aussicht: Nur eine deutlich verbesserte Ausbildung zukünftiger Historiker, eine gezielte Heranführung an die Möglichkeiten und ein spezifischer Einsatz der bereits bestehenden Angebote könne dieses Problem bewältigen. Den Erwerb von EDV-Kompetenzen sehen Krüpe und Schäfer somit als unverzichtbaren Bestandteil des Curriculums, der mangelnde Fertigkeiten in den etablierten Methoden zwar nicht ausgleichen, die bewährten fachwissenschaftlichen Herangehensweisen jedoch ergänzen könne. Zukünftig müssten Historiker ihre Kompetenz, unstrukturierte Datenberge in kürzester Zeit nach bestimmten Fragestellungen zu durchsuchen, ausweiten, perfektionieren und an immer größere Datenfluten anpassen. Dies setze auch voraus, dass die teilweise beachtlichen Fähigkeiten zumeist junger Nachwuchswissenschaftler und Studierender im Bereich der Neuen Medien anerkannt würden (7). Die Bedeutung der EDV für und in der Geschichtswissenschaft gehe längst darüber hinaus, lediglich eine "elektronische Schreibmaschine" zur Verfügung zu stellen. Die Historiker müssten vielmehr dazu übergehen, EDV als eine Hilfswissenschaft zu begreifen und entsprechend zu gestalten (6).
Auf eine kleinteilige Wiedergabe der sieben Projektbeschreibungen soll hier verzichtet werden. Wie bei der kontinuierlichen Lektüre des Tagungsbandes auch würde eine schwer lesbare Aneinanderreihung von Einzelheiten entstehen. Zwar schildern die Beiträge des Bandes zum großen Teil wertvolle Projekte, die nicht nur Lücken schließen, sondern auch neue Forschungsvorhaben möglich machen, doch lassen sich die über viele Seiten abgedruckten, eher einer Bedienungsanleitung ähnelnden detaillierten Präsentationen der Struktur und Handhabung der einzelnen Datenbanken und Sammlungen nur schwer und ermüdend lesen. Interessant und nutzbringend ist diese Darstellungsweise für den Leser nur dann, wenn er sich mit dem jeweiligen Aufsatz an seinen Rechner setzt und das Beschriebene unmittelbar nachvollzieht und ausprobiert. Zumindest seien aber die einzelnen Beiträge genannt:
Brigitte Truschnegg stellt in ihrem Beitrag das Projekt "Geschlechterrollen in der antiken Ethnographie" des Instituts für Alte Geschichte und Altorientalistik an der Universität Innsbruck und die daraus hervorgegangene Datenbank FRuGAE vor, deren angekündigte im Internet zugängliche Version noch heute auf sich warten lässt (11-25). Das mittlerweile recht große Angebot an Websites zur Papyrologie versucht der Aufsatz von Kai Ruffing zu ordnen (27-46). Leif Scheuermann und Wolfgang Dietz erläutern recht kleinteilig die Erfahrungen mit und aus dem transdisziplinären Multimedia-Projekt "In den Wirren des Bauernkriegs - Jerg Ratgeb und der Herrenberger Altar" (47-65). Otto Volk informiert über COMPUTATIO, das Marburger Informationsportal zu Rechnungen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, dessen Leistung vor allem in der Aufbereitung des Materials auch für Studium und Lehre zu suchen ist (67-80). Den bibliothekarischen Ordnungssinn zeigt der Beitrag von Franz Jürgen Götz, der den Stand der Arbeiten im DFG-Projekt "Erschließung und Digitalisierung der frühneuzeitlichen Einblattdrucke der Bayerischen Staatsbibliothek München" vorstellt, durch das die umfangreichen Bestände virtuell zugänglich gemacht werden (81-103). Der Tagungsband schließt mit einem Bericht von Michael Haas, der sich mit "Digitalen Karten als Hilfsmittel in der Geschichtswissenschaft" beschäftigt (104-130), und dem Beitrag zu einer sammlungsgeschichtlichen Datenbank des Übersee-Museums Bremen durch Bettina von Briskorn (105-147).
Der vorliegende Tagungsband liest sich nicht zuletzt dank des grundsätzliche Fragen behandelnden Vorworts gewinnbringend. Wie auch die Mehrzahl der Beiträger sehen die beiden Herausgeber die Entwicklungsmöglichkeiten der EDV ausgesprochen optimistisch. Zwar weisen sie deutlich auf die Probleme und Hemmnisse für einen immer effizienteren und dabei individuelleren Einsatz von e-Angeboten hin, sehen dabei aber vor allem das Problem auf Seiten des Nutzers solcher Angebote. Vernachlässigt werden zwei andere gravierende Probleme, welche die hier abgedruckten Beiträge in aller Deutlichkeit erkennen lassen: Es fehlen uns bisher allgemein akzeptierte und breit durchgesetzte Standards, die innerhalb der Geschichtswissenschaft (und weit darüber hinaus) die angemahnte Verknüpfung sämtlicher zur Verfügung stehender Informationen im Netz erst möglich machen würden. Mindestens ebenso hinderlich für eine zügige Entwicklung der Angebote ist aber auch der immense Arbeitsaufwand, der mit der Aufbereitung, Bereitstellung und Wartung der hier vorgestellten Projekte verbunden ist. Bisher sind keine Lösungen gefunden, wie unter diesen Voraussetzungen dem Ideal völliger Verknüpftheit bei gleichzeitig höchster Individualität in der Fragestellung entsprochen werden könnte.
Eine digitale Version der Aufsätze, eine ebenfalls online nutzbare Sammelbibliografie, einen Sachindex sowie eine Linksammlung zu den einzelnen Projekten sucht man vergeblich. Der Band selbst scheint unter erheblichem Zeitdruck produziert worden zu sein, denn zahlreiche Druckfehler fallen auf.
Der zur Besprechung vorgelegte Band stellt einerseits sieben teilweise innovative Produkte der EDV für die Geschichtswissenschaft (Datenbanken, Web-Kataloge, Multimediaanwendungen) vor. Auf der anderen Seite setzen sich die beiden Herausgeber in einem einleitenden Kapitel kritisch mit dem Verhältnis von Geschichtswissenschaft zur EDV auseinander; neben dieser Bestandsaufnahme zeigen sie aber auch Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten auf und schreiben ein leidenschaftliches Plädoyer für die EDV als Hilfswissenschaft.
Anmerkung:
[1] Ein entsprechender Tagungsbericht von Florian Krüpe liegt bei H-Soz-u-Kult unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=201 vor.
Stefan Bießenecker