Luca Baldissara / Paolo Pezzino (a cura di): Giudicare e punire. I processi per crimini di guerra tra diritto e politica, Neapel: L'Ancora Del Mediterraneo 2005, 344 S., ISBN 978-88-8325-134-4, EUR 25,00
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Luca Baldissara / Paolo Pezzino (a cura di): Crimini e memorie di guerra. Violenze contro le popolazioni e politiche del ricordo, Neapel: L'Ancora Del Mediterraneo 2004, 375 S., ISBN 978-88-8325-135-1, EUR 25,00
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Martin Aust / Daniel Schönpflug (Hgg.): Vom Gegner lernen. Feindschaften und Kulturtransfers im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M.: Campus 2007
Harald Bodenschatz (Hg.): Städtebau für Mussolini. Auf der Suche nach der neuen Stadt im faschistischen Italien, Berlin: DOM Publishers 2011
Friedrich-Ebert-Stiftung / Institut für Sozialgeschichte Braunschweig-Bonn (Hg.): Die Siebzigerjahre. Gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland, Bonn: J.H.W. Dietz Nachf. 2004
Manchmal ist eine Konferenz so groß dimensioniert, dass es zu ihrer Dokumentation gleich zweier Tagungsbände mit insgesamt über 700 Seiten bedarf. Ein solches wissenschaftliches Großereignis war der 2002 in Bologna veranstaltete internationale Kongress "War against Civilians - Massacres, Violence and War Crimes in Italy and Europe during World War II." Bei der viertägigen Konferenz ging es jedoch nicht allein um die Gewalttaten selbst. Auch die justizielle Ahndung dieser Verbrechen und deren Erinnerung (beziehungsweise Verdrängung) in Politik und Gesellschaft mehrerer europäischer Staaten nach 1945 standen gleichgewichtig auf der Tagungsagenda.
Mit seinen insgesamt 25 Beiträgen stellen die Tagungsbände in gewisser Weise das italienische Pendant zum jüngst von Norbert Frei herausgegebenen Sammelband über die "transnationale Vergangenheitspolitik" dar. [1] Jedoch mit einem gravierenden Unterschied: Während sich Frei auf den strafrechtlichen Umgang mit deutschen Gewaltverbrechen konzentriert, nehmen die beiden italienischen Herausgeber sowohl deutsche als auch italienische Kriegsgräuel und deren "Bewältigung" nach 1945 in den Blick. Das hat zwei Vorteile: Zum einen erfährt der deutsche Leser viel Neues über die hierzulande nach wie vor viel zu wenig bekannten Kriegsverbrechen des faschistischen Regimes auf dem Balkan, in Griechenland, in den Kolonien und in Italien selbst. Darüber hinaus werden Ähnlichkeiten und Interaktionen im Vorgehen der Achsenmächte gegenüber Zivilbevölkerung und Partisanen in den von ihnen besetzten Ländern ebenso deutlich wie Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit den Hinterlassenschaften der faschistischen Herrschaft.
Wie James Burgwyn am Beispiel von Slowenien und Dalmatien zeigen kann, erklären sich die von den italienischen Truppen vorgenommenen Geiselerschießungen und die Verschleppung Tausender Zivilisten in eigens errichtete Konzentrationslager nämlich nicht nur aus der zunehmenden Partisanentätigkeit oder der dem Faschismus eigenen Rassenideologie. Motivierend wirkte auch die faktische Konkurrenz zwischen den beiden Achsenpartnern. So wollte Mussolini Hitler gegenüber unter Beweis stellen, dass auch Italien dazu fähig war, ein Land zu erobern.
Diesen Befund bestätigt auch Lidia Santarelli in ihrem Beitrag zur italienischen Besatzung Griechenlands. Wie die Historikerin zeigen kann, glaubte der "Duce", nach den militärischen Schlappen Italiens seine beim Achsenpartner beschädigte Glaubwürdigkeit als Kriegsherr durch ein besonders brutales Besatzungsregime wiederherstellen zu müssen. Das reichte von Massenexekutionen über Zwangsarbeit bis hin zu einer offensichtlich bewusst praktizierten "Politik des Hungers", der nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 200.000 Einwohner zum Opfer fielen. Sehe man einmal von der Judenpolitik ab, so das Fazit Santarellis, gebe es letztlich keinen Unterschied zwischen italienischer und deutscher Besatzungspolitik in Griechenland.
Vergleicht man dagegen die juristische Ahndung dieser bis dahin beispiellosen Kriegsverbrechen in beiden Ländern nach Kriegsende - eine Aufgabe, der sich die Herausgeber entzogen haben -, so fallen zumindest auf den ersten Blick gravierende Unterschiede auf. In Westdeutschland wurden nach 1945 immerhin mehrere tausend Straftäter von alliierten und später deutschen Gerichten abgeurteilt, in Italien gibt es dagegen bis heute keinen einzigen Schuldigen, der von einem italienischen Richter wegen Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Diese Unterschiede sind allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass die Mehrzahl der Deutschen damals bereits die Lehren aus Krieg und Nationalsozialismus gezogen hätte. Ganz im Gegenteil: Wie Peter Maguire und Donald Bloxham deutlich machen, empfand die westdeutsche "Zusammenbruchgesellschaft" (wie interessanterweise auch die Rechte in den USA und Großbritannien) die alliierten Prozesse von Nürnberg ganz überwiegend als reine "Siegerjustiz".
Es war vielmehr die in beiden Ländern grundsätzlich anders gelagerte politische Ausgangssituation, die diese Diskrepanzen hervorrief. Die Alliierten kamen 1945 nicht umhin, Italien als mit-kriegführenden Staat anders zu behandeln als das nationalsozialistische Deutschland, das den Kampf sogar über den Tod des "Führers" hinaus fortgesetzt hatte. Im Zuge des sich rasch verschärfenden Ost-West-Gegensatzes ging es Briten und Amerikanern dann um eine möglichst rasche Stabilisierung der instabilen italienischen Nachkriegsdemokratie; die "Reeducation" der italienischen Gesellschaft stand nicht auf der Tagesordnung. Die früh erhobenen Forderungen aus den von italienischen Truppen besetzten Ländern nach Auslieferung der Kriegsverbrecher wurden deswegen hintertrieben. Großbritannien etwa übte massiven Druck auf Äthiopien aus, die Anklagen fallen zu lassen. Die außenpolitischen Rahmenbedingungen ermöglichten der Regierung in Rom eine Politik, die zum Schutz italienischer Kriegsverbrecher sogar auf eine Verfolgung deutscher Täter in Italien verzichtete. Das belastende Untersuchungsmaterial legte die Militärjustiz stillschweigend zu den Akten, wie Michele Battini und Filippo Focardi überzeugend, wenn auch nicht zum ersten Mal, darlegen. [2]
Unter dem Eindruck des Kalten Kriegs näherten sich dann allerdings die Verhältnisse in Westdeutschland und Italien in der Kriegsverbrecherfrage wieder an. Weil beide Staaten bald Mitglieder der westlichen Verteidigungsgemeinschaft waren, zeigten sich Briten und Amerikaner zunehmend zu Konzessionen bereit. Sie gaben etwa den deutschen Forderungen nach vorzeitiger Haftentlassung der "Kriegsverurteilten" (wie das nun verharmlosend hieß) weitgehend nach: Bereits 1955 befanden sich über 90 Prozent der Täter wieder auf freiem Fuß. Aber auch bei neuen Fällen kam der politische Klimawandel voll zum Tragen: Das Strafmaß in den von den deutschen Strafverfolgungsbehörden angestrengten Kriegsverbrecherprozessen war teilweise erschreckend niedrig.
Auch in der Erinnerungskultur ähnelten sich Italien und Westdeutschland in den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren. In beiden Ländern waren es ehemalige Angehörige der Streitkräfte, die den öffentlichen Diskurs zunächst dominierten. Feldmarschälle wie Giovanni Messe auf italienischer oder Erich von Manstein auf deutscher Seite prägten das Zerrbild von der überwiegend "sauberen Wehrmacht" beziehungsweise vom stets "anständigen" italienischen Soldaten. Und dem in Italien seit Anfang der Sechzigerjahre voll etablierten Mythos von der "Resistenza" als bewaffneter Bewegung des ganzen Volkes entsprach in Deutschland die Überhöhung des militärischen Widerstands um Stauffenberg zu Märtyrern im Namen von Recht und Freiheit.
Wann und warum sich die öffentliche Erinnerung in beiden Staaten dann wieder auseinander entwickelte, bleibt allerdings unklar. Denn dass die bundesdeutsche Gesellschaft inzwischen die Verantwortung für Kriegs- und NS-Verbrechen angenommen hat, während man sich in Italien - trotz Aufklärungsarbeit durch Historiker - nach wie vor extrem schwer mit den dunklen Kapiteln der eigenen Vergangenheit tut, ist unbestreitbar. Überhaupt wird der Einfluss der Geschichtswissenschaft oder Medien auf die Ausformung kollektiver Erinnerungen kaum thematisiert. [3] Kritik ist schließlich daran anzumelden, dass die Herausgeber die Synthetisierung und Systematisierung der einzelnen Beiträge in ihren einleitenden Ausführungen letztlich dem Leser überlassen. Das dem internationalen Konzept der beiden Sammelbände innewohnende Potenzial wurde damit nicht voll ausgeschöpft, auch wenn die einzelnen Beiträge zum Teil hervorragend sind.
Anmerkungen:
[1] Norbert Frei (Hg.): Transnationale Vergangenheitspolitik. Der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, Göttingen 2006.
[2] Vgl. Hans Woller: Rezension von: Michele Battini: Peccati di memoria. La mancata Norimberga italiana, Bari / Roma 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 1 [15.01.2004], URL: http://www.sehepunkte.de/2004/01/4805.html .
[3] Hierzu besser: Christoph Cornelißen / Lutz Klinkhammer / Wolfgang Schwentker (Hg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt am Main 2003.
Patrick Bernhard