Gabriele Lingelbach / Harriet Rudolph: Geschichte studieren. Eine praxisorientierte Einführung für Historiker von der Immatrikulation bis zum Berufseinstieg, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005, 262 S., ISBN 978-3-531-14557-0, EUR 16,90
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Harriet Rudolph: "Eine gelinde Regierungsart". Peinliche Strafjustiz im geistlichen Territorium. Das Hochstift Osnabrück (1716-1803), Konstanz: UVK 2001
Harriet Rudolph (Hg.): Die Reichsstadt Regensburg und die Reformation im Heiligen Römischen Reich, Regensburg: Schnell & Steiner 2018
Die Einführung stellt einen sehr anschaulichen und kompakten Leitfaden für all jene dar, die sich für das Studium der Geschichtswissenschaft interessieren oder sich bereits dafür eingeschrieben haben. Ziel der beiden an der Universität Trier lehrenden Historikerinnen ist es, ihre Leser von der Immatrikulation bis zur Berufswahl Schritt für Schritt zu begleiten. Obwohl dies auf den ersten Blick sehr ambitioniert erscheint, so ist es überraschend, wie gut es Lingelbach und Rudolph gelingt, die klassischen Themenbereiche der Methoden und handwerklichen Grundsätze mit den heute üblichen Alltagsproblemen des Geschichtsstudiums und der Berufsaussichten auf engstem Raum darzustellen. Dabei werden zunächst die Relevanz des Faches wie auch vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Berufswelt betont, schließlich geht es nicht nur um eine Einführung, sondern auch um eine Ermutigung, sich trotz der Unwägbarkeiten hinsichtlich des späteren beruflichen Tätigkeitsfeldes nicht abschrecken zu lassen.
Ganz offensichtlich ist dabei, dass die Autorinnen sich tatsächlich von den aktuellen Problemen ihrer Studenten und Absolventen leiten ließen. Sie werden gleich zu Beginn ungezwungen und realitätsnah schon mit der Wahl des Studienortes, des Abschlusses und der Fächerwahl, aber auch mit der grundsätzlichen Frage der Finanzierung behandelt. Obwohl "fast 90 der Studierenden in Deutschland teilweise oder vollständig von ihren Eltern unterstützt" werden, arbeiten "zwei Drittel aller Studierenden, um ihr Studium zu finanzieren" (20f.). Lingelbach und Rudolph versäumen hier nicht, ihre Leser deutlich zu warnen und auf ein grundlegendes Problem hinzuweisen. Schließlich scheitern nicht wenige Studierende aufgrund der Doppelbelastung von Studium und Zuverdienst. Deshalb raten sie, sofern keine andere Finanzierung durch BAFöG oder Stipendien in Sicht ist, zu einer zielorientierten Wahl einer Nebentätigkeit, die den Berufswünschen möglichst nahe kommt. Gerade was die Möglichkeit eines Stipendiums angeht, werden auch die verschiedenen Stiftungen und ihre Auswahlkriterien vorgestellt (23-25).
Im Vordergrund der Einführung steht eindeutig die Planbarkeit des Studiums. So findet der Leser wertvolle Informationen zu Studien- und Stundenplänen, Formen der Prüfungsvorbereitung und Beispiele für das Zeitmanagement beim Verfassen einer Hausarbeit, der Präsentation eines Referates oder Informationen über den Umgang mit Praktika und die Organisation eines Auslandsstudiums. Wer sich bereits gezielt mit einzelnen Fächerkombinationen beschäftigt hat und danach seinen Studienort wählen möchte, findet im Anhang eine sehr nützliche und informative Auflistung aller Fachbereiche und deren Schwerpunkte an deutschen Universitäten (254-257). Über die Halbwertzeit solcher Auskünfte kann selbstverständlich gestritten werden, da sich auch die Schwerpunkte mit jeder Neubesetzung ändern können. Eine erste Orientierung für angehende Studenten liefert die Aufstellung jedoch in jedem Fall.
Dem Grund- und Hauptstudium werden jeweils eigene Kapitel gewidmet. Hier kommt das Handwerkszeug des Historikers zu seinem Recht. Immer wieder aufgelockert durch zahlreiche Beispiele und Schaubilder, werden den Interessierten der Umgang mit und die Verarbeitung von Sekundärliteratur ebenso näher gebracht wie die verschiedenen Quellengattungen und die Grundfragen der Quellenkritik. Am Beispiel der "Proklamation von Kalisch" von 1813 wird dabei die quellenkritische Arbeit beispielhaft durchexerziert (107-118). Besonderes Augenmerk wird auf die Präsentationsformen Referat, Hausarbeit, Klausuren und Prüfungen gelegt (121-162). Hier lässt die Einführung keinerlei Wünsche offen, dem Studierenden Möglichkeiten für eine sinnvolle Bearbeitung seiner Themen an die Hand zu geben. Diese reichen von der zu entwickelnden Erkenntnis leitenden Fragestellung bis hin zu sprachlichen Ratschlägen, bestimmte "Füllwörter, Verwischungen und Populismen" zu vermeiden (126) oder verschiedene mediale Präsentationsformen zu wählen.
Im Abschnitt zum Hauptstudium konzentriert sich das Lehrbuch besonders auf die eigenständige und empirische Arbeit, aber auch bereits auf den Erwerb von Zusatzqualifikationen durch Praktika. Ausführliche Beachtung findet auch der Studienabschluss durch Examensarbeit und Prüfungen. Hervorzuheben ist hier der zweifellos sinnvolle und sehr gute Hinweis, sich ein Thema zu suchen, welches auch auf maximal 80 bis 100 Seiten zu bearbeiten ist. Das geht freilich etwas an den inzwischen üblichen Realitäten vorbei und ist mehr dem Wunschdenken der Autorinnen geschuldet. Schließlich begründen sie ihren Hinweis mit dem seit geraumer Zeit zu beobachtenden Trend, dass Abschlussarbeiten immer umfangreicher werden (213f.) und sich damit die Bewertungsmaßstäbe verschieben. Ausufernde Dissertationen und Habilitationen von über tausend Seiten sind nicht selten die Folge.
Wie praxisorientiert die Einführung ist, zeigt sie nochmals am Ende, wenn es um den "Start ins Berufsleben" geht. Anders als die üblichen, bereits in vielen Auflagen erschienenen Klassiker wie Erwin Fabers und Imanuel Geiss' "Arbeitsbuch zum Geschichtsstudium" oder Ernst Opgenoorths "Einführung in das Studium der neueren Geschichte" [1], zeigen Lingelbach und Rudolph hier die Chancen und Risiken für Historiker auf dem Arbeitsmarkt. Klar ist, dass sich Historiker hier keineswegs gegenüber anderen Geisteswissenschaftlern zu verstecken brauchen. Dennoch betonen sie zu Recht, dass es auf Eigeninitiative und Planung schon während des Studiums und gezielte Praktika ankommt, will man nicht zu sehr von den konjunkturellen Schwankungen des Arbeitsmarktes abhängen. Zu einer akademischen Karriere jedenfalls können beide offensichtlich nur bedingt raten, lassen sich hier doch "wahrscheinlich ein prekärer Arbeits-Lebenslauf auf zeitlich zumeist befristeten Stellen" bei "nicht angemessener Bezahlung" erwarten. Insgesamt zeigt sich die Einführung, die noch durch praktische Bewerbungstipps abgerundet wird, als durchweg gelungener Leitfaden für Geschichtsstudenten und solche, die es werden wollen. Werden die handwerklichen Fähigkeiten sachgerecht behandelt, so besticht das Lehrbuch insbesondere durch seine Praxisnähe.
Anmerkung:
[1] Erwin Faber / Imanuel Geiss: Arbeitsbuch zum Geschichtsstudium, 3. Auflage, Wiesbaden u.a. 1996. Ernst Opgenoorth / Günter Schulz: Einführung in das Studium der neueren Geschichte, 6., grundlegend überarbeitete Auflage, Paderborn u.a. 2001.
Andreas Rose