Volker Ackermann: Treffpunkt der Eliten. Die Geschichte des Industrie-Clubs Düsseldorf, Düsseldorf: Droste 2006, 346 S., ISBN 978-3-7700-1236-7, EUR 22,95
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Der Düsseldorfer Industrie-Club bildet wie kein zweiter Honoratiorenclub ein Synonym für das Verhalten der bürgerlichen Eliten im 20. Jahrhundert. Dies belegt auch Volker Ackermanns Gesamtschau zur Geschichte dieser über das Rheinland hinaus einflussreichen Einrichtung.
Für seine Arbeit konnte Ackermann auf unveröffentlichtes historisches Material zurückgreifen, das den Grundstock des Archivs des Industrie-Clubs bildet. In seiner Darstellung, die im Auftrag des Industrie-Clubs entstand, verwebt der Autor Quer- mit Längsschnittperspektiven, indem er die chronologische Betrachtung der Gründungsgeschichte und der Clubentwicklung bis in die Gegenwart hinein mit Einzelaspekten wie der Mitgliederstruktur, der Standortfrage, der räumlichen Unterbringung, den zentralen Inhalten des Clublebens oder der wirtschaftlichen Situation in den Fokus rückt. Dabei wird auch die Diskussion um die mittlerweile schon legendär zu nennende Rede Hitlers im Industrie-Club zu Beginn der 1930er-Jahre noch einmal aufgerollt. Insgesamt unterstreicht das vorliegende Beispiel die höchst ambivalente Position der deutschen Eliten gegenüber dem Nationalsozialismus, die offenkundig - auch Ackermann hat hier keine eindeutige Antwort parat - immer noch mit einem Fragezeichen zu versehen ist (158).
An eine breitere, insbesondere auch interne Club-Öffentlichkeit gerichtet, gelingt Ackermann der Spagat zwischen wissenschaftlicher Methodik und populärem Sprachduktus. Dankenswerterweise verfügt der Band über einen reichhaltigen Fußnotenapparat. Doch verzichtet der Autor, wohl auch aus Rücksichtnahme auf die Auftraggeber, darauf, einen theoretisierenden Zugriff (z.B. Eliten-Begriff, Netzwerk-Theorie) für sein reichhaltiges Material zu wählen. Dies hätte die Darstellung aus wissenschaftlicher Sicht bereichern können. Fehler wie die peinliche Verwechselung von Mark und Reichsmark (25) hätten indessen bei sorgfältigerer Endredaktion vermieden werden müssen.
Während die ausführlichen, z. T. etwas langatmigen Beschreibungen von gastronomischen und organisatorischen Details des Clublebens wohl eher für Insider interessant sein mögen, liest sich die Geschichte des Industrie-Clubs, der in den 1980er-Jahren rund 900 Mitglieder aufwies, spannend, insbesondere dann, wenn die Akteure nicht nur die Düsseldorfer Lokalgeschichte gestalten, sondern an den Schaltstellen von Politik und Wirtschaft in Westdeutschland agieren. Dies gilt für so prominente Mitglieder wie Karl Jarres, Robert Lehr und Konrad Adenauer ebenso wie für die Stahlbarone des Ruhrgebiets Emil Kirdorf und August Thyssen oder die Protagonisten des Wiederaufbaus der westdeutschen Wirtschaft wie etwa Konrad Henkel, dem langjährigen Club- und Ehrenvorsitzenden. An diesen Stellen kommt das Werk wie ein 'Who is Who' der deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte der Nachkriegszeit daher.
Höhen und Tiefen spiegeln die "Ausnahmezeiten" der Wirtschaftsgeschichte wie die Inflation der frühen 1920er-Jahre, die Weltwirtschaftskrise oder die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Eingeschobene kurze Vergleich mit ähnlichen Clubs wie etwa dem Hamburger Übersee-Club (gegründet 1922) oder der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft (gegründet 1920) oder die Thematisierung von aktuellen Fragestellungen im Umfeld der Gender-Forschung tragen dabei dazu bei, die übliche "Monokultur" einer Vereinsgeschichte zu durchbrechen. So bildet denn z.B. das Kapitel über "Frauen im Industrie-Club" einen Spiegel des gesellschaftlichen Wandels (212 ff.). Die Öffnung der traditionellen Herrenklubs erfolgt in aller Regel, und so auch in Düsseldorf, durch die 'Hintertür', nämlich über das so genannte Damenprogramm, und zog sich bis in die 1980er-Jahre hin.
Wie jeder Verein steht auch der Industrie-Club für die Institutionalisierung eines eindrucksvollen Netzwerks, das als Sozialkapital im Bourdieu'schen Sinne nicht zuletzt zur Sicherstellung von koordiniertem Verhalten innerhalb einer Gesellschaft dient. Es war nicht Volker Ackermann's Anliegen, die theoretischen Implikationen seines Betrachtungsgegenstandes aufzeigen oder gar zu vertiefen. Doch es ist in jedem Fall sein Verdienst, die Basis für eine systematische wissenschaftliche Erforschung des Düsseldorfer Industrie-Clubs gelegt zu haben.
Susanne Hilger