Rezension über:

Dieter J. Martin / Michael Krautzberger (Hgg.): Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege. Einschließlich Archäologie. Recht - fachliche Grundsätze - Verfahren - Finanzierung, 2., überarb. u. wes. erw. Auflage, München: C.H.Beck 2006, LII + 772 S., ISBN 978-3-406-55173-4, EUR 59,00
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Rezension von:
Thomas Flum
Kunstgeschichtliches Institut, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Flum: Rezension von: Dieter J. Martin / Michael Krautzberger (Hgg.): Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege. Einschließlich Archäologie. Recht - fachliche Grundsätze - Verfahren - Finanzierung, 2., überarb. u. wes. erw. Auflage, München: C.H.Beck 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 12 [15.12.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/12/12892.html


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Dieter J. Martin / Michael Krautzberger (Hgg.): Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege

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Im Jahr 2006 ist das "Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege" in einer neuen, überarbeiteten Auflage erschienen. Der Band versteht sich gleichermaßen als Einführung, Lehrbuch und Nachschlagewerk zur Denkmalpflege in Deutschland und wendet sich ausdrücklich nicht nur an das Fachpublikum, sondern auch an Laien, insbesondere den Denkmaleigentümer.

Das ausführliche Inhaltsverzeichnis bietet eine erste Orientierung und verdeutlicht die thematischen Schwerpunkte des Handbuchs: In den ersten vier Teilen (A-D) wird erläutert, was Denkmalpflege und Denkmalschutz bedeuten, wo ihre hauptsächlichen Tätigkeitsfelder liegen und wie sie organisiert sind. Es folgen praktische Informationen zu Zuständigkeiten und Verfahren, zum Planungs- und Baurecht, Hinweise für Denkmaleigentümer sowie Angaben zu Fragen der Finanzierung (Teil E-H). Ein gesondertes Kapitel widmet sich archäologischen Denkmälern (Teil I), wichtige Adressen und ein Glossar finden sich im Anhang. Der umfangreiche wissenschaftliche Apparat erleichtert die Einarbeitung in einzelne Fragestellungen. Das Buch macht deutlich, wie facettenreich und komplex die Denkmalpflege geworden ist, und neben grundsätzlichen Themen wie Denkmaltypen, Inventarisierung, Denkmalschutzgesetze, Erhaltung und Restaurierung, überraschen viele Detailinformationen. So wird der Leser etwa in allen Einzelheiten über Organisation und Ablauf einer denkmalpflegerischen Maßnahme unterrichtet, beigefügte Tabellen erleichtern die Übersicht und können im konkreten Fall auch als Arbeitsvorlage oder Checkliste verwendet werden. Die Frage, wo das uneingeschränkte Eigentumsrecht aufhört und die Verpflichtung zum Erhalt des Denkmals einsetzt, ist grundlegend für die Denkmalpflege. Über diesen Sachverhalt informieren die Abschnitte zu Eigentumsrecht und Denkmalschutz.

Der Band erfüllt aber nicht nur den Zweck eines Handbuchs, sondern dient ebenso als Leistungskatalog und inhaltliche Standortbestimmung der Denkmalpflege in Deutschland. In keinem anderen Buch findet sich derzeit ein vergleichbarer Überblick über Aufgaben, Möglichkeiten und das Selbstverständnis der deutschen Denkmalpflege. Bei der Neuauflage wurde insbesondere das Kapitel "Welterbe" überarbeitet, in dem die zahlreichen Neuerungen und Strategieänderungen, die die UNESCO in den letzten Jahren vorgenommen hat, berücksichtigt wurden. Welchen Zweck das ebenfalls neu eingefügte Kapitel mit den vielen, zum Teil trivialen Formulierungshilfen erfüllen soll, bleibt hingegen rätselhaft ("Textbuch", 417ff.).

Einige Ungereimtheiten sind leider unverändert in die Neuauflage übernommen worden. So wird ausgerechnet der Begriff "Denkmalpflege" widersprüchlich definiert. Die Autoren sind sich nicht einig, ob dem Staat oder dem Eigentümer die wichtigere Rolle zufällt: "Denkmalpflege ist [...] die nicht hoheitliche Fürsorge des Staates im Einvernehmen mit dem Denkmaleigentümer." (6, Abs. 9, ähnlich 1, Abs. 2); "Denkmalpfleger sind in erster Linie nicht die Konservatoren der Denkmalbehörden, sondern offenkundig die Eigentümer..." (33, Abs. 69, in diesem Sinne auch 488, Abs. 2). Die zahlreichen, durchnummerierten Abschnitte und Paragrafen verleihen dem Werk ein wenig den Charme eines Gesetzbuches, unterstreichen aber den normativen Anspruch. Entsprechend hätte man sich gelegentlich eine bessere Abstimmung unter den Autoren gewünscht, um Redundanzen und logische Brüche in der ansonsten so strengen Gliederung zu vermeiden. So ist das Hauptkapitel C, VIII "Topographie, Inventar, Dehio und weitere Instrumente der Denkmalpflege" identisch mit dem dritten Unterkapitel zu C, VII "Erfassung von Denkmälern", und an anderer Stelle wird das gleiche Thema in unterschiedlichen Kapiteln besprochen, z. B. "Großinventar" in Teil C, Abs. 88 und 99.

In wenigen Fällen reizen die Aussagen des Handbuchs zum Widerspruch, beispielsweise wenn wiederholt darauf hingewiesen wird, dass die Diskussion um die Einteilung der Denkmäler in erst- und zweitklassige Objekte hinfällig sei (4f., Abs. 8; 84, Abs. 22). Tatsächlich unterscheidet das Denkmalschutzgesetz in Baden-Württemberg durchaus zwischen einfachen und besonderen Denkmälern (nach § 2, bzw. § 12 DSchG), und die Bundesländer sind seit Jahrzehnten eifrig darum bemüht, ihre prachtvollsten Objekte auf die Welterbeliste der UNESCO zu setzen, die ihrerseits vorgibt "the best of the best" zu repräsentieren. Auch im Hinblick auf die ständig schrumpfenden Etats der Denkmalpflege wird man um eine klassifizierende Bewertung der Objekte nicht herumkommen. Diese Widersprüche in der deutschen Denkmalphilosophie sollten von einem Handbuch nicht verschleiert werden. Gelegentlich könnte das Werk mehr dazu beitragen, das Problembewusstsein zu schärfen. Der mitunter heiklen Frage, weshalb ein Objekt zu einem Denkmal erklärt werden sollte, wird die nüchterne Strichaufzählung einzelner Kriterien nicht gerecht (132ff.). Dass die eigentliche Schwierigkeit gerade in der Anwendung dieser Kriterien besteht, müsste hier deutlich werden.

Der Nutzen, den die verschiedenen Zielgruppen aus dem "Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege" ziehen können, ist unterschiedlich groß: Am meisten profitieren wohl Studierende und Lehrende. Für diesen Leserkreis wird sich das Buch als Standardwerk etablieren. Der professionelle Denkmalpfleger hingegen wird sich hier allenfalls über Bereiche informieren, die nicht zu seinem Spezialgebiet gehören. Der Denkmaleigentümer schließlich, dem immerhin ein großer Teil gewidmet ist, kann sich mit Hilfe des Buches in die Welt der Denkmalpflege einarbeiten und sich über seine grundsätzliche (rechtliche) Situation aufklären lassen. Bei konkreten Problemen wird ihm das Buch aber nicht weiterhelfen, z. B. bei der Frage, ob er einen bestimmten Umbau vornehmen darf. Hier wird er auf eine Beratung der zuständigen Denkmalbehörde angewiesen bleiben. Für die Kontaktaufnahme mit den zahlreichen Institutionen der Denkmalpflege findet sich auch am Ende der Neuauflage ein umfangreiches, überarbeitetes Adressverzeichnis. Dass das Werk bereits nach zwei Jahren neu aufgelegt werden musste, belegt das breite Interesse an dieser Publikation. Das Handbuch informiert nicht nur zuverlässig über die wichtigsten Aspekte der Denkmalpflege, sondern bietet dem Leser darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Arbeitsweisen und Absichten zu begreifen. Gerade an diesem Verständnis fehlt es im Streit um denkmalpflegerische Maßnahmen leider allzu oft.

Thomas Flum