Hendrik Weingarten: Herrschaft und Landnutzung. Zur mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte Kloster Zwiefaltens (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde; Bd. 57), Ostfildern: Thorbecke 2006, XI + 269 S., ISBN 978-3-7995-5257-8, EUR 39,90
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Entgegen der großen Bedeutung ökonomischer Abläufe gerade im monastischen Bereich bilden wirtschaftshistorisch orientierte Untersuchungen zu einzelnen Klöstern bislang eher die Ausnahme als die Regel historiographischen Wirkens. Umso verdienstvoller ist das Bestreben Hendrik Weingartens, seiner im Jahr 2005 angenommenen Tübinger Dissertation eine wirtschaftsgeschichtliche Fallstudie zugrunde zu legen, um so, am Beispiel Zwiefaltens, einen wichtigen "Baustein zur Wirtschaftsgeschichte des Benediktinerordens allgemein" (3) setzen zu können. Als Leitlinien dienen Weingarten auf seinem Weg durch fast ein halbes Jahrtausend Zwiefalter Wirtschaftsgeschichte dabei die Fragen nach dem "produktivem Besitz" und seines Einsatzes für die Belange des Klosters einerseits sowie der Niederschlag dieser Vorgänge "in der Kulturlandschaft" andererseits. Um sich seinem Thema zu nähern, wählt der Verfasser einen eng an den Quellen orientierten chronologischen Zugriff.
Nach einleitenden Überlegungen zu Methodik, Konzept und Vorgehen widmet Weingarten sich zunächst der Gründung Zwiefaltens im Jahr 1089 durch die Grafen von Achalm und hier insbesondere der reichen Gründungsausstattung des Klosters. Der ersten "Blütezeit" zwischen 1089 und 1138 gilt das hieran anschließende Kapitel. Es war eine Zeit wirtschaftlicher wie kultureller Prosperität, die das Kloster besonders während des außergewöhnlich langen, insgesamt 44jährigen Abbatiats Ulrichs I. (1095-1139) erlebte. Die Dimension des Aufstiegs manifestierte sich v. a. in zahlreichen Zustiftungen, die den Besitz des Klosters in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens mehrten. Der im Hinblick auf die wirtschaftsgeschichtliche Fragestellung für Zwiefalten nur spärlichen dokumentierten Zeit von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts gelten die Ausführungen des folgenden Abschnitts ("Zwischenzeit -bis zum ersten Urbar 1425"). Weingartens Erörterungen bleiben ob der fehlenden Quellengrundlage notgedrungen auf einer übergeordneten Ebene und beschränken sich weitgehend auf das Referieren der einschlägigen Forschungsliteratur zu den allgemein bekannten Phänomenen der Zeit, wie etwa der Agrarkrise. Was die spärliche Überlieferung jedoch verhältnismäßig gut erkennen lässt, ist der Niedergang Zwiefaltens seit der Mitte des 12. Jahrhunderts sowie eine beginnende zweite Blütezeit seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert.
Besonders das 15. Jahrhundert zeigte dann das Kloster wieder in voller Blüte. Hiermit kommt Weingarten auch zum eigentlichen Kern seiner Arbeit, der Analyse der Grundherrschaft im 15. Jahrhundert. Etwa die Hälfte des Gesamtumfanges der Arbeit nimmt alleine dieses Kapitel ein (76-210). Die Quellengrundlage bilden dabei in erster Linie die Urbare Zwiefaltens aus dem 15. Jahrhundert, beginnend mit dem ältesten erhaltenen aus dem Jahr 1425. Ein Mangel dieser Quellen ist jedoch, dass die in Eigenregie bewirtschafteten Güter gewöhnlich hier nicht aufscheinen; idealerweise wären daher Rechnungsbücher heranzuziehen, um die Informationen aus den Urbaren in dieser Hinsicht komplementär zu ergänzen.
Unglücklicherweise haben sich im Falle Zwiefaltens Rechnungsbücher für das Mittelalter nicht bzw. in nur sehr geringem Umfang erhalten. Weingarten ist sich dieses Mangels seiner Hauptquellen durchaus bewusst und versucht, diesen daher nach Kräften mittels anderer Quellen, wie den Urkunden, auszugleichen. Nach grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis des Klosters zu seinen Bauern sowie zur Aufteilung und Bestellung des Bodens innerhalb der Dorfgemeinschaft und ihrer Sozialstruktur, unterzieht er die einzelnen Orte mit Zwiefalter Besitz einer näheren Betrachtung (117-193). Besonders dieses Kapitel dürfte für weitergehende Forschungen, nicht nur regionalgeschichtliche, den meisten Ertrag bieten, da hier mit großem Aufwand eine große Menge Informationen kompakt bereitgestellt wurde.
Nach einem Ausblick auf die wirtschaftliche Situation Zwiefaltens im 16. Jahrhundert, fasst Weingarten seine wichtigsten Ergebnisse noch einmal knapp und präzise zusammen. Eine tabellarische Aufstellung des klösterlichen Besitzes während des 12. Jahrhunderts sowie Orts- und Personenregister beschließen den insgesamt gelungenen und gut lesbaren Band.
Auch wenn zuweilen mehr Vergleichspunkte wünschenswert gewesen wären: Weingarten hat eine sehr akribische und gründliche Studie verfasst, und damit ein weiteres wichtiges Mosaikstück für eine noch zu schreibende Wirtschaftsgeschichte geistlicher Institutionen des Mittelalters vorgelegt.
Bernhard Lübbers