Rezension über:

Marko A. Pluns: Die Universität Rostock 1418-1563. Eine Hochschule im Spannungsfeld zwischen Stadt, Landesherren und wendischen Hansestädten (= Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte. Neue Folge; Bd. LVIII), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2007, IX + 581 S., ISBN 978-3-412-20039-8, EUR 64,90
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Rezension von:
Dirk Alvermann
Universitätsarchiv, Universität Greifswald
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Laux
Empfohlene Zitierweise:
Dirk Alvermann: Rezension von: Marko A. Pluns: Die Universität Rostock 1418-1563. Eine Hochschule im Spannungsfeld zwischen Stadt, Landesherren und wendischen Hansestädten, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2007, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 5 [15.05.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/05/13878.html


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Die Universität Rostock 1418-1563

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Der Streit zwischen den mecklenburgischen Herzögen und dem Rat der Stadt um das Patronat über die Universität Rostock zieht sich wie ein Leitthema durch die Darstellungen zur Geschichte der Universität Rostock von den zeitgenössischen Quellen bis hin zur Forschungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts. Er hat die Geschicke der Universität, insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert, nachhaltig beeinflusst. Pluns unternimmt in seiner hier im Druck vorgelegten Rostocker Dissertation von 2006 den Versuch, auf einer eigenständig und in großen Teilen neu erarbeiteten Quellengrundlage, den bisherigen Forschungsstand in zentralen Fragen zu überprüfen und zum Teil zu revidieren.

Das tragende Gerüst der Untersuchung bilden gedruckte und ungedruckte Urkunden, Korrespondenzen und Verhandlungsakten aus deutschen, österreichischen und italienischen Archiven und Sammlungen, die bisher unbekannte Ereignisse und Zusammenhänge zutage treten lassen und dem Verfasser eine ungemein dichte und zusammenfassende Darstellung gestatten. Eine solche lag für diesen Zeitraum der Rostocker Universitätsgeschichte bislang nicht vor. Die Chronistik tritt dabei zugunsten der unmittelbaren zeitgenössischen Überlieferung zurück. Die verdienstvolle und für die Untersuchung notwendige Einarbeitung zahlreicher, bislang unbekannter Quellen zum Thema, prägt über weite Strecken den deskriptiven Stil der Arbeit, die sich bemüht, einzelnen Ereignissen in ihrem zeitlichen und sachlichen Kontext breiten Raum zu geben. Der Versuchung, die eigene Geschichtsschreibung als Nachhall zeitgenössischer Kontroversen zu formulieren, erliegt der Autor dabei nicht, auch wenn sein eingangs der Darstellung mit ausdrücklichem Verweis auf Ranke formulierter, methodisch unreflektierter Anspruch "zu erfahren, 'wie es eigentlich gewesen' ist" (3), gerade das vermuten ließe.

Pluns entfaltet seine Darstellung von der Gründung der Universität Rostock 1418 bis zum Abschluss der so genannten Formula Concordiae von 1562, die einen vorläufigen Schlusspunkt hinter die Auseinandersetzungen zwischen Rat und Landesherren um die Universität setzte und deren umfassende Reform einleitete. Der Fragestellung wird dabei in einer strengen zeitlichen Gliederung nachgegangen, die in drei Etappen zerfällt: die Beziehung der Universität zu den weltlichen Gewalten bis zur Reformation (1418-1539), der Niedergang der Universität (1518-1532) und schließlich die Auseinandersetzungen um die Reorganisation der Universität (1532-1563), die zum Abschluss der genannten Formula Concordiae zwischen Rat und Landesherren führte. Bis etwa 1530 konstatiert Pluns eine "Schutzherrschaft" des Rates über die Universität, die aus der Rolle erwuchs, welche der Magistrat bei der Gründung und Ausstattung der Hochschule 1418 gespielt hatte und die im doppelten Sinne - durch den nötigen Konsens von Bürgerschaft einerseits und Landesherrn andererseits - eingeschränkt war. Dieser Konsens wurde im Zuge der Rostocker Domfehde (1479-1494) aufgekündigt. Die Patronatsansprüche der Landesherren werden ab 1483 immer wieder formuliert, aber sowohl vom Rat als auch von der Universität zurückgewiesen.

Dieser Status quo, vor allem die Loyalität der Universität gegenüber dem städtischen Rat, geriet in der Krise der Reformationsjahre ins Wanken. Ab 1530 engagierte sich die Landesherrschaft, anfänglich durch Beratung und Entsendung eigener Professoren, dann auch durch weitreichende Finanzierungspläne, merklich für die Reform der Universität, die nunmehr ihre ablehnende Haltung gegenüber den Ansprüchen der Herzöge aufgab und dadurch in Konflikt mit dem Rat geriet. Dem wiederum gelang es vorerst die Reformanliegen der Herzöge zu unterlaufen und eigene Reformpläne zu entwickeln, bei deren Umsetzung er - wie schon vor 1530 - auf die Unterstützung der verbündeten wendischen Hansestädte hoffte (de facto beteiligten sich daran am Ende nur Hamburg, Lübeck und Lüneburg). Die Halbherzigkeit dieser Versuche, begründet zum Teil in der unvollendeten Reformation in Rostock selbst, die Berufungspolitik des Rates, seine konfessionell bestimmten Eingriffe in die Hochschulautonomie und vieles mehr nährten bald die Vorbehalte der verbündeten Hansestädte, die ihr finanzielles Engagement für die Universität Ende der 1540er Jahre einstellten und sich nun auf eine vermittelnde Rolle im Streit um die Ansprüche von Landesherren und Rat beschränkten.

Selbst an dieser Art der Mitwirkung verloren die Hansestädte Ende der 1550er Jahre, enttäuscht von der Blockadepolitik des Rostocker Rates, das Interesse. Die Position des Rates war bis zu diesem Zeitpunkt und darüber hinaus von einem verengten Blick auf die Hochschulangelegenheiten gekennzeichnet, der sich auf Geld- und Machtfragen reduzierte und von einem übersteigerten Kontrollbedürfnis geprägt war, welches den Privilegien der Gründungsurkunde entgegenstand. Das machte die Universität in gewisser Weise zu einer politischen Geisel. Währenddessen hatte die Landesherrschaft Loyalitäten innerhalb der Universität und der evangelischen Geistlichkeit der Stadt entwickeln können. Die meisten fürstlichen Professoren (die statutengemäß nicht dem vom Rat dominierten akademischen Konzil angehörten und damit wenig Einfluss auf die Verhandlungsposition der Hochschule nehmen konnten) waren Anfang der 1540er Jahre lutherisch, die rätlichen hingegen altgläubig. In dieser Konstellation gelang es dem Rat bis Ende der 1540er Jahre, eine Reform der Universität zu verhindern. Spätestens seit dieser Zeit lag das Heft des Handelns deutlich in den Händen der Landesherren. Die Haltung des Rates gegenüber den fürstlichen Reformversuchen blieb von der Befürchtung bestimmt, dass es den Herzögen weniger um die Universität ginge, als um die Einschränkung der städtischen Autonomie beziehungsweise ihre schrittweise Beseitigung.

Die Lösung des Konfliktes in der Formula Concordiae von 1562 wurde schließlich durch die Sicherung der finanziellen Ausstattung der Universität mittels Dotation durch die Landesherren und Zusagen des Rates, durch die Sicherung der Autonomie des akademischen Konzils und die weitgehende Wiederherstellung der akademischen Gerichtsbarkeit ermöglicht. Von Rat und Landesherren erforderte dies den vordergründigen Verzicht auf Wahrnehmung der eigenen Patronatsansprüche.

Im Mittelpunkt der Darstellung stehen nicht die innere Entwicklung der Universität selbst, die weitgehend als Objekt städtischer oder landesherrlicher Machtpolitik erscheint und kaum eigene Initiativen entwickelte, sondern die politischen und ökonomischen Strategien der an der Universität interessierten Parteien: Rostocker Rat und Bürgerschaft, wendische Hansestädte und mecklenburgische Landesherren. Damit gerät die Arbeit in weiten Zügen zu einer eher diplomatie- als universitätsgeschichtlichen Darstellung. Eine vergleichende Einordnung der Ergebnisse in die aktuelle universitätsgeschichtliche Forschung zum Problemkreis genossenschaftlicher Autonomie versus obrigkeitliche Kontrolle, akademischer Gerichtsbarkeit, Universitätsfinanzierung etc. kommt dabei an einigen Stellen, wo sie weiterführend hätte wirken können, zu kurz. Das schmälert keinesfalls die wesentlichen Verdienste der Arbeit. Dem Leser ist mit vorliegendem Buch eine ungemein quellengesättigte äußere Geschichte der Universität Rostock in den ersten anderthalb Jahrhunderten ihres Bestehens an die Hand gegeben, der man eine breite Rezeption nicht eigens wünschen muss, da sie ihr angesichts der Fülle des darin verarbeiteten Materials auf lange Zeit sicher sein dürfte.

Es ist - angesichts des nahenden Rostocker Universitätsjubiläums - zu erwarten und zu wünschen, dass die Arbeit auch Fragestellungen jenseits ihres eigentlichen Themas - beispielsweise nach dem Charakter der Universität Rostock im 15. Jahrhundert anregt - und dass ihr weitere, ähnlich gehaltvolle Studien folgen werden.

Dirk Alvermann