Christoph Kampmann: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, Stuttgart: W. Kohlhammer 2008, x + 226 S., 6 s/w-Abb., ISBN 978-3-17-018550-0, EUR 28,00
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Die wie in Stein gemeißelten ersten Sätze deutscher Geschichtserzählungen sind in der Frühen Neuzeit angekommen: "Der Dreißigjährige Krieg war ein europäischer Konflikt". Das Reich war nach Kampmann nur der Schauplatz dieses Krieges, der kein "deutscher" war. Auf diesen Konsens scheint sich die Geschichtsschreibung seit den Jubiläumsfeiern zum Westfälischen Frieden 1998 verständigt zu haben - "unstrittig" ist diese Charakterisierung aber nicht. Es gibt genügend zeitgenössische Quellen, die das Geschehen zwischen 1618 und 1648 nicht nur als Dreißigjährigen, sondern auch als "deutschen" Krieg bezeichnen. Es ist nicht nur die Erinnerung, die aus einem "europäischen Konflikt" ein deutsches Trauma machte. Ausländische Mächte griffen unmittelbar in die Kämpfe ein: Spanien, Dänemark, Schweden und Frankreich sowie der Papst - teilweise auch die Republik der Niederlande. Sie alle intervenierten in politisch-konfessionelle Auseinandersetzungen, deren Ursachen im Reich lagen. Ihre Armeen verheerten Deutschland, um die eigenen Interessen zu wahren. Dies alles ist bekannt. Die Kriege in den Niederlanden, zwischen Polen und Schweden, Dänemark und Schweden, Spanien und Frankreich besaßen ebenso wie die englische Revolution, die Aufstände auf der spanischen Halbinsel und andere Unruhen in Europa ihre eigene Geschichte. Sie haben sich zwar mit dem Dreißigjährigen Krieg überlagert und müssen daher entsprechend berücksichtigt werden, lassen sich jedoch nicht nur aus dem Blickwinkel der jeweiligen Nationalhistoriographie oder heuristisch sehr genau von diesem unterscheiden. Was also gewinnt man mit dem prinzipiell nicht zu bestreitenden Deutungsmuster "europäischer Konflikt", wenn es nicht nur um eine Bestätigung der alten Einschätzung gehen soll, dass ein machtpolitisch schwaches Deutschland zum Spielball der europäischen Mächte wurde und der Westfälische Frieden ein "Unglück für das deutsche Volk" (F. Dickmann) war? Welche Kriege waren unter dem Gesichtspunkt der bloßen Beteiligung ausländischer Mächte und Interessen keine europäischen Kriege?
Kampmann plädiert einleitend für die europäische und transnationale Deutung des Krieges, doch gerade die eingeführte Bezeichnung "Dreißigjähriger Krieg" impliziert einen deutschen Krieg unter Einschluss des Königreichs Böhmen. Alle anderen Konflikte fingen zu anderen Zeitpunkten an und endeten mit eigenen Friedensschlüssen. Kampmann geht es auch gar nicht um die zusammenhängende Interpretation des europäischen Kriegsgeschehens. Er konzentriert sich auf Deutschland und erklärt gekonnt und routiniert die komplexen politischen und religiösen Konstellationen. Die Darstellung entspricht insofern einem stets willkommenen neuen Handbuch, denn hier wird das Wissenswerte präzise und konzise erzählt und mit fünf Karten und einer Stammtafel veranschaulicht. Kampmann beginnt mit den Staatenkonflikten um 1600 und wendet sich dann der Krise im Reich zu, für die er die konfessionelle Polarisierung verantwortlich macht. Die Lähmung der Reichsverfassung gipfelte demnach in der Gründung von Union und Liga als gegeneinander gerichtete Militärbündnisse. Angesichts des Westfälischen Friedens, der die Forderungen der Union, auf den Reichstagen in konfessionellen Fragen nicht mehr überstimmt werden zu dürfen, mit den beiden Konfessionscorpora in die Reichsverfassung integrierte, ist aber vielleicht noch einmal zu diskutieren, ob diese Bündnisse wirklich eine "rechtswidrige Organisationsform" (26) darstellen und ob sie nicht weniger einen Krieg als einen politischen Ausgleich erzwingen wollten.
Die Frage nach den Beziehungen zwischen Böhmen und dem Alten Reich, das im Zentrum der Erzählung Kampmanns steht, ist weniger eindeutig als dies hier erscheint. Davon unabhängig gilt der Prager Fenstersturz als Ausgangspunkt des Dreißigjährigen Krieges. Entscheidend war, dass Ferdinand II. für seine Rückeroberungspläne die Unterstützung des Herzogs Maximilian von Bayern und des Königs von Spanien gefunden hatte, während Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz als böhmischer König nicht einmal die von ihm selbst geführte Union mobilisieren konnte. Die habsburgischen Kriegsziele waren nach der Schlacht am Weißen Berg erreicht, doch der Krieg ging weiter. Jeder Erfolg gebar neue Ziele - und in den zwanziger Jahren waren letztlich nur die katholischen Kräfte erfolgreich. Herzog Maximilian erhielt den Kurfürstentitel, die Oberpfalz und die Kurpfalz, der Papst die Bibliotheca palatina. Die angebliche Bedrohung durch pfälzisch-protestantische Söldnerführer musste stets von neuem dafür herhalten, dass die katholischen Armeen nicht abgedankt wurden. Das dänische Kriegsintermezzo endete im Fiasko und machte Wallenstein zum Herzog von Mecklenburg. Kaiser Ferdinand II. dehnte mit dem Restitutionsedikt die gegenreformatorischen Ziele auf ganz Deutschland aus. Kampmanns Fazit, dass das Ziel einer starken monarchischen Zentralgewalt "keine quellenmäßig fassbare Rolle" (65) gespielt habe, mag für 1629 so richtig sein wie für 1635 - doch genau gegen diese vielfach geäußerte Vermutung kämpften die protestantischen Kräfte. Um diese verfassungspolitische Dimension des Krieges wurde mit nationalkulturellen Mitteln gerungen: Die militärisch nicht sonderlich bedeutsame "Deutsche Union" Herzog Wilhelms von Sachsen-Weimar fußte ebenso wie später die undurchsichtig erscheinenden Aktionen seines Bruders Bernhard in der inzwischen gut dokumentierten Vorstellungswelt der Fruchtbringenden Gesellschaft: protestantisch-national, aber bestrebt, die katholischen Patrioten für den Kampf für die "deutsche Freiheit" zu gewinnen.
Dass eine Trennung des Kaisers von seinem selbstherrlich agierenden, letztlich aber zaudernden Feldherrn Wallenstein 1633 unumgänglich wurde, gehört seit Schiller zum Wissen der Historiker. Quellen dazu gibt es vor allem aus Wiener Sicht. Wieder war es die spanische Unterstützung, die in der Schlacht bei Nördlingen dafür sorgte, dass Ferdinand II. siegte und im Prager Frieden seinem kursächsischen Partner die Bedingungen diktieren konnte. Das in Prag konzipierte, stärker monarchische, katholische und nationale Reich wurde jedoch keine Wirklichkeit, obwohl fast alle Reichsstände den Friedensvertrag ratifizierten, um nicht anstelle der Schweden zum Opfer der zumindest auf dem Papier vereinten kaiserlichen Armee zu werden. Der sich hier zeigende "Reichspatriotismus" (115), der sich gegen Schweden und in gewisser Weise auch schon gegen Frankreich richtete, war kein freiwilliger, sondern ein von den kaiserlichen Waffen erzwungener amor patriae.
Die Friedensverhandlungen in Westfalen dauerten deswegen so lange, weil aus Sicht der Protestanten die verfassungspolitische Schieflage des Prager Friedens zugunsten eines konsensualen Ausgleichs revidiert werden musste - was gelang. Kampmann stellt die einzelnen Phasen exakt und detailliert dar und betont die wichtige Rolle der kaiserlichen Gesandten, die das Ziel des Friedens seit 1645 nicht mehr aus den Augen verloren: Sie akzeptierten und sorgten für einen deutschen Frieden (171 ff.). Kampmanns Fazit, dass 1648 der monarchische Charakter des Reiches bestätigt worden sei (175), ist prinzipiell richtig, doch über das Ausmaß der kaiserlichen Prärogativen wurde weiter gerungen. Faktisch mussten sich Kaiser und Reichsstände einigen, um das Reich als politischen Akteur handlungsfähig zu machen. Dies gilt vor allem für die Konfessionsfrage - die ausgehandelte "friedliche Koexistenz der Konfessionsparteien" meinte keine "Toleranz" (177); damit zu tun hatte sie jedoch durchaus. Es ist wohl seiner Festlegung "europäisch" geschuldet, wenn Kampmann ein "erstaunliches Desinteresse" gegenüber dem Frieden in Frankreich konstatiert (180 f.). Für dieses von inneren Unruhen (Fronde) durchzogene Land ging der Krieg gegen Spanien schließlich noch über zehn Jahre weiter.
Ausgehend von den verdienstreichen Forschungen Konrad Repgens bietet Kampmanns Darstellung eine moderne und zeitgemäße Interpretation der politischen und religiösen Verhältnisse. Dagegen treten die ökonomischen und militärischen, aber auch die wahrnehmungs- und erfahrungsgeschichtlichen Dimensionen des Krieges deutlich zurück. Auch die über das Religiöse hinausgehenden kulturellen Phänomene, etwa die Friedensaufrufe der Barockdichter, die künstlerische Verarbeitung des Krieges und seiner Gräuel finden in diesem Buch nur ganz am Rande ihren Platz, doch auch sie haben die Wirklichkeit geformt. Die Auswirkungen des Wortes und der künstlerischen Darstellungen auf das politische Geschehen sind sicher nur an einzelnen Punkten nachzuweisen. Doch dass aus Worten Taten werden können, zeigt der Westfälische Frieden, der vieles von dem, was zuvor in den Schriften gefordert worden war, politisch einvernehmlich umsetzte. Kampmanns eher traditionelle Politikgeschichte des Krieges verweist auf einen europäischen Konflikt - darüber und über die kulturelle Dimension des Krieges kann und muss weiter gestritten werden.
Georg Schmidt