Heike Schmoll: Lob der Elite. Warum wir sie brauchen, München: C.H.Beck 2008, 173 S., ISBN 978-3-406-57028-5, EUR 17,90
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Das Reden über Eliten ist derzeit populär. Da gibt es die bekannten und beliebten Gassenhauer über den "Mythos von den Leistungseliten", über die "Nieten in Nadelstreifen", oder über die korrupten Eliten aus Wirtschaft und Politik, die zugleich faul und bienenfleißig auf den eigenen Vorteil aus sind. Alle diese Geschichten werden mit einer gewissen Regelmäßigkeit in der Öffentlichkeit bedient, zumal dann, wenn es skandalträchtige Vergehen etwa im Steuerrecht zu berichten und zu kommentieren gilt. Sie sind nicht neu, sondern kommen aus den tiefen Arsenalen des sozialen Ressentiments, das sie zugleich bedienen und aufrechterhalten. Da gibt es andererseits seit einiger Zeit die Klage über fehlende Eliten, über die mangelnde Förderung von Hochbegabten, über die geringe Wertschätzung der Leistungsträger einer Gesellschaft. Die derzeit modische Einrichtung von Hochbegabtenschulen, Exzellenzinitiativen und die Ernennung von Elitehochschulen sind ohne diese Jeremiaden des Niedergangs bzw. der Missachtung der Leistungsträger der Gesellschaft schwer vorstellbar.
Die Befunde passen zueinander: Die Eliten, die man zu entdecken glaubt, taugen nichts, folgerichtig müssen neue Eliten her. Das ist im Kern auch die Aussage des Buches von Heike Schmoll. Die neuen Eliten, die wir der Autorin nach dringend brauchen, sollen aber anders sein als die herkömmlichen. Ihnen und ihrer Kritik widmet sich der größte Teil ihres Essays. Darin geht es zunächst gegen die antiken Vorstellungen von elitärer Führung, namentlich gegen Platon und seine Staatsvorstellung. Aber auch die Bildungseliten seit Reformation und Humanismus kommen nicht gut weg, fehlte ihnen nach Heike Schmoll doch ein demokratisches Selbstverständnis. So waren sie zwar gebildet, aber zugleich hochnäsig und anfällig für allerlei Anbiederung an die Obrigkeit und Schlimmeres. Der Blick in die Geschichte ist damit bestenfalls im Negativen lehrreich. Auch wenn sie über die Grenzen ins Ausland blickt, etwa nach Frankreich, macht Heike Schmoll zwar faszinierende Beobachtungen wie Bildungseliten funktionieren, ihr exklusiver Status aber erscheint dann doch wieder anrüchig. Wenig besser erscheinen ihr die "Pseudo-Eliten" der Exzellenzhochschulen, deren Talmi-Charakter sie hübsch porträtiert. Im Ergebnis jedoch plädiert Frau Schmoll für neue Eliten: demokratisch, nicht-exklusiv, gebildet und selbstbewusst.
Das ist so richtig, wie es trivial ist. Nur beruht die öffentliche Debatte, und damit auch dieses Buch, auf einer Annahme, die gesetzt, aber keineswegs bewiesen wird, dass es nämlich an Führungspersonal fehlt bzw. das Führungspersonal nichts taugt. Das ist schlicht nicht plausibel. Man mag sich über manche Würdenträger ärgern, manche Manager für raffgierig und manche Politiker zu Recht für ungebildet halten, doch was bedeutet das schon? Ähnliche Schwächen wird man auch bei Journalisten finden, die über Derartiges schreiben!
Hier werden Antworten auf eine Krise gegeben, die ohne die einschlägige Literatur gar nicht existierte. Und eines stimmt dann doch bedenklich: So sehr gebildete Menschen zu wünschen sind, so wenig kann man den gesellschaftlichen Teilsystemen ihre Personalauswahl vorschreiben. Denn viel schlimmer ist, was sich derzeit an mancher Hochschule abspielt, an der unter dem Zeichen der so genannten Elitenförderung eine Berufungspolitik betrieben wird, die wissenschaftlichen Kriterien kaum mehr genügt. Die Gesellschaft hat also kein Personalproblem, die Öffentlichkeit und das Ressentiment neigen lediglich dazu schwierige Zusammenhänge als Personalprobleme zu verhandeln. Zumindest die Wissenschaft hat wenig Grund sich daran zu beteiligen, so sympathisch ihr ein allgemeines Plädoyer für mehr Bildung auch ist.
Werner Plumpe