Sabine Panzram (Hg.): Städte im Wandel. Bauliche Inszenierung und literarische Stilisierung lokaler Eliten auf der Iberischen Halbinsel (= Bd. 5), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2007, VI + 400 S., ISBN 978-3-8258-0856-3, EUR 39,90
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Elisabeth A. Richert: Native Religion under Roman Domination. Deities, springs and mountains in the north-west of the Iberian Peninsula, Oxford: Archaeopress 2005
Juan Manuel Abascal / Martín Almagro-Gorbea / Rosario Cebrián / Ignacio Hotelano: Segóbriga 2007. Resumen de las intervenciones arquelógicas, Cuenca: Consorcio del Parque Arqueológico de Segobriga 2008
Sabine Panzram / Laurent Callegarin (Hgg.): Entre civitas y madīna. El mundo de las ciudades en la Península Ibérica y en el norte de África (siglos IV-IX), Madrid: Casa de Velazquez 2018
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Sabine Panzram (Hg.): Städte in Spanien. Moderne Urbanität seit 2000 Jahren, Mainz: Nünnerich-Asmus Verlag & Media 2014
Die Stadt im Rechtssinne Max Webers als die Gemeinde der sich selbst verwaltenden Bürgerschaft ist bekanntlich ein Gemeinwesen allein des Westens, nicht des Ostens. Auf der Iberischen Halbinsel wird sie erst nach und nach im Zuge der römischen Eroberung eingeführt. In ihrer spezifisch römischen Form ist sie unerlässlich und vehikular, um in den eroberten Provinzen neue administrative, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse umzusetzen, der römische Lebensstil tut ein Übriges, um die einheimischen Eliten an Rom zu binden. In der Besiedlungsgeschichte des Landes bildet die römische Zeit daher einen höchstwichtigen Einschnitt, und es nimmt deshalb nicht wunder, wenn diese Zeit im Mittelpunkt des anzuzeigenden Kolloquiumsbandes über das Thema "Städte im Wandel" steht, ihr sind die Hälfte der 13 Beiträge gewidmet (Kap. I), die übrigen gelten der Zeit von 711 bis 1492, der Epoche also zwischen Conquista und Reconquista (Kap. II) sowie dem sog. Siglo de Oro von 1492 bis 1700. Rezensent kann sich angesichts seiner fachlichen Zuständigkeit und des zur Verfügung stehenden Platzes allein zu den kaiserzeitlichen Beiträgen äußern.
Rom gründet in Hispanien 400 Städte. In aller Regel handelt es sich um Neugründungen, ältere, vorhandene Siedlungen werden nur in seltenen Fällen weitergenutzt. Von dieser Zeit an jedoch haben viele Städte sodann eine kontinuierliche, ungebrochene Stadtgeschichte bis heute, der Grund liegt darin, dass die vielfältigen Voraussetzungen und Bedingungen, die an den Ort der Gründung einer römischen Stadt geknüpft waren, auch späterhin und eben bis heute noch gültig sind. Auf diese Weise bestehen nahezu sämtliche der im vorliegenden Band behandelten Fallbeispiele Segobriga, die Colonia Patricia (Cordoba), Italica, Tarraco (Tarragona), Madinat az-Zahra, Almería, León, Salamanca und Toledo in der einen oder anderen Form bis heute fort, die genannten Provinzhauptstädte sowie León, Salamanca und Toledo gar in der Form einer Stadt.
Gleichwohl enthält der Band nicht, wie man vielleicht erwarten würde, diachrone Darstellungen dieser Städte über die Zeiten hinweg von der Antike bis in die frühe Neuzeit, sondern handelt, wie S. Panzram in einer gelehrten Einleitung darstellt, über vielfältige Probleme dieses Wandlungsprozesses. Der Blick geht mehr in die Breite denn in die Tiefe. Auf diese Weise stellt sich ein sehr weites Themenspektrum ein, das sich in dem eher allgemein gehaltenen Haupttitel spiegelt. Der Bogen reicht von den ersten phönizischen Niederlassungen (H. G. Niemeyer), deren städtische Qualität erst hinterfragt und schließlich verneint werden muss, über Darstellungen der römischen Provinzhauptstädte Colonia Patricia bzw. Tarraco (A. Ventura Villanueva, J. Ruiz de Arbulo) über Bischöfe und Sexualität (S. Panzram) zu den Anfängen der Christianisierung (P. Mateos Cruz) bis zu Stadt und Herrschaft im Spanien des 16. Jahrhunderts (H. Pietschmann), um mit einem Überblick über das frühneuzeitliche Spanien im Spiegel numismatischer Zeugnisse abzuschließen (R. Wohlfeil).
Die Vorgehensweise ist chronologisch. In der Vielfalt und Breite zeigt sich das Problem der interdisziplinären Arbeitsweise, die intendiert ist und an der sich im vorliegenden Band Althistoriker und Archäologen, Bauforscher und Literaturwissenschaftler beteiligt haben; denn der fachübergreifende Blick kann seine förderliche Wirkung nur entfalten, wenn die Beiträge nach denselben Parametern erstellt sind, auf dass ein tertium comparationis erreicht wird, das am Ende eine Vergleichbarkeit erlaubt. Andernfalls stehen die Texte recht beziehungslos nebeneinander. Sabine Panzram macht aus der Not eine Tugend und versucht in der Einleitung, die gleichzeitig Einführung und Zusammenfassung ist, eine Aufblätterung des Themenbereiches. Dabei ergeben sich zu den Einzelbeiträgen durchaus weiterführende Fragen und Beobachtungen, Divergenzen auch, die bei der interdisziplinären Zusammenschau deutlich werden.
Aus der althistorischen Forschung ist klar, dass Rom sich im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. über seine Spanienpolitik immer klarer wird und spätestens gegen Ende des Jahrhunderts entschlossen ist, sein Engagement in Hispanien auf Dauer zu etablieren. In der Folge entstehen eine ganze Reihe von Städten, Neugründungen zumeist, die jedoch in der Nähe von einheimischen, seltener über einer älteren Siedlung errichtet werden. Die Stellung der römischen zu der einheimischen Siedlung wird mit dem Begriff Dipolis umschrieben. Die Gründe für die Neuanlagen sind zumeist strategischer (z.B. Valencia), wirtschaftlicher (z.B. La Caridad) oder militärischer (z.B. Tarraco) Art. Unabhängig davon, ob die neuen Städte von indigener oder römisch-italischer Bevölkerung bewohnt werden sollen, haben diese in der Regel die Form einer Regelstadt, das heißt das gewohnte orthogonale Straßensystem mit der entsprechenden Anlage der öffentlichen Bauten im Stadtzentrum. Die ordnende und planende Hand Roms ist zu diesem Zeitpunkt überall deutlich zu spüren, die große Zahl von Einzelfallentscheidungen (F. Pina Polo) verdeutlicht aber gleichzeitig den Grad der Beteiligung der lokalen Führungsschicht, wofür gerade der Fall Segobrigas, am südlichen Rand der Keltiberia gelegen, ein gutes Beispiel darstellt (J. M. Abascal, M. Almagro-Gorbea, R. Cebrián).
Richten wir den Blick auf die Provinz Baetica, so nimmt sie, wie keine andere der drei hispanischen Provinzen, mit der Kaiserzeit einen beispiellosen Aufstieg, der nicht zuletzt durch ihre Wirtschaftskraft begründet wird. E. W. Haley macht drei Faktoren dafür verantwortlich: 1) die Bodenschätze im Verein mit den natürlichen Bedingungen für die Landwirtschaft, welche ein Angebot darstellen, das 2) durch die Nachfrage von der Stadt Rom und dem Heer abgenommen wird, und schließlich 3) die einheitliche Verleihung des römischen Bürgerrechts zusammen mit der zunehmenden Verstädterung des Landes. Im Zusammenspiel dieser Faktoren besonders seit flavischer Zeit wird der Grund für die Prosperität erkannt, die dazu führt, dass eine Stadt wie Gades 500 Ritter aufweisen kann. Interessant und aufschlussreich ist der Aspekt der Finanzierung der Städte durch direkte und indirekte Steuern, wie durch den Fall des conductor vectigalium Servilius Pollio in Munigua bezeugt. Haley verbindet überzeugend den epigraphischen Befund des berühmten Titusbriefes mit den neuen Feldforschungen und kommt zu dem Schluss, dass der Stadtsäckel Muniguas in nicht unwesentlichem Grade aus der Pacht der Erzminen gefüllt wurde.
Zu Córdoba gibt es zwei Beiträge, welche die beschworene Interdisziplinarität herausfordern. A. Ventura Villanueva zeichnet ein eindrucksvolles Stimmungsbild der Stadt im Jahre 5 v. Chr. Ewert handelt meisterlich über die Stadt im Kontext der kalifalen Politik in islamischer Zeit. Die Beiträge bieten zahlreiche Berührungspunkte gerade zum Wandlungsprozess dieser Stadt, die offen zutage liegen, die leider jedoch gerade angesichts des interessanten Untertitels des Werkes: "Bauliche Inszenierung und literarische Stilisierung" keinen Niederschlag finden. Während Ventura für die römische Zeit etwa eine Bevölkerungszahl von ca. 30000 Einwohnern errechnet, was plausibel erscheint, nennt Ewert die Zahl von 1 Mio Einwohnern, also mehr als das 33fache bei einer flächigen Vergrößerung der Stadt im 10. Jahrhundert nur auf das Doppelte. Hier herrscht Klärungsbedarf. Auch wird die Mutation des Grundrissplanes der Stadt vom römischen Rechteckraster (Ventura Abb. 2) zur labyrinthischen islamischen Stadt (Ewert Abb. 3) ebenso wenig gewürdigt und beschrieben wie die Verlagerung des Stadtzentrums aus dem mittigen nördlichen Bereich zu römischer Zeit in den südlichen Randbereich am Fluss zu islamischer Zeit.
Die Fallbeispiele Italica und Tarragona werden von S. Ahrens und J. Ruiz de Arbulo souverän abgehandelt. Die nova urbs von Italica lässt sich auf die hadrianisch-antoninische Periode einschränken, ihre Einwohnerzahl war mit ca. 3000 Personen weit geringer, als bisher angenommen, Ahrens erarbeitet die Grundzüge des Stadtplanes, den er vor dem Hintergrund regionaler Gepflogenheiten interpretiert, Hadrian hat möglicherweise nur punktuell etwa beim sog. Traianeum in die Konzeption eingegriffen.
Tarragona gilt der längste Beitrag in dem Band. Unter den römischen Städten Hispaniens war sie sicher die wichtigste, wovon die gigantische dreigliedrige Anlage von Kultbezirk, Provinzforum und Zirkus aus flavischer Zeit auf der Hügelkuppe Zeugnis ablegt, von der allein der Platz des so genannten Provinzforums mit 320x175 m einen der größten Plätze der römischen Welt bildet. Die Anlage bestand vollständig aus Quadern und war mit Marmor verkleidet bzw. hatte marmorne Bauteile und Skulpturen. Sie befindet sich auf drei Ebenen und steht in der Tradition hellenistischer Terrassenarchitektur. Den Übergang zur jeweiligen Ebene ermöglichen Treppentürme an den Ecken. Als Folge der arabischen Eroberung wird die Stadt im Jahre 713 aufgegeben und war unbewohnt bis ins Jahr 1129. Zunächst wurden die Türme als Kastelle ausgebaut, sodann konstitutierte sich die mittelalterliche Stadt im ummauerten Bereich der Hügelkuppe. J. Ruiz de Arbulo liefert vor dem Hintergrund der Forschungsgeschichte eine synthetische Darstellung des großen Kultbezirks sowie des Provinzforums, gibt den aktuellen Forschungsstand zu den übrigen bekannten öffentlichen Bauten und macht einige diskutable Vorschläge zu ihrer Funktion.
Thomas Schattner