Johannes Laudage: Friedrich Barbarossa. Eine Biografie. Herausgegeben von Lars Hageneier und Matthias Schrör, Regensburg: Friedrich Pustet 2009, 383 S., 8 Farb-, 8 s/w-Abb., ISBN 978-3-7917-2167-5, EUR 34,90
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Johannes Laudage konnte sein Werk über den Stauferkaiser nicht mehr vollenden: Im Januar 2008 riss ihn ein tödlicher Unfall aus dem Leben. Verlag und Herausgeber sind das Risiko eingegangen, ein weder abschließend redigiertes noch inhaltlich fertiggestelltes Manuskript aus dem Nachlass des Verstorbenen herauszugeben. "Eine zeitliche Lücke in den 1170er-Jahren" sei nicht mehr zu schließen gewesen (7). Diese Leerstelle umfasst aber den gesamten fünften Italienzug (1174-1178) mit Barbarossas Niederlage bei Legnano und seinem Friedensschluss mit Papst Alexander III. in Venedig. Die fehlende Behandlung dieser zentralen Vorgänge, aber auch das Fehlen jeglicher Anmerkungen, die die eingestreuten Anspielungen auf Forschungsdiskussionen nachvollziehbar werden ließen, machen das Buch zu einem Torso.
Das Leben Barbarossas erzählt Laudage in sieben chronologisch voranschreitenden Kapiteln als politische Ereignisgeschichte, ergänzt durch ein systematisch angelegtes Kapitel (152-188). Zu den besonderen Herausforderungen einer Biographie über mittelalterliche Herrscher gehört - wie auch in diesem Fall - das Fehlen von Selbstzeugnissen. Die historische Person verschwindet hinter den Stilisierungen der Kanzlei und den aus unterschiedlichster Perspektive gebrochenen Wahrnehmungen in den erzählenden Quellen. Um so wichtiger wären Erläuterungen, unter welchen Prämissen ein biographischer Zugang versucht wird; sie fehlen aber - von einem schlichten Allgemeinplatz abgesehen (328) - so gut wie vollständig, ohne jedoch tatsächlich entbehrlich zu sein.
Der Auftakt ist gelungen. Sehr zu Recht sieht Laudage den Staufer als Vertreter der ritterlich-höfischen Gesellschaft des 12. Jahrhunderts: das einleitende Kapitel (9-23) setzt mit seiner Einordnung der überlieferten Beschreibungen des Kaisers in den Kanon höfischer Tugend- und Schönheitsideale einen markanten Akzent. Auch Laudages Einschätzung der Ehre als ein zentrales Handlungsmotiv Barbarossas (zum Beispiel 54, 123, 158, 177f.) halte ich für vielversprechend, weil sie eine Möglichkeit bietet, von der traditionellen Monumentalisierung des Kaisers als 'Staatsmann' im Zeichen von Macht- und Realpolitik Abstand zu nehmen. [1] Ansätze zu einer solchen Revision finden sich in der Einschätzung, der erste Italienzug habe nichts mit weitreichender Konzeption zu tun (52, 54). Aber aus seiner einleitenden Akzentsetzung schlägt Laudage wenig Funken, denn er gibt einer recht vordergründigen ideengeschichtlichen Sicht dann doch entschieden den Vorzug ("Gestaltungskraft hochfliegender Ideen", vgl. 330 und 300f.).
Es wimmelt von "Visionen" (179, 183, 227, 266, 301, 309), "Gedanken" und "Ideen". Es sind freilich 'Gedanken' und 'Ideen' des rückblickenden Historikers, der sie im Wissen um die weitere historische Entwicklung aus dem Geschehen abstrahiert und als eigentliche Handlungsmotive bereits an den Beginn der jeweiligen Ereignisketten stellt, die dann in gebotenen Kausalitäten ablaufen. Das schafft eine Vereindeutigung, die die Offenheit der historischen Situation nicht mehr zu erkennen und dem Zufall keine Chance gibt. So sollen sich Barbarossas Ziele gegenüber dem Papsttum schon aus dem Titel Romanorum Rex abgeleitet und von Anfang an im Ziel einer Stadtherrschaft über Rom konkretisiert haben (43f., 314). Die Regaliendefinition der roncalischen Gesetze sei "Vollstreckung eines von langer Hand vorbereiteten Plans" (133), den Laudage aus einem "Rationalismus" Barbarossas (zum Beispiel 123f.) erklärt, den er auch sonst häufiger strapaziert, aber von schlichter 'Zweckrationalität', die man dem Staufer gewiss unterstellen darf, nicht weiter abgrenzt. Mit den emphatischen, aber undifferenzierten Ausführungen über eine "deutsche Fremdherrschaft" in Italien (227) gerät die Darstellung sogar noch in den Schatten der Geschichtsschreibung des Risorgimento.
Das Geschehen wird stets dem Kaiser persönlich als impulsgebendem Zentrum zugerechnet, und entsprechend anfechtbar sind die Urteile, die ihm "Wirtschafts- und Finanzpolitik" (181) unterstellen oder in einer Terminologie, die man eigentlich der adorationsbereiten Kriegsgeschichtsschreibung wilhelminischer Generalstabsoffiziere vorbehalten glaubte, seine "Feldherrnkunst" (114, 118f., 122) loben. Methodisch geboten wäre, auf die schlichte Unmöglichkeit hinzuweisen, den Eigenanteil des Kaisers überhaupt erkennen zu können. Das gilt auch für die Ausführungen über die herrschaftliche Durchdringung der Reichs- und Hausgutkomplexe der terrae imperii (hierzu 169, 179f., und 281 mit widersprüchlichen Aussagen). Diese Sicht auf den Kaiser wurzelt letztlich in der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts und ihrer Annahme, Barbarossas vornehmste politische Aufgabe habe in der Stärkung der monarchischen Zentralgewalt bestanden. Nur konsequent ist es dann, den Sturz Heinrichs des Löwen aus dem vermeintlichen Dualismus zwischen Kaiser und Fürsten zu erklären, einer weiteren Lieblingsvorstellung des 19. Jahrhunderts: "Sollte das Reich nicht in Schutt und Asche zerfallen, mussten [Barbarossa und der Welfe] immer wieder aufeinander zugehen" (262). Weil es nur Machtpolitik zu konstatieren gibt, muss Barbarossa auch die "dauerhafte Entmachtung" des Löwen "mit allen Konsequenzen" gewollt haben (290) - die Argumente, die diese Sicht gegen Werner Hechbergers weitreichende Dekonstruktion der These vom staufisch-welfischen Gegensatz hätten stützen können, sucht man vergebens.[2]
In einer Geschichtsschau solcher Art bleiben die neueren Einsichten einer Kulturgeschichte des Politischen geradezu notwendig unintegrierbare Fremdkörper. Zwar betont Laudage mehrfach die Bedeutung der Ehre als handlungsleitendes Motiv (etwa 54, 106, 114, 158, 177); auch heißt es, man könne "die performativen Aspekte gar nicht oft genug betonen" (106). Jedoch tritt die politische Dimension von Bitt-, Anerkennungs- und Unterwerfungsritualen oder von Konflikten um die Sitzordnung, soweit sie überhaupt erwähnt werden, nicht in den Blick. Die neueste Deutung der Begegnung von Sutri wird nicht einmal erwähnt. [3] Was Laudage von solchen Ansätzen hält, zeigt seine Polemik (147-151) gegen die "Mode" gewordene Frage nach der symbolischen Kommunikation in der Vormoderne, der er "abstrahierende Betrachtungsweise", Simplifizierung, methodische Fehler und fehlende Kontextualisierung des Einzelfalls vorwirft; Ehre gilt ihm zwar als "Schlüsselbegriff des Denkens und Fühlens" (151), sie sei aber "Etikett" (150, vgl. auch 250) oder "Vorwand und Metapher" (149) - taugt mit anderen Worten nicht, um zur 'eigentlichen' Politik durchzudringen. So kommt die konfliktauslösende Dimension von Ehr- und Rangstreitigkeit dann trotz gegenteiliger Behauptungen (114, 158) nicht in den Blick. Nur konsequent ist es daher, die für Barbarossas Verhältnis zu Mailand zentrale, von Otto Morena berichtete Missachtung des königlichen Boten und öffentliche Zerstörung von Brief und Siegel durch die Mailänder mit höchst willkürlichen Argumenten als "ätiologische Sage" abzutun (59, 158), wohlgemerkt: ohne nach Morenas Darstellungsabsicht zu fragen; oder auch den Bericht Arnolds von Lübeck mit seinen Details über symbolisches Verhalten beim Sturz Heinrichs des Löwen "vollständig zu eliminieren" (276, 281).
Im Wissen darum, dass stilistische Fragen immer auch Geschmacksfragen sind, seien noch einige sprachliche Eigentümlichkeiten gestreift. Die Konjunktionen "zwar, aber, dennoch" und so weiter führen auffällig oft ins Leere. Nur ein Beispiel: "Er beherrschte zum Beispiel die wichtigsten Fernhandelsstraßen, die aus dem Reich herausführten, hatte aber zugleich die Infrastruktur des eigenen Binnenhandels verbessert" (180f.); wieso "aber"? Viel zu oft begegnen unklare Formulierungen, zum Beispiel: "als Ideal schwebte dem Kaiser offenkundig ein Zustand vor, der sowohl die königlichen Pfalzen und Städte als auch die Exklave in Goslar mit der Reichsmitte verband" (255). Viel zu viele schiefe Metaphern und unfreiwillig komische Formulierungen sind stehen geblieben, wie etwa: er bemühte sich, "die Scherben seiner bisherigen Politik festzuhalten" (266); die Aufstellung der Kreuzritter bei Hattin war "dermaßen ungünstig gewählt, dass der Gegner die dürren Gräser der Bergflanke in Brand setzen und ihnen den Rauch ins Gesicht blasen konnte" (317).
Am wenigsten aber überzeugt, dass in einer "Biographie" die Handlungen der Zeitgenossen wie bloße Emanationen von Ideen (der Kommune, des Kaisertums, der Ordnung, der Liturgie und so weiter) beschrieben werden. So häufen sich abstrakte Passagen ohne Beziehung zur Person Barbarossas oder seinem sozialen Umfeld, und auf diese Weise wird, für eine Lebensgeschichte besonders unangemessen, Kontingenz einfach wegerzählt. Deshalb gerät das Bild Barbarossas gleichermaßen überdeutlich wie unscharf; dass es trotz des Revisionsdrucks, den die neueren Ansätze der historischen Mediävistik geschaffen haben, höchst traditionell ausfällt, ist für mich die eigentliche Überraschung dieses Buches. Dass sich die Kaiserin Beatrix als "loyale Ehefrau" (109) und "anerkannte Schönheit" "vor allem auf ihre Rolle als Ehefrau konzentriert" und "klaglos in die Notwendigkeiten ihres Daseins" gefügt haben soll (110), überrascht dann schon wieder nicht mehr.
Anmerkungen:
[1] Knut Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001.
[2] Werner Hechberger: Staufer und Welfen 1125-1190. Zur Verwendung von Theorien in der Geschichtswissenschaft (= Passauer Historische Forschungen, 10), Köln / Weimar / Wien 1996.
[3] Roman Deutinger: Sutri 1155. Missverständnisse um ein Missverständnis, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 60 (2004), 97-133.
Knut Görich