Jürgen J. Rasch / Achim Arbeiter: Das Mausoleum der Constantina in Rom (= Spätantike Zentralbauten in Rom und Latium; Bd. 4), Mainz: Philipp von Zabern 2007, XII + 352 S., 38 Abb., 8 Farb-, 212 s/w-Tafeln, ISBN 978-3-8053-3514-0, EUR 149,00
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Annette Haug: Die Stadt als Lebensraum. Eine kulturhistorische Analyse zum spätantiken Stadtleben in Norditalien, Rahden/Westf.: Verlag Marie Leidorf 2003
Adnan Shiyyab: Der Islam und der Bilderstreit in Jordanien und Palästina. Archäologische und kunstgeschichtliche Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der »Kirche von Ya'mun«, München: Utz Verlag 2006
Hugo Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst. Fotos von Arnaldo Vescovo, Regensburg: Schnell & Steiner 2004
1939 begründeten Friedrich W. Deichmann, Arnold Tschira und Michael Stettler das Forschungsprojekt "Spätantike Zentralbauten in Rom und Latium". Seit 1977 widmet sich der Bauforscher Jürgen J. Rasch der Fertigstellung und Publikation dieses ambitionierten Unternehmens. Nach den Monografien über das Maxentiusmausoleum (1984), das Mausoleum bei Tor de' Schiavi (1993) und das Helenamausoleum (1998) legt Rasch nun den vierten Band der Reihe vor, der sich mit dem Mausoleum der Constantina an der Via Nomentana bei Rom befasst, das heute unter der Bezeichnung "S. Costanza" bekannt ist. Anders als es der Titel des Buchs vermuten lässt, behandelt der Autor auch die Umgangsbasilika, an die der Zentralbau ursprünglich angebaut war.
Im Unterschied zu den bereits erschienenen Bänden enthält das hier anzuzeigende Buch neben Raschs Analyse und Rekonstruktion der Architektur von Zentralbau und Basilika (1-100) auch eine detaillierte Untersuchung der ehemaligen Mosaikausstattung des Mausoleums (101-313, Taf. 83-180), die von dem Christlichen Archäologen Achim Arbeiter verfasst und 1997 als Habilitationsschrift in Basel angenommen wurde. Ein kleiner Beitrag von Jens Rohmann behandelt außerdem die 24 Spolienkapitelle des inneren Säulenkranzes von S. Costanza (31-39). Problematisch ist die Übernahme einiger älterer Textabschnitte von Friedrich W. Deichmann, die einen veralteten Literaturstand mit sich bringen und stärker hätten überarbeitet werden müssen.
Wie schon die vorangegangenen Bände basiert auch der vorliegende auf einer detaillierten, über Jahrzehnte hinweg immer wieder aktualisierten Bauaufnahme des Monuments, deren Ergebnisse den Kern der Analyse bilden. Die Auswertung der Arbeiten legt Rasch jetzt in 'klassischem' Textaufbau vor (mit Kapiteln zur Baubeschreibung, Baustoffen und Bautechnik, Metrologie und Rekonstruktion, Diskussion von Datierung und Bauträger sowie typologischer Einordnung). Die hervorragenden Zusammenstellungen der fotografischen Dokumentation und der historischen Darstellungen aus dem 15. bis 19. Jahrhundert (Taf. 1-82) sowie die gewohnt exzellenten Bau- und Rekonstruktionszeichnungen (Taf. 181-220), die vorrangig von Rasch selbst als Tuschezeichnungen angefertigt wurden und von solidester bauforscherischer Qualität zeugen, bilden das eigentliche Hauptverdienst des Bandes und werden ihm für lange Zeit den Status des Hauptreferenzwerks zu S. Costanza zukommen lassen.
Das Mausoleum der Constantina ist eines der bedeutendsten erhaltenen Monumente der spätantiken Architektur und fasziniert Besucher noch heute durch seinen Mosaikenreichtum. Völlig zu Recht streicht Rasch die Neuartigkeit des Architekturentwurfs dieses kuppelgewölbten Zentralbaus mit Obergadenringmauer, innerem und äußerem Umgang heraus und betont seine "Schlüsselstellung für die weitere Entwicklung dieses Bautypus" (IX). In der bautypologischen Einordnung arbeitet Rasch heraus, dass sich der Bauentwurf unmittelbar an der kurz zuvor errichteten Rotunde über dem Heiligen Grab in Jerusalem orientierte und deren Bauidee um Innovationen aus der Sparte des Gewölbebaus bereicherte, der gerade in den Jahrzehnten zuvor in Rom zur Blüte gelangt war (90f.).
Auch wenn man das Bauwerk 1620 seiner gesamten Marmorwandverkleidung beraubte, gelingt Rasch durch die Auswertung der zugehörigen Dübellöcher eine fast vollständige Rekonstruktion des ehemaligen Dekorationsschemas. Die Untersuchung der Kuppelschale zeigt zudem, dass der Putz auf der Unterseite sehr unterschiedliche Dicken aufweist, was Rasch zu der Annahme veranlasst, dass unter dem Verputz von 1620 v.a. im Südostteil noch heute die Reste des spätantiken Kuppelmosaiks vorhanden sein dürften.
Ausgangspunkt der Anlage war eine um 200 angelegte Katakombe mit dem Grab der Märtyrerin Agnes, das von Constantina, der Tochter Constantins des Großen, zum Anlass für eine Baustiftung genommen wurde. Wie aus den erhaltenen Schriftquellen und einer heute verlorenen, aber im Textformular überlieferten Dedikationsinschrift ersichtlich ist, ließ Constantina eine Basilika für die Verehrung der Agnes errichten, des Weiteren ein Baptisterium sowie ein Mausoleum, in dem sie nach ihrem Tod 354 bestattet wurde. Während die Lage des Baptisteriums bis heute unklar ist, erkennt die Forschung in dem erhaltenen Zentralbau das Mausoleum der Constantina und in den daran anschließenden Mauerzügen die Ruine der Agneskirche, die die Form einer typisch stadtrömischen Umgangsbasilika besitzt. Leider sind die Quellen hinsichtlich der Bauzeiten widersprüchlich bzw. ungenau, sodass meist angenommen wird, die Bauinitiative der Kaisertochter sei in den Jahren zwischen 337 und 350 erfolgt, die sie zwischen zwei Ehen in Rom verbrachte. Leider kann Rasch diesmal keine neuen Datierungshinweise aus der Bauanalyse gewinnen, war es ihm doch bei den zuvor behandelten Zentralbauten möglich gewesen, aus bautechnischen Details teilweise sehr präzise Datierungen zu ermitteln. Er vermutet als Bauzeiten inklusive Ausstattung für die Basilika die Jahre um 337 bis 343, für das Mausoleum um 340-345 (89). Das Problem, dass der Liber Pontificalis die Stiftung in das Pontifikat Silvesters setzt, der nur bis 335 amtierte, bleibt also weiterhin offen. Diese Quelle bietet im Übrigen bislang kaum berücksichtigte, auch bei Rasch nicht erwähnte Details: Dazu gehört die Auflistung der Stiftungen des liturgischen Geräts und Mobiliars, die erstens deutlich macht, dass in der Basilika die Eucharistie gefeiert wurde (Nutzungsfragen behandelt Rasch kaum), und die zweitens Raschs Grundrissrekonstruktion der Basilika bestätigt, denn die von ihm rekonstruierten Pfeilerstellungen des Langhauses korrespondieren zahlenmäßig mit der überlieferten Stiftung von 40 Leuchtern und 40 Kerzenhaltern, welche zur Innenraumbeleuchtung ehemals bei den Pfeilern aufgestellt bzw. angebracht gewesen sein könnten.
Rasch klärt auch die Frage des jüngst häufiger diskutierten, durch Ausgrabungen nachgewiesenen trikonchosförmigen Vorgängerbaus an der Stelle des Mausoleums und konstatiert schlüssig, dass dieser nie über die Fundamente hinaus aufgeführt und noch im Bauprozess durch die Rotunde ersetzt wurde. Durch ein unscheinbares und durch die jüngsten Restaurierungen der Basilikaruine auch noch verunklärtes Detail gelingt Rasch ferner eine spektakuläre Entdeckung: Balkenlöcher in der Umfassungsmauer belegen, dass die konstantinische Umgangsbasilika als Emporenkirche zu rekonstruieren ist, ein Bautyp, den die Forschung bislang üblicherweise mit den Architekturentwicklungen in der östlichen Reichshälfte verbunden hatte. Die wenigen in Rom nachweisbaren Emporenbasiliken - wie beispielsweise der von Papst Honorius I. (625-638) gestiftete Nachfolgebau über dem Agnesgrab - galten als spätere Importe östlicher Bauideen nach Rom. Dieses Bild gilt es nun zu revidieren, da mit dem konstantinischen Bau von S. Agnese auch in Rom offenbar seit dem 4. Jahrhundert eine Emporenkirche existierte. Hier sei darauf hingewiesen, dass der konstantinischen Grabesrotunde in Jerusalem ebenfalls eine Emporenkirche vorgeschaltet war, sodass das Bauensemble der stadtrömischen Agneskirche möglicherweise noch stärkere Jerusalembezüge aufwies, als Rasch vermutet.
Im umfangreichen zweiten Teil des Buchs untersucht Achim Arbeiter den Mosaikschmuck von S. Costanza. Noch heute ist der Bau im Umgang an der Ringtonne und den Nischenkalotten mosaiziert, des Weiteren lässt sich durch frühneuzeitliche Beschreibungen und Zeichnungen ein Kuppelmosaik sowie ein Mosaik im Lichtschacht der Hauptnische erschließen. Nach akribischer Quellensichtung (mit erstmals vollständiger Edition der Beschreibungen Ugonios von 1594 bis 1608), Ermittlung der Originalsubstanz und Rekonstruktion verlorener Partien, deren Ergebnisse auch in instruktiven Zeichnungen festgehalten sind, folgen eine ikonografisch-motivische und eine stilistische Einordnung. Dabei besitzen manche Abschnitte zu einzelnen Bildthemen - z.B. zur Dominus legem dat-Szene - durchaus Charakter und Länge eigener Aufsätze, führen eine erschöpfende Anzahl spätantiker Vergleichsobjekte auf und lesen sich wie ein Kompendium. Am Ende formuliert Arbeiter aufgrund ikonografischer Analysen vorsichtig die These, die Mosaiken von Ringtonne und Kuppel seien in den 350er Jahren, diejenigen der Kalotten um 370 (und zwar unter päpstlicher Auftraggeberschaft von Liberius oder Damasus) und das Mosaik des Lichtschachts gegen 400 (unter Papst Innozenz I., für den der Liber Pontificalis Aktivitäten an S. Agnese überliefert) entstanden.
Nach der anregenden Lektüre beider Abschnitte bedauert man ein wenig, dass die beiden Autoren keinen Versuch einer farbigen Rekonstruktion der Innenraumausstattung von S. Costanza gewagt haben. Wer das weitgehende Fehlen von Farbabbildungen kompensieren möchte - nur der Teil zu den Mosaiken enthält acht Farbtafeln - und vor neuen Darstellungstechniken nicht zurückschreckt, der nehme ergänzend Andaloros Malereienkorpus zur Hand, das eine 3D-Rekonstruktion des Gebäudequerschnitts enthält. [1] Diese ist in einigen Partien allerdings ungenau und die Untersuchungen Raschs und Arbeiters bieten weit darüber hinausgehende Ergebnisse.
Anmerkung:
[1] Maria Andaloro: Die Kirchen Roms. Ein Rundgang in Bildern. Mittelalterliche Malereien in Rom 312-1431, Mainz 2008, 62.
Ute Verstegen