Barbara Aland: Frühe direkte Auseinandersetzung zwischen Christen, Heiden und Häretikern (= Akademieunternehmen "Griechische Christliche Schriftsteller" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Hans-Lietzmann-Vorlesungen; Heft 8), Berlin: De Gruyter 2005, XI + 48 S., ISBN 978-3-11-018912-4, EUR 14,95
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Drei Kapitel umfasst die hier vorzustellende Vorlesung: 1. Celsus und Origenes, 2. Irenäus und die Gnostiker, und 3. Plotin und die Gnostiker.
Warum, so lautet die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung von Barbara Aland, interessierten sich philosophisch gebildete Heiden überhaupt für das aufsteigende Christentum? Barbara Alands These ist, dass sich hier ein tiefer Wandel im antiken Denken eines Celsus und Plotin offenbart angesichts des Auftretens des Christentums.
Zu 1 (2-20): Offensichtlich wurden die Angriffe eines Celsus auf das Christentum um 177/80 als so einschneidend empfunden, dass Origenes sich etwa 70 Jahre später, 248, wenn auch widerwillig, bereit erklärte, eine Widerlegung zu schreiben. Es geht um folgende zentrale Vorwürfe gegen die Christen: Sie seien Aufrührer, verkündeten keinerlei neue Lehre, seien dumm und ungebildet und rekrutierten sich aus den untersten Gesellschaftsschichten, aus Handwerkern und Sklaven. Was Celsus allerdings beunruhigte, war a) die große Ausbreitung des Christentums, die praktische Ethik und die große Sterbebereitschaft, b) der Anspruch der Christen, alle Menschen jeglicher Schichten erziehen und religiös bilden zu können, und c) die Art der christlichen Gotteserkenntnis. Das Bedrohungspotenzial in den Augen des Celsus ist der universale Anspruch der Christen auf Bildung für alle, die Inhalte praktischer Ethik wie Keuschheit, Selbstdisziplin und soziales Dienen. Die christliche Gotteserkenntnis geht über die griechische Philosophie insofern hinaus, als es nicht um bestimmte Formen des Denkens geht, sondern Gotteserkenntnis auf die Gottesmitteilung angewiesen ist, also prinzipiell nur möglich wird durch die Menschwerdung des Gottes. Insgesamt fällt auf beiden Seiten die formale Argumentation auf, die sich auf die Vorwürfe und ihre Widerlegung beschränkt, ohne dass z.B. von Origenes eine positive Darstellung des Christentums geboten würde. Das erklärt sich wohl dadurch, dass - ganz im Sinne christlicher Gotteserkenntnis - die Heiden ohne Verständnis der heiligen Schriften der Christen deren Lehre sowieso nicht verstehen können.
Zu 2 (20-35): Das Verständnis der Gnosis krankte bisher daran, dass wir die verschiedenen Richtungen lediglich aus christlichen Quellen wie Irenäus kannten. Jetzt eröffnen aber die Texte aus Nag Hammadi vertiefte Einsichten. Barbara Aland untersucht insbesondere die "Apokalypse des Petrus", das "Zeugnis der Wahrheit" und die "Auslegung der Erkenntnis". Christlicherseits werden immer nur einzelne Topoi zitiert und den Gnostikern ein unverständlicher Mythos, die Trennung von Gott Vater und Schöpfergott und die Zerschlagung Jesu in zwei Personen vorgeworfen. Auf Gemeinsamkeiten wie das Kreuz, den geschenkten Glauben und die Niedrigkeitstheologie wird nie eingegangen, die selbst gewählte Demut, Langmut und Neidlosigkeit nicht gewürdigt, auch nicht die Suche des Gnostikers nach Erkenntnis, die nur mithilfe des "Erlösers" gelingen kann. Irenäus und die Gnostiker reden insofern aneinander vorbei, als es letzteren nicht darum geht, sich die Erde untertan zu machen, weil der Gnostiker einer anderen Welt angehört.
Zu 3 (35-48): Plotin hatte wohl unter seinen Schülern christliche Gnostiker, die ihn zur "Widerlegung" veranlassten. Das Problem dieser Schrift ist, dass die Beweisführung auf der Ersetzung der gnostischen Begrifflichkeit durch plotinische Philosophie beruht und auf dieser Basis die Gnostiker widerlegt werden. Themen sind der Kosmos und der Mensch in seinem Verhältnis zum Kosmos und zu den Göttern. Fragen des Heiles und der Erlösung werden ausgespart. Ausgangspunkt ist die Seele: Diese kann nicht abgesunken sein, denn dann hätte sie das Obere vergessen und wäre nicht in der Lage, schöpferisch tätig zu sein. Während beim Gnostiker die Seele "in leidenschaftlicher Erregung" nach dem Vater sucht ohne Verbindung zum Oben, schafft der Demiurg laut Plotin durch "Sympathie" zwischen oben und unten die Welt. Den Aufstieg nach oben schafft die Seele bei Plotin durch "Tugend", beim Gnostiker durch "gnädige Erwählung". Hier deutet sich eine neue Form christlicher Gotteserkenntnis an, der die herkömmliche Philosophie nicht mehr genügt, die aber auch z.B. von Irenäus nicht genutzt wurde, weil er sich nicht wirklich auf ein Gespräch mit den Gnostikern einlassen wollte.
Was Barbara Aland darstellt, sind vielfältige Missverständnisse auf christlicher und heidnischer Seite, die zeigen, wie fruchtbar und vielfältig die Frühzeit des Christentums denkerisch war, aber auch, wo welche Chancen verpasst wurden. Eine nicht immer leichte Lektüre, besonders der letzte Teil um Plotin und die Gnosis, und wohl eher für Fachleute von Nutzen.
Einleitend gibt Christoph Markschies eine einfühlsame Vorstellung von Barbara Aland, geborene Ehlers, die nicht nur durch Heirat mit seinem Lieblingsschüler Kurt Aland mit Hans Lietzmann verbunden war, sondern vor allem in vielfacher wissenschaftlicher Weise eine würdige Kandidatin für diese Vorlesungsreihe ist.
Karl Leo Noethlichs