Karin Precht-Nußbaum: Zwischen Augsburg und Rom. Der Pollinger Augustiner-Chorherr Eusebius Amort (1692-1775). Ein bedeutender Repräsentant katholischer Aufklärung in Bayern (= Publikationen der Akademie der Augustiner Chorherren von Windesheim; Bd. 7), Paring: Augustiner-Chorherren-Verlag 2006, 659 S., 1 Abb., ISBN 978-3-936197-07-5, EUR 39,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Herfried Münkler / Marina Münkler: Lexikon der Renaissance, München: C.H.Beck 2000
Renate Pieper: Die Vermittlung einer Neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des habsburgischen Imperiums 1493-1598, Mainz: Philipp von Zabern 2000
Richard A. Goldthwaite: The Economy of Renaissance Florence, Baltimore / London: The Johns Hopkins University Press 2009
Die Aufklärung in katholischen Territorien des Alten Reiches, die auch als "Katholische Aufklärung" beschrieben wird, hat sich in den letzten Jahren zum Gegenstand einer anregenden Forschungsdebatte entwickelt. Während seit den 1970er Jahren zunächst grundsätzlich die Frage diskutiert wurde, inwieweit überhaupt das katholische Europa von Tendenzen der Aufklärung erfasst wurde und welchen Niederschlag aufklärerische Strömungen in katholischen Territorien fanden, wenden sich jüngere Beiträge verstärkt der Reformpolitik und dem Josephinismus im Reich oder auch in geistlichen Fürstentümern zu. Dabei wird oft eher nur am Rande wahrgenommen, dass insbesondere in Klöstern und kirchlichen Bildungseinrichtungen Wissenschaft und Publizistik im Zeichen aufklärerischer Methoden und Klarsicht standen.
In ihrer 2006 abgeschlossenen Dissertation widmet sich Karin Precht-Nußbaum dem Pollinger Augustiner-Chorherrn Eusebius Amort, einem Exponenten der Katholischen Aufklärung in Bayern. Vor allem Amort ist es zu danken, dass das Augustiner-Chorherren-Stift Polling bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Impulsgeber der Aufklärung im katholischen Süddeutschland wurde. Eusebius Amort (1692-1775) entwickelte mit seiner "Philosophia Pollingiana" ein Bildungsprogramm, das im katholisch-christlichen Glauben wurzelnd insbesondere naturwissenschaftliche Beobachtungen und intensives Quellenstudium zu Leitmotiven erhob. Insofern definiert sich Amort unausgesprochen als mustergültiger Vertreter "Katholischer Aufklärung".
Die Autorin stützt ihre Ausführungen auf umfangreiche Korrespondenzsammlungen in der Bayerischen Staatsbibliothek sowie das einschüchternde Korpus handschriftlich überlieferter und gedruckter Werke Amorts. Dass die Arbeit an einer Katholisch-Theologischen Fakultät eingereicht worden ist, zeigt sich in der jeweils eingehenden inhaltlichen und argumentativen Würdigung der Schriften Amorts sowie ihrer Entstehungszusammenhänge. Dieses Vorgehen bietet den Vorteil einer differenzierten und tiefblickenden Einordnung in den geistesgeschichtlichen, theologischen Kontext, in welchem jede Einlassung im commercium litterarum oder in (Streit-)Schriften debattiert wurde. Die Autorin liefert dazu eine Fülle zusätzlicher Informationen in (mitunter zu) umfangreichen Fußnoten.
Precht-Nußbaum führt zunächst in die Forschungsdiskussion um die "Katholische Aufklärung" und den bisherigen Untersuchungshorizont zu Eusebius Amort ein. Nach einigen Rahmendaten zum Leben Amorts erörtert sie in sieben thematisch-chronologisch geordneten Kapiteln Wirken und Werk des Augustiner-Chorherrn, der wie viele seiner Mitbrüder in Ingolstadt studierte. Amort erlebte eine Karriere als Professor der Philosophie und Theologie, gab ab 1722 die Zeitschrift Parnassus Boicus mit heraus und schmiedete Pläne zur Gründung einer Akademie, der Academia Carolo-Albertina, die an der Frage, beim bayerischen Kurfürsten die Aufhebung der Zensur (potestas delegata) zu erwirken, zunächst scheiterte. Erst später, 1759, wurde Amort dann Gründungsmitglied der "Bayerischen Gesellschaft", aus der sich die Bayerische Akademie der Wissenschaften entwickelte.
Am Stift in Polling übte Amort verschiedene Funktionen aus, wobei er die Stelle als Bibliothekar mit großem Engagement ausfüllte. Für seine späteren Kontakte zur Kurie wurde seine Romreise 1734/35 besonders wichtig, als er die durch seine Schriften bereits erzeugte Aufmerksamkeit durch persönliche Begegnungen untermauerte. In einer Reihe von theologischen Auseinandersetzungen wie dem Streit um den "Mystischen Gottesstaat" der Maria de Agreda oder um die unbefleckte Empfängnis Mariens stand Amort, schneidend und klarsichtig argumentierend, aber nicht immer glücklich agierend im Mittelpunkt.
Die detailreiche und instruktive Darstellung der Entstehung der Schriften Amorts und damit seines intellektuellen Wirkens sowie seine Einbettung in die Geisteswelt des 18. Jahrhunderts verschaffen eine durchaus anregende Lektüre: Zunächst folgen Leserin und Leser in die Feinheiten der theologischen Reaktionen auf die Herausforderungen insbesondere der französischen Aufklärung (gewiss wegen deren zum Teil heftigen Antiklerikalismen) und in die innerkatholischen Debatten jener Tage zwischen reaktionär-traditionellem Beharrungsvermögen und reformerischen Bewegungen (wie vom Jansenismus beeinflusste Vorstellungen). Weiterhin erfährt man viel über Stil und Medien eben dieser intellektuellen Auseinandersetzungen. Dabei tendierten Gelehrte wie Amort zum emsigen Handschriften- und Bibliotheksstudium, um abwägende Argumente in ihren Traktaten katalogisch zusammenzustellen. Der Briefaustausch zwischen Gelehrten, Lehrern und Schülern fungierte als wichtigstes Informationssystem und weit ausgreifendes Verständigungsinstrument. Viele der Konflikte vollzogen sich brieflich oder wurden gegenüber Korrespondenzpartnern kommentiert. Überdies erweisen sich Netzwerke zwischen Klöstern desselben Ordens oder auch über die Ordensgrenzen hinweg als konfigurierend für Frontlinien der Konfliktparteien. Insbesondere eingespielte Beziehungen zu einflussreichen Bischöfen oder gar zur Kurie in Rom konnten sowohl bei der Durchsetzung von materiellen Interessen als auch bei der Formulierung dogmatischer Positionen entscheidend sein. Eusebius Amort zögerte nicht, seine Verbindungen zu namhaften Kardinälen, etwa zu Kardinal Niccolò Maria Lercari, gewinnbringend für sich einzusetzen. Immer wieder ließ er sich seine Parteinahme durch Rom absichern.
Karin Precht-Nußbaum schließt ihre Darstellung mit einem umfangreichen Anhang ab: Darin sind der Nachruf in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1777), das Vorwort des Parnassus Boicus oder Briefe der Päpste Benedikt XIV. und Clemens XIII. an Amort abgedruckt. Ein ausführliches Register rundet das positive Bild ab. Der Autorin gelingt eine sensible und überzeugende Darstellung des umfassend gelehrten und streitbaren Augustiner-Chorherrn Eusebius Amort. Damit liefert sie einen wertvollen Beitrag zu einem Protagonisten der "Katholischen Aufklärung" in Bayern. Auch die unterschwellige Sympathie der Autorin zugunsten der von Amort repräsentierten theologischen Positionen tut der qualitativ anspruchsvollen Monografie keinen Abbruch.
Heinrich Lang