Eva Maria Werner: Die Märzministerien. Regierungen der Revolution von 1848/49 in den Staaten des Deutschen Bundes (= Schriften zur politischen Kommunikation; Bd. 2), Göttingen: V&R unipress 2009, 337 S., ISBN 978-3-89971-510-1, EUR 46,90
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"Durch die Ernennung des neuen Ministeriums gewinne ich Zeit und vermeide blutige Szenen." Die Aussage des württembergischen Königs Wilhelm I. deutet an, welche Rolle die Märzminister 1848 in den deutschen Bundesstaaten spielen sollten. Sie wurden von den Monarchen ernannt, um eine Radikalisierung der hauptsächlich auf Reformen zielenden Bürgerrechtsbewegung zu verhindern. Die neu eingesetzten Minister agierten in einer schwierigen Situation zwischen den Landesfürsten, die weiterhin die Staatsgewalt innehatten, und der Revolutionsbewegung, die von ihnen die Verwirklichung von Grundrechten und die Gestaltung eines freiheitlichen Nationalstaats erwartete.
Eine vergleichende Studie über die 133 Märzminister, die in 25 von 36 Bundesstaaten ernannt wurden, fehlte bislang. Eva Maria Werner geht in ihrer Dissertation folgenden Leitfragen nach: Unter welchen Bedingungen wurden die Märzminister ernannt? Welchen sozialen und politischen Hintergrund hatten die neuen Minister? Wie regierten sie im Spannungsfeld zwischen Monarchen, Volksvertretungen und der außerparlamentarischen Revolutionsbewegung? Werner untersucht nicht nur die Revolutionsjahre, sondern die gesamte Amtszeit der neuen Minister, die zum Teil bis 1851 regierten. Die ersten beiden Kapitel beziehen alle Bundesstaaten ein. Für die Analyse der politischen Praxis wählte Werner vier Bundesstaaten aus: das Fürstentum Lippe-Detmold, die Königreiche Hannover und Württemberg sowie das Kaiserreich Österreich. Die Auswahl wird vorwiegend mit der Quellenlage begründet, weil für die Märzminister Moritz Leopold Petri, Johann Carl Bertram Stüve, Johann Freiherr von Wessenberg und Friedrich Römer, auf die sich das dritte Kapitel konzentriert, persönliche Aufzeichnungen vorliegen.
Die Autorin ordnet ihre Arbeit der Neuen Politikgeschichte zu, die politische Akteure in ihrem sozialen Kontext analysiert. Methodisch verknüpft sie die Darstellungsweise einer konventionellen Politik- und Organisationsgeschichte mit Ansätzen der kollektiven Biografie und der Wahrnehmungsgeschichte. Die Studie lenkt das Augenmerk auf ein zentrales Element der politischen Kommunikation: das Vertrauen zwischen Bürgern und Politikern. Dieses komplexe Phänomen wäre indes schärfer konturiert worden, hätte Werner ihre Studie mit einer eingehenden Analyse der Forderung nach "Männern des allgemeinen Vertrauens" begonnen, die im Frühjahr 1848 auf vielen Bürgerversammlungen erhoben wurde. Was bedeutete dieser Wunsch konkret? Welche Eigenschaften wurden Politikern zugeschrieben, die Misstrauen erzeugten und deren Absetzung gefordert wurde? Anstatt die Beantwortung dieser Fragen als Ausgangspunkt zu wählen, werden sie im ersten Kapitel über die Bildung der Märzregierungen durchgängig reflektiert, was viele Wiederholungen bedingt.
Im ersten Teil der Studie unterscheidet Werner die Bundesstaaten nach sechs Gruppen. Sie interessiert sich vorwiegend für die Frage, ob 1848 gänzlich neue Regierungen gebildet wurden oder ob neben den Märzministern weiterhin Minister aus dem Vormärz amtierten. Regierten die neuberufenen Minister dauerhaft oder gab es mehrere Kabinettsumbildungen? Unterteilt nach diesen Kriterien wird Bundesstaat für Bundesstaat chronologisch abgehandelt. Vergleiche beziehen sich in der Regel auf das zuvor genannte Beispiel. Die staatenübergreifende Revolutionsdynamik und die bundesweite Ausstrahlung einzelner Konflikte geraten so völlig aus dem Blick.
Die detaillierte Beschreibung erhellt jedoch die besondere Choreografie der Kabinettsumbildungen und ihre Bedeutung für die innerstaatliche Revolutionsdynamik. Die Autorin schildert, unter welchen Bedingungen ein Monarch der Forderung nach einem personellen Neubeginn entsprechen musste, um die Radikalisierung der Bürgerbewegung zu verhindern. In der Berücksichtigung der öffentlichen Meinung bei der Ernennung neuer Minister 1848 sieht Werner eine neue Qualität der politischen Kommunikation. Als "Männer des allgemeinen Vertrauens" wurden häufig liberale Oppositionsführer aus dem Vormärz gesehen, die nicht als Vertreter des repressiven Systems, sondern als Garanten für Bürgerrechte und die Gestaltung eines freiheitlichen Nationalstaats galten. Durch die Ernennung eines "liberalen Vorkämpfers" zum Märzminister konnte ein Monarch ein "Signal für den Beginn einer neuen Zeit" geben, auch wenn durch den Verbleib mehrerer Vormärzminister im Kabinett personelle Kontinuität vorherrschte.
Im zweiten Kapitel untersucht Eva Maria Werner die soziale Herkunft, die Generationszugehörigkeit, die Ausbildung, den beruflichen Werdegang und die politischen Erfahrungen der Märzminister. Die biografischen Daten offenbaren: Die neuen Minister waren keine Gegenelite. Nur rund 16 Prozent besaßen einen beruflichen Hintergrund, der für Minister ungewöhnlich war. Die Mehrheit hatte eine Laufbahn in Justiz und Verwaltung absolviert. Herkunft, Ausbildung und Laufbahn legten eher eine Distanz zu unterbürgerlichen Schichten und ein positives Verhältnis zum Staat nahe. Neben liberalen Vorkämpfern gab es auch eher unpolitische Minister. Nur wenige Märzminister hatten sich im Vormärz durch den Abschied aus dem Staatsdienst eine größere politische Unabhängigkeit verschafft.
Obwohl sich jeweils nur eine Minderheit in liberalen Netzwerken, Burschenschaften oder geselligen Vereinigungen engagiert hatte, verknüpft Werner ihre Daten so geschickt, dass schließlich fast 40 Prozent der Märzminister auf ein politisches Engagement im Vormärz zurückblicken können. Diesen Erfahrungen und der Parlamentszugehörigkeit weist Werner eine Schlüsselrolle für die Eignung der Politiker als "Männer des allgemeinen Vertrauens" zu. Sie untersucht aber nicht, wie sich Märzminister, die im Vormärz den Landtagen angehörten, dort explizit für die Verwirklichung von Grundrechten engagiert und dadurch das Vertrauen von Bürgern gewonnen hatten. Das politische Profil, das die Autorin vielen Märzministern zuschreibt, bleibt blass für die Zeit vor 1848.
Im dritten Kapitel erörtert Eva Maria Werner kritisch, ob sich die Minister tatsächlich als Garanten der Bürgerrechte erwiesen. Die Märzminister waren keine zupackenden Reformer. Sie übernahmen ihr Amt eher widerwillig, sahen ihre Regierungszeit als Zwischenspiel und litten unter der Schwere der Aufgaben. Die Autorin charakterisiert die Minister als unsicher, defensiv, abwartend, zwischen Monarch, Volksvertretungen und außerparlamentarischer Revolutionsbewegung lavierend, auf alle Seiten Rücksicht nehmend. Sie sahen sich nicht als Revolutionäre. Es ging ihnen vielmehr darum, die staatliche Ordnung und die Monarchie vor radikalen Bestrebungen zu schützen.
Anschaulich zeigt die Autorin die Grenzen liberaler Politiker auf. Friedrich Römer scheute sich nicht, Landtagswahlen nach vormärzlichem Recht abzuhalten und dadurch Wählerkreise auszuschließen. Johann Carl Bertram Stüve erreichte zwar durch rasches Agieren eine Verfassungsreform, erkannte aber im Gegensatz zu Römer und Moritz Leopold Petri den Grundrechtskatalog der Frankfurter Nationalversammlung nicht an. Er neigte überdies zu einem repressiven Umgang mit der Presse, versuchte kritische Artikel zu unterdrücken und lancierte anonyme Artikel in regierungsfreundlichen Zeitungen. Römer hingegen, der sich für die Anerkennung der Reichsverfassung in Württemberg engagierte, nutzte die Presse, um mit namentlich gezeichneten Erklärungen für die Regierungspolitik zu werben.
Werner schließt, dass es den Märzministern nicht gelang, das Vertrauen der Öffentlichkeit dauerhaft zu erhalten. Es wäre sehr interessant gewesen, in einem abschließenden Abschnitt genauer zu erfahren, wie die Politik der Märzminister von der Bevölkerung beurteilt wurde. Werner belässt es zum Beispiel bei dem Hinweis, die militärische Auflösung der Nationalversammlung in Stuttgart im Juni 1849 hätte Römer "zahlreiche Sympathien" gekostet. An den Briefen, die Friedrich Römer nach diesem Akt erhielt, hätte Eva Maria Werner die Qualität des Vertrauens aufzeigen können, das Bürger Politikern 1848 entgegenbrachten, um es ihnen dann wieder zu entziehen. Der Wechsel von Idealisierung und hohen Erwartungen zu bitterer Enttäuschung offenbart, wie wenig realistisch Ziele und Handlungsräume von Politikern eingeschätzt wurden.
Sabrina Müller