Robert Baer: The Devil We Know. Dealing with the New Iranian Superpower, New York: Crown Publishing Group 2008, VI + 279 S., ISBN 978-0-307-40864-8, USD 25,95
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Schon ein Blick ins Register zeigt, dass Robert Baer ein Buch über Iran vorlegt, das sich bewusst vom herrschenden Iran-Diskurs in den westlichen Medien abhebt. Das iranische Atomprogramm, die persische Zivilgesellschaft und selbst der Palästina-Konflikt sind nicht die zentralen Bezugspunkte von "The Devil We Kow", weder Mohammed al-Baradei noch Akbar Gandji werden auf 260 Seiten erwähnt, und selbst Schirin Ebadi, die Friedensnobelpreisträgerin von 2003, wird mit kompletter Nichtbeachtung bedacht. Worüber, so könnte man sich fragen, schreibt Baer dann überhaupt noch, wenn die üblichen Verdächtigen fehlen?
Einige zentrale Axiome schreibt uns der Autor auf den ersten Seiten ins Gedächtnis: Die USA befänden sich bereits in einem Krieg mit Iran und hätten diesen Krieg schon fast verloren. Iran verfolge eine nationalistische Politik mit dem Ziel der Vorherrschaft am Persischen Golf und "defining Iran's imperial drive is the subject of this book" (5). Die Methode der Untersuchung ist ein Blick auf die Peripherie, "where empires are historically best observed" (5) und so nimmt Baer den Leser mit auf einen Rundgang durch die letzten Jahrzehnte und den Erfolg der iranischen Außenpolitik: Irak sei dank der kurzsichtigen Kriegspolitik George W. Bushs bereits zu großen Teilen unter iranischer Kontrolle, schon heute halte Iran die Hand auf die Förderung und den Export großer Teile des irakischen Erdöls sowie auf die schiitischen Pilgerstätten Nadschaf und Kerbala. Afghanistan, oder zumindest der Westen des Landes um die Provinz Herat, habe sich zum Vorhof der Islamischen Republik Iran entwickelt. Der Libanon sei seit 1982 auf Grund der Stärkung der Hezbollah durch die Pasdaran, die iranischen Revolutionsgarden, immer mehr zum Spielball der Teheraner Machthaber geworden - eine Taktik, die Teheran seit 2003 ebenfalls als Matritze für das erfolgreiche Vorgehen im Irak nutze. Bahrain schließlich, die ehemals persische Insel vor der Küste Saudi-Arabiens, wisse sich der persischen Einflussnahme - wenn nicht gar der Annektion - kaum lange Zeit zu erwehren. Auch Syrien, die Türkei und die Petrokratien der arabischen Halbinsel seien in die Defensive gedrängt. Europa und Amerika hingegen seien schon heute wenn nicht direkt vom iranischen Öl und Gas, so doch von den iranisch kontrollierten Korridoren abhängig, durch die unser Energiebedarf gedeckt wird (Straße von Hormuz, Gaspipelines). Ergo: Unbemerkt sei Iran auf dem Wege und kurz vor dem Ziel, sich zum "first Middle Eastern empire since the Ottomans" (54), gar zum ersten "hydrocarbon empire" der Weltgeschichte zu entwickeln, weil die westlichen Mächte auf die Potemkinschen Atomanlagen zwischen Karaj und Buscheer starren oder auf eine Implosion des Staates, angestoßen durch inneriranische Reformen, warten. Die Strategie von Khomenei und Khamene'i sei aufgegangen: eine antikolonialistische, antiwestliche Rhetorik verhelfe dem Iran, die ideologischen Gräben zwischen Schiiten und Sunniten zu schließen, während man sich selbst die Hände nicht durch Besatzung dreckig macht, sondern den eigenen Einflussbereich durch das, was Baer "rule by proxies" nennt, erweitert. Die adäquate Reaktion der USA auf diese Entwicklung sei eine "détente" der Beziehungen zu Iran, rät Baer. Nur die "Iran myopia" der letzten US-Regierungen, die Befangenheit in alten Begriffen und Vorstellungen von Iran, habe diese Entspannung und Rückkehr zu einem realpolitischen Ansatz verhindern können. Die USA sollten Iran und dessen Ansprüche in der Region ernst nehmen und auch vor Konzessionen nicht zurückscheuen (Zusammenarbeit in Irak und in der Straße von Hormuz, Umsetzung der UN-Resolution 242, Koadministration von Mekka und Medina in Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien u.v.m.). Großer Leidtragender dieser außenpolitischen Umwälzung wären die sunnitischen Araber, weiß Baer, doch diese seien eh zahnlose Tiger, die im Luxus schwelgten anstatt verlässliche Partner in der Region darzustellen: "Unless things drastically change, Iran holds more promise than the Sunni as someone we can talk to" (197).
Die Neigung Baers zum großen Wurf, die besonders im letzten Viertel des Buches hervortritt, erklärt sich vielleicht daraus, dass es dem Autor als pensioniertem CIA-Agenten, nicht (mehr) um das kurzfristig Machbare geht, nicht um diplomatische Feinheiten, sondern um die konzeptuelle Gesamtschau. Diese Gesamtschau trägt zuweilen den Charakter einer politischen und historischen Analyse, manchmal den eines persönlichen, anekdotischen Erfahrungsberichts und in seinen besten Momenten den eines klugen Essays. Die Nachteile dieses formal offenen Schreibansatzes sind allerdings vielfältig. Oft mag der Leser sich fragen: Woher weiß der Mann das? Und da er seine Quellen nicht angibt, wieso sollte ich es ihm glauben? Auch die Neigung zu knapp formulierten, parataktisch gereihten Aussagen (z.B.: "All foreign visitors [to Iran] are seen as potential spies") mag das Vertrauen des Lesers nicht wachsen lassen. Besonders problematisch ist jedoch Baers Ignoranz gegenüber den Problemen, die Iran an der "Heimatfront" begegnen und die das Land in seinem Weg zur Großmacht aufhalten. Ein "hydrocarbon empire", in dem seit dem 27. Juni 2007 die Benzinausgabe an den Tankstellen rationiert ist (100 Liter pro Autofahrer pro Monat), weil nicht genügend Raffinerien gebaut wurden? Auch die hohe Arbeitslosenquote und die kräftige Inflation machen einer Bevölkerung zu schaffen, die seit Mitte der 90er Jahre immer wieder offen gegen die Regierung opponiert. Baer nennt diese Probleme zwar, schiebt sie jedoch mit dem Argument beiseite, sie seien Geburtswehen gleich, die bald vorüber gingen (Benzinrationierung, wirtschaftliche Probleme) oder unerheblich (Zivilgesellschaft), da nicht davon auszugehen sei, dass sich die iranische nationalistische Strategie nach einer Änderung der politischen Strukturen in Teheran wandeln werde.
An der Peripherie hat Iran in der Folge des 11.9.2001 an Bedeutung gewonnen, doch die hausgemachten Probleme im Inneren des Landes bleiben bestehen. Dies in gebührender Breite in seine Analyse einzuschließen, hat der Autor leider versäumt. Trotzdem bleibt "The Devil We Know" eine interessante Lektüre, da Baer den Blick auf die eigene Wahrnehmung eines Landes schärft, das mit den gängigen Kategorien von "Islamofaschismus" oder "Theokratie" nicht adäquat beschrieben werden kann.
Jan Aengenvoort