Rezension über:

Eberhard Schaich / Heinrich Strecker (Hgg.): Dr. rer. pol. 175 Jahre Promotionen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die 300 Promotionen der letzten 25 Jahre, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, 404 S., ISBN 978-3-515-09240-1, EUR 56,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Matthias Glasow
Forschungsstelle Universitätsgeschichte, Rostock
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Glasow: Rezension von: Eberhard Schaich / Heinrich Strecker (Hgg.): Dr. rer. pol. 175 Jahre Promotionen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die 300 Promotionen der letzten 25 Jahre, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 5 [15.05.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/05/17198.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Eberhard Schaich / Heinrich Strecker (Hgg.): Dr. rer. pol.

Textgröße: A A A

Kollektivbiografische Arbeiten gehören schon lange zu einer gewissen Selbstverständlichkeit von Universitäten und einzelnen Fachdisziplinen. Davon zeugen nicht nur die seit Ende des 19. Jahrhunderts erschienenen Matrikeleditionen der unterschiedlichsten Universitäten, die als Grundlage universitätsgeschichtlicher Forschung dienen. Hinzu kommt noch eine große Anzahl von Professorenkatalogen und Promotionsverzeichnissen. Sie alle dienen dem Zweck, den personellen Aufbau verschiedenster Institutionen zu rekonstruieren und zu konservieren.

Das hier zu behandelnde Buch bildet mit den 1984 bzw. 2004 erschienenen biografischen Übersichtswerken zur Geschichte der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Tübingen [1], eine "Einheit" (9). Dieser dritte Band steht in Verbindung mit dem 190-jährigen Jubiläum der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Tübingen 2007 und dem 175. Jahrestag des akademischen Titels Dr. rer. pol. und seiner Namensvarianten im Jahr 2009.

Diese Fortsetzung des ersten Doktorenbuches liefert für den Zeitraum von 1985 bis 2009 Biografien der 300 Tübinger Doctores rer. pol. und sechs Nachträge der zum Erscheinungsdatum noch laufenden Promotionsvorhaben. Es bietet des Weiteren biografische Beiträge von sieben Ehrendoktoren, zwei Honorarprofessoren, sechs neu berufenen Professoren und drei Juniorprofessoren, womit es ebenfalls den 2004 erschienenen Professorenkatalog ergänzt.

Auf den einführenden Seiten (9-20) liefern die Verfasser einen kurzen Überblick über die Promotionen des behandelten Zeitraums, bspw. nach der Einführung des Studiengangs Betriebswirtschaftslehre an der Tübinger Universität im Jahr 1981 und der deutlichen Verschiebung des Schwerpunktes innerhalb der Fakultät in diese Fachrichtung, was sich vor allem an den Promotionsthemen erkennen lässt. Weiterhin wagen beide einen kurzen Ausblick in die Zukunft, die nach der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse und der vermehrten Einführung von Graduiertenkollegs eine neue Entwicklung offenbart, welche für beide Autoren Grund zur Sorge annehmen lässt. Sie befürchten, dass sich zukünftig lediglich der wissenschaftliche Nachwuchs promovieren lässt, während die restlichen Absolventen weder Zeit noch die geringe finanzielle Absicherung in Kauf nehmen und ohne die Promotion ihren Weg in die Berufswelt gehen werden.

Statistische Auswertungen dürfen auch in diesem biografischen Übersichtswerk nicht fehlen und so widmen sich die Verfasser auf wenigen Seiten (15-18) kurzen Darstellungen zur bspw. Anzahl der jährlich Promovierten und ihrer regionalen und fachlichen Zuordnung. Das Alter, die gesellschaftliche Herkunft, die Veränderung der Dissertationsthemen, die berufliche Entwicklung und ihr weiterer Lebensweg runden das Gesamtbild ab.

Die Grundlage der biografischen Angaben lieferten die Promovierten selbst. Die Ausführlichkeit der Einträge war somit jedem Beteiligten überlassen. Die Fragebögen beinhalteten Punkte zum Tag der Disputation, bzw. des Rigorosums / der Ausstellung des Doktordiploms, zum Dissertationsthema, zum Betreuer, zu den persönlichen Angaben, zum Studium, zur Berufstätigkeit, zu Stipendien, Preisen, Mitgliedschaften, Publikationen etc. und schließlich zur E-Mail-Adresse und einem Internetauftritt (19). Bei der Beantwortung der Fragebögen zeigten sich erwartungsgemäß quantitative Unterschiede. Der Großteil der Doctores beansprucht eine Buchseite für sich, größere Einträge nehmen zwei Seiten ein.

Die Zielgruppe des Werkes ist ziemlich schnell auszumachen, welche sich wohl auf ein Fachpublikum beschränken wird, das in direkter oder indirekter Beziehung zur Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät steht, also zumeist Emeriti, Alumni, Kollegen, Schüler und Lehrer. Mit dem Doktorenbuch wollen die Autoren die berufliche Wirkung des Studiums und der Promotion zeigen. An dieser Stelle offenbart der Band auch seine entscheidende Schwäche, die schlicht und einfach darin begründet ist, dass es in Buchform erschienen ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die jeweiligen Biografien weiterentwickeln und neue Wege einschlagen. Das ist nicht unbedingt zwangsläufig, aber gerade im hier behandelten Werk zu einem großen Teil zu erwarten. Eine nicht geringe Anzahl der präsentierten Doctores steht noch am Anfang der beruflichen Karriere. Daher ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass schon in kurzer Zeit ein Aktualitätsproblem des Bandes auftreten wird. Bereits beim Schreiben dieser Rezension konnte der Verfasser durch Stichproben feststellen, dass erste angegebene Internetlinks nicht mehr funktionieren (bspw. 135, 238) oder nicht mehr aktuell sind (360). Was die entsprechenden E-Mail-Adressen angeht, muss man wohl gleiches befürchten. Es ist zwar in Zeiten von Google und Co. nicht unbedingt schwierig entsprechende Nachforschungen nach dem Verbleib der Person anzustellen, jedoch offenbart eben dies die Schwäche der gewählten Buchform. Der Problematik schienen sich die Autoren bewusst, finden sich doch im Anhang (363ff.) fortgeschriebene Biografien aus dem ersten Doktorenbuch, wobei an dieser Stelle nicht zu vergessen ist, dass diese Ergänzungen 25 Jahre Zeit brauchten.

Neben dem Aktualitätsproblem besteht noch ein weiteres Manko, nämlich das der Auswertung. Als ein Analyseinstrument, das der wissenschaftlichen Auswertbarkeit der Biografien dienen könnte, wäre eine elektronische Datenbank von Vorteil gewesen (die im Übrigen auch die Aktualisierung einfacher gestalten könnte), die bspw. die Sozialstruktur darstellen oder die Karriereverläufe vergleichbar machen könnte. Das alles ist durch die gewählte Buchform nicht unmöglich geworden, aber um vieles aufwändiger. Kaum ein interessierter Leser wird sich so die Mühen machen und detaillierte Vergleiche und Auswertungen anstellen.

"Es ist schön, der Gegenwart zu gefallen, besser aber ist es, der Zukunft zu genügen." (10) zitieren die Verfasser im Vorwort des Bandes. Es ist daher schade, dass sie den Leitsatz nicht gänzlich für diese Arbeit übernehmen konnten.

Die geschilderten Mankos dürfen aber nicht über die Gesamtleistung hinwegtäuschen. Die Ausführlichkeit der Beiträge, die bereits in den ersten beiden Bänden zur Tübinger Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät bemerkenswert ist, wurde auch in diesem Band wieder erreicht, was nicht unbedingt zu erwarten ist, wenn die Daten der präsentierten Biografien von den jeweiligen Personen selbst zur Verfügung gestellt werden müssen. Ebenfalls ist die Fortsetzung des Professorenbandes lobenswert und sinnvoll. Den Verfassern gelang somit ein kollektivbiografisches Werk, das, gekennzeichnet durch Fleiß und Akribie, einen weiteren Teilabschnitt der personellen Gesamtdarstellung der Tübinger Wirtschaftswissenschaften liefert.


Anmerkung:

[1] Immo Eberl / Helmut Marcon: 150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen. Biographien der Doktoren, Ehrendoktoren und Habilitierten 1830-1980 (1984), Stuttgart 1984, sowie Helmut Marcon / Heinrich Strecker (Hgg.): 200 Jahre Wirtschafts- und Staatswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Leben und Werk der Professoren. Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen und ihre Vorgänger (1817-2002), 2 Bände, Stuttgart 2004.

Matthias Glasow