John D. Grainger: The Cities of Pamphylia, Oxford: Oxbow Books 2009, XV + 279 S., ISBN 978-1-84217-334-3, GBP 30,00
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Pamphylien, die an der Südküste der heutigen Türkei gelegene und unzähligen Sonnentouristen als "türkische Riviera" bekannte Region, gehört zu den am besten durch archäologisch-epigraphische Surveys und Ausgrabungen erschlossenen Gebieten der antiken Mittelmeerwelt. Hervorgehoben seien nur die langjährigen Ausgrabungen in Side (Arif M. Mansel) und Perge (Haluk Abbasoğlu, Wolfram Martini), die in der Reihe "Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien" publizierten epigraphischen Corpora von Side und Perge sowie die in jüngster Zeit publizierten Gesamtdarstellungen aus den Federn des Rezensenten und Frank Kolbs [2] sowie von Gaetano Arena. [3] Insofern liest man als Kenner der (Forschungs-) Landschaft zunächst mit einiger Verwunderung, dass John D. Grainger die Vorlage eines neuen Buches über die Siedlungen Pamphyliens damit begründet, dass dieses Gebiet bislang relativ unerforscht sei (XIV). Grainger möchte daher laut eigener Aussage (XV) den Versuch unternehmen, die Geschichte Pamphyliens zu rekonstruieren, und er will dabei insbesondere auf die Einwirkungen überregionaler Herrschaftsformen (vor allem des Perserreiches, hellenistischer Königreiche, des römischen Kaiserreiches) auf das städtische Leben in Pamphylien eingehen.
Gemäß seinem primär ereignisgeschichtlich orientierten historischen Ansatz unternimmt Grainger in zehn chronologisch strukturierten Kapiteln einen Durchgang durch die gesamte pamphylische Geschichte von der Frühzeit (späteres 2. Jahrtausend v. Chr.) nicht nur bis in die Spätantike, sondern sogar unter Einschluss der nachantiken Jahrhunderte "from the Arab invasions to the Turkish conquest, that is, from about AD 650 to about 1200" (228).
Im ersten Kapitel (1-14) handelt Grainger die pamphylische Frühgeschichte und damit die Zuwanderung griechischer Siedler ab, die insbesondere durch später konstruierte mythologische Überlieferungen eher vernebelt als erhellt wird. Am ehesten sind hier archäologische und sprachgeschichtliche Forschungen ergebnisträchtig, ferner die - von Grainger herangezogenen - Ergebnisse jüngerer Forschungen zur Geographie Anatoliens in der Hethiterzeit.
Kapitel zwei (15-41) gilt den neuen städtischen oder stadtähnlichen Siedlungen Pamphyliens (seit etwa 700 v.Chr.). Trotz fehlender gesicherter Evidenz bringt Grainger immer wieder den Mut auf, mutige Hypothesen und dezidierte Stellungnahmen zu formulieren. So postuliert er, dass Side schon vor der (wohl im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. erfolgten) Landnahme durch kymäische Siedler "a fully organized urban community" (18) gewesen sei, und stellt (32ff.) kühne Kalkulationen der Bevölkerungszahlen einzelner Siedlungen und Pamphyliens insgesamt zur Diskussion. Das in jüngerer Zeit von Mustafa Adak erforschte Olbia [4] lokalisiert Grainger dabei fälschlicherweise weiterhin bei Gurma statt in der Nähe von Kemer.
Nach der in Kapitel drei (42-68) behandelten Lyder- und Perserzeit geht es im vierten Abschnitt (69-84) um die Eroberung Pamphyliens durch Alexander den Großen und deren unmittelbare Folgen, bevor in einem separaten Kapitel fünf (85-108) die nun auch archäologisch deutlicher fassbare griechische Polis- und Siedlungskultur im hellenistischen Pamphylien in den Blick genommen wird.
Mit dem sechsten Kapitel (109-135: "The Effects of Antiochos III") begibt sich Grainger auf ein kompliziertes Terrain: die Numismatik des hellenistischen Kleinasien. Gegen die ausführlich begründeten, von ihm gar nicht diskutierten Ergebnisse von Christof Boehringer [5] postuliert Grainger die Existenz einer einheitlichen, von den pamphylischen Poleis benutzten Ära und einer Art pamphylischer Münzliga.
Ab dem siebten Kapitel (136-151) widmet sich Grainger der neuen Ordnungsmacht in Kleinasien, den Römern, die in Pamphylien insbesondere wegen der sich ausbreitenden Piratenplage auf den Plan traten. Im Effekt bedeutete dies das baldige Ende städtischer Freiheit in Pamphylien, das bereits in einem bedeutenden epigraphischen Text greifbar wird, den Grainger erstaunlicherweise gar nicht zu kennen scheint: im Zollgesetz der Provinz Asia von 75 v. Chr., in dessen Geltungsbereich alle pamphylischen Poleis mit Meereszugang einbezogen wurden. [6]
Die Siedlungen und Einwohner Pamphyliens wurden somit zu "imperial subjects", wie das achte und zugleich umfangreichste Kapitel des Buches (152-190) betitelt ist. Leider häufen sich hier Unzulänglichkeiten und Fehler, von denen nur wenige genannt seien. Die hochumstrittene, gerade in der jüngsten Forschung sehr kontrovers diskutierte Frage, ob bereits im Jahre 43 n.Chr. die Doppelprovinz Lycia et Pamphylia eingerichtet wurde (oder zunächst eine separate Provinz Lycia), wird von Grainger (155) ignoriert, und in seiner Interpretation der Aquäduktinschrift von Aspendos aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. (IGR III 804) zieht er aus der Fehldeutung der Tribusangabe Quirina als cognomen des Stiftersohnes falsche Schlussfolgerungen (167). Den von den Brüdern Demetrios und Apollonios zu Ehren Domitians in Perge errichtete Bogen (IvPerge Nr. 56) verlegt Grainger als "triumphal arch" zu Ehren des Germanicus nach Aspendos (182), und trotz der recht gut rekonstruierbaren, von Helmut Halfmann [7] erhellten Reiseroute Hadrians in Lykien und Pamphylien mit wahrscheinlichen Aufenthalten des Kaisers in Perge, Attaleia und Phaselis schreibt Grainger (182f.): "Even the travelling emperor Hadrian is not actually known to have visited the area."
Mit Kapitel neun (191-205) nähert sich Grainger der Spätantike und damit der zunehmenden Christianisierung auch dieser Region des römischen Reiches. Er hebt etwa für Perge die hohe Zahl nachgewiesener christlicher Kirchen hervor (196f.), in einer Stadt, "in which no temples existed in the imperial period, for it was always overshadowed by the temple of Artemis" (196). Auch diese Äußerung ist unrichtig, denn natürlich hat es im kaiserzeitlichen Perge Tempelbauten gegeben.
Kapitel zehn (206-228) schließlich beschreibt in einem raschen Marsch durch sechs Jahrhunderte (600-1200 n.Chr.) das Ende des genuin antiken Pamphylien, und in seinen Schlussbemerkungen (229-232) bekräftigt Grainger seine Auffassung, derzufolge Pamphylien allenfalls ein Randgebiet der antiken Oikumene darstellte, was der Region aber eher zum Vorteil gereicht habe, da sie sich aus diesem Grund relativ unbehelligt habe entwickeln können. Auch dieses Fazit lädt zum Widerspruch und zur Skepsis gegenüber einem Buch ein, dessen gravierendes Defizit leider darin besteht, einen großen Teil der antiken Evidenz und der modernen Forschung nicht zur Kenntnis oder wenigstens in angemessener Weise in die Diskussion einbezogen zu haben.
Anmerkungen:
[1] Johannes Nollé: Side im Altertum I-II, Bonn 1993/2001 = IvSide; Sencer Şahin (Hrsg.): Die Inschriften von Perge I-II, Bonn 1999/2004 = IvPerge.
[2] Hartwin Brandt / Frank Kolb: Lycia et Pamphylia, 2. Auflage, Mainz 2006.
[3] Gaetano Arena: Città di Panfilia e Pisidia sotto il dominio romano, 2. Auflage, Catania 2005.
[4] Mustafa Adak: Olbia in Pamphylien - die epigraphische Evidenz, Gephyra 3, 2006, 1-28.
[5] Christof Boehringer: Zur Chronologie mittelhellenistischer Münzserien 220-160 v.Chr., Berlin 1972, 52-72.
[6] Helmut Engelmann / Dieter Knibbe: Das Zollgesetz der Provinz Asia, Bonn 1989.
[7] Helmut Halfmann: Itinera principum, Stuttgart 1986, 131, 208.
Hartwin Brandt