Rezension über:

Werner Hechberger / Florian Schuller (Hgg.): Staufer und Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im Hochmittelalter, Regensburg: Friedrich Pustet 2009, 280 S., ISBN 978-3-7917-2168-2, EUR 24,90
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Rezension von:
Gerhard Lubich
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Dendorfer
Empfohlene Zitierweise:
Gerhard Lubich: Rezension von: Werner Hechberger / Florian Schuller (Hgg.): Staufer und Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im Hochmittelalter, Regensburg: Friedrich Pustet 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 6 [15.06.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/06/15715.html


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Werner Hechberger / Florian Schuller (Hgg.): Staufer und Welfen

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Auf den ersten Blick erscheint es wie eine Ironie der Geschichtswissenschaft und ihres Betriebs: Ausgerechnet derjenige Forscher, der im Rahmen seiner Dissertation die "Staufer" und "Welfen" als brüchige moderne Konstruktion entlarvt hat [1], ist Mitherausgeber eines Sammelwerks, das im Titel die von ihm so kritisch hinterfragten Parameter führt. Die Einleitung macht jedoch deutlich, dass es sich hierbei weder um einen Widerruf noch um eine Selbstdemontage handelt. Schließlich thematisiert das zu besprechenden Werk nicht die mögliche Konstitution von Familienverbänden als politische Handlungseinheiten und deren Kontinuität, sondern - sofern nicht einzelnen Personen gewidmet - "die Bewertung der Auseinandersetzung zwischen einzelnen Staufern und Welfen" (8). Der Rekurs auf die "Fremdheit des Mittelalters" und die grobe Skizzierung und Einordnung der modernen Forschung deutet überdies an, dass weniger spezialisierte Forschungsdebatten, denn pointierte Darstellungen bekannter Sachverhalte unter Berücksichtigung neuer Perspektiven zu erwarten sind. Diesem Ziel entsprechend sind die Beiträge, Referate einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern (2008), chronologisch geordnet und orientieren sich an den bekanntesten Protagonisten der Stauferzeit; einige wenige thematisch-strukturelle Beiträge skizzieren Aspekte des Hintergrundes. Bei aller Aktualität der Perspektiven fällt auf, dass ganz in der Art des ältesten, auf Barbarossa und seine Nachfahren fixierten Bildes die Zeit Konrads III. ausgespart wurde, der jüngst in der Forschung wieder stärker behandelt und in einer Göppinger Staufertagung gewürdigt wurde [2] - ein gewünschter Synergieeffekt?

Der Band beginnt mit zwei Annäherungen, einerseits einer landesgeschichtlichen (Manfred Weitlauff: Das 'welfische Jahrhundert' in Bayern und sein kirchengeschichtlicher Hintergrund", 11-29), andererseits einer chronologischen. Hierzu stellt Bernd Schneidmüller (30-49) nach allgemeinen Überlegungen zur Nachfolge im Königsamt, Beobachtungen zur politischen Situation des Jahres 1125 und quellenkritischen Abwägungen die Wahl Lothars von Süpplinburg als Eröffnung eines "Wettbewerbs" zwischen führenden Großen dar (49). Auch seine Überlegungen bezüglich der "Innovationspotentiale eines mittelalterlichen Fürsten", in diesem Falle: Heinrichs des Löwen (51-65), profilieren das Erklärungsmodell der "konsensualen Herrschaft", diesmal mit Hinblick auf das Problemfeld "Konsens und Hierarchie". Der wohl prominenteste Welfe und die "radikal anmutende Modernität seines Herrschaftsverständnisses" (65) erscheinen als Vorläufer der spätmittelalterlichen Verhältnisse. Der Föhringer Brückenstreit und seine Akteure werden mit Hinblick auf die Entwicklung Münchens von Rudolf Schieffer (67-77) thematisiert.

Friedrich Barbarossa und dem früher als gleichsam "geborenen Gegenspieler" betrachteten Welfen Heinrich dem Löwen widmen sich zwei Beiträge aus der Feder von Knut Görich. Stellt der erste Beitrag ("Konflikt und Kompromiss: Friedrich Barbarossa in Italien", 79-97) vom Grundsatz her eine Variation bereits vorher geäußerter Auffassungen dar (was der Verfasser selbst in den Endnoten anführt und konsequent zumeist nur auf Quellen verweist), so entwirft er in seinen Überlegungen zum Sturz Heinrichs des Löwen (99-117) das Bild, Barbarossa habe weniger von sich aus denn auf Druck der Fürsten den Welfen vollständig entmachtet. Abschließend wird die Möglichkeit angedacht, die letztlich nicht eindeutig verifizierbare Begegnung von Chiavenna sei eine nachträglich konstruierte Reduktion auf einen Konflikt zwischen den beiden Hauptakteuren, die eine der Zeit verständlichere persönliche Motivation denn komplexe politische Zusammenhänge nahe legte - eine etwas andere Begründung für "Chiavenna als Implantat", als sie bereits Johannes Fried geliefert hatte. [3] Auch bei Willibald Sauerländer stehen Barbarossa und Heinrich der Löwe im Zentrum der Betrachtung (119-140); die Frage nach einem Bezug zur Dynastie bei dem "dynastischen Mäzenatentum" wird anfänglich allein mit Bezug auf die Nomenklatur der Kunstgeschichte problematisiert (120).

Einer Neubewertung Kaiser Heinrichs VI. unternimmt Gerd Althoff, der das in der älteren Forschung immer wieder gezeichnete Bild eines Willkürherrschers mit Charakterschwächen dahingehend korrigiert, dass er auf die Einbindung der herrscherlichen Handlungen in die "Spielregeln" und Rituale der Zeit verweist (143-155). Weniger persönliche Defizite als "soziale Logik" sind damit als Triebfedern auszumachen. Die internationalen Verkettungen der Doppelwahl des Jahres 1198 schildert Peter Csendes (157-171); deren Konsequenzen im "Thronstreit" werden aus päpstlicher Sicht von Thomas Frenz skizziert (191-201), der Innozenz III. als "Weichensteller in der Geschichte Europas" (201) betrachtet, der unter Rückgriff auf ältere Auffassungen, juristische Argumentation und politisches Geschick die weltliche Herrschaft des Papsttums in neue Bahnen lenkte. Zwei Beiträge Wolfgang Stürners zeichnen zunächst ein Bild des politischen Handelns Friedrichs II. entlang der bekannten Marksteine (173-188), um sich schließlich, den genuin mediävistischen Teil des Bandes abschließend, dem Ende der Staufer zu widmen (203-215). Abschließend reflektiert Werner Hechberger in einer konzisen Darstellung die Wandlungen, denen das Bild der Staufer im Wandel der Zeiten unterlag (217-238).

Alles in allem bietet der Band, der weder den Anspruch auf wissenschaftliche Neuerung stellt noch eine umfassende Darstellung sein will, eine Auswahl von Schlaglichtern auf die staufische Geschichte. Die Autoren, die sich zumeist auf ihre eigenen vorgängigen Forschungen beziehen können, verschaffen dabei einen Überblick über momentan diskutierte Betrachtungsweisen, zumeist exemplarisch an einzelnen Personen verdeutlicht. Das Deutungsmuster der Dynastien taucht trotz des Untertitels selten auf und scheint als wenig ergiebig betrachtet zu werden. Die lange Jahrzehnte maßgebliche, eben aus der Perspektive der Staufer als "Adelshaus" argumentierende Darstellung von Odilo Engels [4] stellt dementsprechend offensichtlich keinen Referenzpunkt mehr dar; zumindest wird das Werk in den Beiträgen nicht mehr zitiert. Dass diese Perspektivverschiebung noch nicht zur Abfassung einer Darstellung geführt hat, die vom Umfang her der Vielfältigkeit der Themen angemessen Rechnung tragen kann [5], mag den Verdacht nahe legen, dass die Erträge der neueren Stauferforschung hierfür noch nicht ausreichen. Oder aber annehmen lassen, dass es eben nicht mehr "die" Staufer gibt, womit ein entsprechendes ausführliches Handbuch aus wissenschaftlicher Sicht im Moment keine Notwendigkeit darstellt - oder aber ein Desiderat, um die verschiedenen Sichtweisen zu bündeln.


Anmerkungen:

[1] Werner Hechberger: Staufer und Welfen 1125-1190. Zur Verwendung von Theorien in der Geschichtswissenschaft (Passauer historische Forschungen; 10). Köln, u.a. 1996.

[2] Jan Paul Niederkorn / Karel Hruza (Bearb.): Regesta Imperii IV,1,2. Konrad III. 1138 (1093/94)-1152. Wien u.a. 2008; Wolfram Ziegler: König Konrad III. (1138-1152). Hof, Urkunden und Politik. Böhlau, Wien [u.a.] 2008 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, 26); Bernd Schütte: König Konrad III. und der deutsche Reichsepiskopat. Hamburg 2004 - Rezensionen zu diesen Werken finden sich in dieser Zeitschrift.

[3] Johannes Fried: Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004, 252-255. - Görich verweist nicht auf dieses Werk.

[4] Odilo Engels: Die Staufer, 8. Auflage, Stuttgart 2005.

[5] Die Darstellung von Knut Görich: Die Staufer. Herrscher und Reich. München 2006, bietet zwar einen Gesamtblick, der sich jedoch durch den durch die Reihe vorgegebenen Umfang auf Grundzüge beschränken muss.

Gerhard Lubich