Rezension über:

Charlotte Guichard: Les amateurs d'art à Paris au XVIIIe siècle, Seyssel: Éditions Champ Vallon 2008, 387 S., ISBN 978-2-87673-492-0, EUR 28,99
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Rezension von:
Frédéric Bußmann
Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Frédéric Bußmann: Rezension von: Charlotte Guichard: Les amateurs d'art à Paris au XVIIIe siècle, Seyssel: Éditions Champ Vallon 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 6 [15.06.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/06/15970.html


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Charlotte Guichard: Les amateurs d'art à Paris au XVIIIe siècle

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Als sich Denis Diderot in der Correspondance littéraire über die "maudite race [...] des amateurs" echauffierte, polemisierte er gegen eine sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich etablierende Gruppe von Kunstliebhabern und Kennern, die als amateurs honoraires der Pariser Académie royale de peinture et de sculpture verbunden waren und sich als Vermittler zwischen Künstlern und Gesellschaft verstanden. Diesen Amateuren, die weit mehr waren als Sammler und die von der Forschung in ihrer zentralen Stellung für das Pariser Kunstleben bisher unzureichend gewürdigt wurden, hat Charlotte Guichard ihre Dissertation gewidmet, die seit 2008 in Buchform vorliegt.

Charlotte Guichard hat ihre kultur- und institutionsgeschichtlich orientierte Untersuchung in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil widmet sie sich der Definition und Entwicklung des Amateurs im sozialen und kulturellen Geflecht des Ancien Régime vor dem Hintergrund der ästhetischen Debatten zum Kunsturteil und zur Kunstrezeption. Sie untersucht die amateurs honoraires als nicht-professionelle (also nicht als Künstler tätige) Mitglieder der Académie royale als ein französisches Spezifikum des 18. Jahrhunderts. In Reaktion auf die zunehmende Forderung nach Öffnung des Ausstellungswesen und des Kunsturteils erhielten Amateure wie der Comte de Caylus, der Marquis de Voyer d'Argenson, Pierre-Jean Mariette oder Claude-Henri Watelet einen offiziellen Status in der Akademie und durften sich in den Diskussionen dort auch öffentlich äußern. Präzise zeichnet Guichard die verschiedenen Debatten der Zeit nach und stellt die verschiedenen Akteure und Positionen anschaulich vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse vor. Intellektuelle Zentralgestalt in der Neuorientierung der Akademie um die Jahrhundertmitte ist der Comte de Caylus, der entscheidend nicht nur zur Definition des akademischen Status des Amateurs in der Vorlesung "De l'amateur" von 1748, sondern auch zur Historisierung und Theoretisierung der Kunst beigetragen hat. Diskussionen um Kennerschaft und Kunsturteil, Geschmack und Gelehrtheit, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts etwa durch die Schriften des Abbé du Bos angeregt, bildeten um die Jahrhundertmitte den Grund für die Neudefinition des akademischen, den Künstlern und ihrer Praxis - nicht einem sensualistischen Urteil - verbundenen Amateurs. Sie sollten durch ihre Kenntnis die künstlerischen Debatten bereichern und den Anspruch der Akademie auf das allein gültige Kunsturteil in der Öffentlichkeit stärken. Herausgefordert durch eine unabhängige Kunstkritik nach der Etablierung regelmäßiger Salonausstellungen, die weder den Künstlern, der Akademie noch der Monarchie, sondern der Empfindung und Moral verpflichtet war, nahmen die Amateure durch ihre praktischen und theoretischen Kenntnisse, ihr sammlerisches Engagement und ihre Beiträge zu künstlerischen Debatten Anteil an der sich in Paris formierenden Kunstöffentlichkeit. Guichard unterstreicht die enge Verbindung, die Amateure zu Künstlern durch die gemeinsame theoretische und praktische Arbeit in der Akademie aufbauten. Die so entstandene soziale Allianz von Künstlern und Amateuren war von zentraler Bedeutung für das Pariser Kunstleben und verteidigte die von der Akademie geprägten Normen zum Kunsturteil, etwa in der kulturpolitischen Förderung einer klassizistischen Historienmalerei.

Im zweiten Teil untersucht Guichard Sammlungen als Ausdruck der kulturellen Praxis und des Geschmacks des Amateurs. Obwohl sie sich auf die amateurs honoraires wie zum Beispiel Ange-Laurent de La Live de Jully oder Jean de Jullienne konzentriert, tritt hier bisweilen eine gewisse Unschärfe zutage, da der Begriff des Amateurs im Ancien Régime auch für nicht-akademische Sammler benutzt wurde und sie diese hier ebenfalls behandelt, wie etwa den Duc de Choiseul oder den Prince de Conti. Die Bekanntheit einer Sammlung trug zum gesellschaftlichen Ruf des Amateurs bei, so dass sich die Autorin zuerst den verschiedenen Strategien zuwendet, mit denen Amateure ihr Ansehen in Führern, Katalogen oder Galeriewerken zu steigern versuchten. In diesem Zusammenhang behandelt sie prägnant auch die für die Sammlungsgeschichte relevanten Themen etwa der Provenienz, der Verkaufskataloge und öffentlichen Versteigerungen, der verschiedenen Sammlungsarten von naturhistorischen Kabinetten über Antikensammlungen hin zu reinen Kunstsammlungen und ihre Präsentation. Die Sammlungen der Amateure spiegelten die Reputation wieder, die ein Sammler in der Gesellschaft erlangen wollte, da sie Orte der gehobenen Geselligkeit waren und dem mondänen Vergnügen dienten. Die Sammlungen vereinten sozialen Anspruch und Sinnlichkeit, ja, förderten die Lust am Objekt. So entstand um die Sammlungen herum ein soziales Geflecht, das außerhalb der Akademie Künstler auch mit Auftraggebern aus der gehobenen Gesellschaft zusammenbrachte. Der Erwerb von Kunstwerken, ob auf Versteigerungen oder im direkten Auftrag an Künstler, konnte ebenso der gesellschaftlichen Selbstdarstellung dienen wie auch die Zusammensetzung und die Präsentation der Kabinette, was die Autorin immer wieder anhand von Beispielen gut belegt.

Amateure waren aber weit mehr als nur Sammler, wie Guichard im dritten Teil deutlich macht. Der "culture mondaine de l'image" (188), der gesellschaftlichen Bedeutung des Kunstwerks und dem neuen Verhältnis von Künstler und Amateur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts widmet sie diesen Teil. Rom stand am Beginn dieser Entwicklung in Frankreich, da es auch aufgrund der erneuten Begeisterung für die Antike wieder ein kulturelles Zentrum in Europa wurde und die Romreise innerhalb der Grand Tour samt dem Studium an der Académie de France sowohl für den Künstler als auch für den Amateur Voraussetzung für künstlerische Anerkennung, Geschmack und Kultur waren. Die Autorin zeigt eindrucksvoll, wie diese Bildungsreise, etwa durch das gemeinsame Zeichnen nach den Antiken oder der Landschaft in der Campagna, ein fast partnerschaftliches Verhältnis zwischen den Amateuren und Künstlern prägte. So wurde diese Erfahrung Ausgangspunkt eines sozialen und künstlerischen Netzwerks, das in Frankreich fortgeführt wurde und sich später auf die Auftragslage ebenso wie auf den Status des Künstlers auswirkte, wie die Beispiele von Hubert Robert oder Joseph Vernet bezeugen. Die Romerfahrung und das enge Verhältnis zum Künstler führten beim Amateur zu einem größeren Interesse an der eigenen künstlerischen Praxis, die durch spezialisierte Literatur zur Zeichnen- und Grafikkunst für Amateure noch gestärkt wurde. Dieses Kapitel ist besonders reizvoll, da sich Charlotte Guichard hier einem Thema widmet, das zwar für das Reich oder England mit den dilettanti bereits umfassend untersucht worden ist - und dort auch eine größere Rolle spielte -, für Frankreich aber nur vereinzelt Aufmerksamkeit erhielt (etwa durch Ulrich Leben). Detailreich erfährt der Leser, wie sich Amateure in Privatakademien zusammen mit Künstlern einer eigenen Kunstpraxis widmeten und dadurch ästhetisch bildeten.

Mit der Revolution beschließt die Autorin ihre Untersuchung. Professionalisierung und Politisierung des Kunstlebens, die konstanten Angriffe der hommes de lettres hatten ab den 1760er-Jahren zu einer immer stärkeren Ablehnung der akademischen Konzeption des Kunsturteils geführt. Mit der vorläufigen Auflösung der Akademie 1793 und der Öffnung der Salonausstellungen verlor auch die kulturelle und soziale Praxis der Amateure in der Revolution ihr Bezugssystem. Der Typus des Amateurs, der weder ausschließlich Mäzen noch Sammler ist, hatte mit dem Zusammenbruch des Ancien Régime seine soziale und institutionelle Bindung zum Künstler eingebüßt. Zwar kommt es in der Revolution zum Versuch einer Neudefinition des Amateurs als patriotischer Unterstützer der Künstler, doch hat dieser nichts mehr mit dem Amateur des Ancien Régime gemein.

Aufgrund des disziplinen- und themenübergreifenden Ansatzes kann die Autorin auf eine Vielzahl von bekannten Untersuchungen zurückgreifen. Sie sieht ihre Arbeit in der Folge von Francis Haskells Forschungen zur Geschmacksgeschichte, Antikenrezeption und zum Mäzenatentum, von Krzysztof Pomian zur historischen Wissenssoziologie und Sammlungsgeschichte und zur kulturgeschichtlichen Perspektive von Roger Chartier, Daniel Roche oder ihres Doktorvaters Dominique Poulot. Sie stützt sich weiterhin auf eine Vielzahl von Recherchen zur Kunstöffentlichkeit und den Kunstinstitutionen in Paris (z.B. Thomas Crow und Christian Michel), zu Sammlern (u.a. von Colin B. Bailey) und Amateuren (wie etwa zu Caylus von Joachim Rees) oder zum Kunsthandel (wie zuletzt von Patrick Michel). Sie konzentriert ihre Forschungen darauf aufbauend auf die sozial- und kulturgeschichtliche Bedeutung des Amateurs und führt sie nicht zuletzt durch die Auswertung von zum Teil unpublizierten Quellen und Archivalien des 18. Jahrhunderts weiter fort. Sie stellt an ihre Untersuchung aber den Anspruch, Missverständnisse über den Begriff des Amateurs zu korrigieren und neue Erkenntnisse über seine zentrale Bedeutung im Paris des Ancien Régime zu gewinnen. Dies ist ihr gelungen. Ihr interdisziplinärer Ansatz erlaubt in der Konzentration auf die Figur des Amateurs eine dem historischen Gegenstand angemessene Synthese, die vor allem im dritten Kapitel in der Perspektive einer Sozialgeschichte der Kunst ihre Früchte trägt.

Bedauern mag man, dass der europäische Blick, den Guichard im Kapitel über die in Rom initiierten Amateure und in ihrer Conclusio anwendet, nicht auch die anderen Kapitel bereichert hat. Sicher, die Definition des Amateurs als spezifisch französischer aristokratisch-akademischer Typus rechtfertigt die Konzentration auf Paris, doch wäre der Vergleich unterschiedlicher Phänomene auf dem europäischen Kontinent erkenntnisfördernd und für die Argumentation schärfend gewesen. Man kann nur hoffen, dass die Tatsache, dass Schenaus Kunstgespräch aus Dresden die letzte Abbildung in dem Buch ist, als Ankündigung für weitere Forschungen im europäischen Blickfeld gemeint ist.

Frédéric Bußmann