Lawrence A. Tritle: A New History of the Peloponnesian War, Hoboken, NJ: John Wiley & Sons 2010, XXVI + 287 S., ISBN 978-1-4051-2251-1, GBP 22,99
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Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hgg.): "Troianer sind wir gewesen" - Migrationen in der antiken Welt. Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 8, 2002, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2006
Timo Stickler: Korinth und seine Kolonien. Die Stadt am Isthmus im Mächtegefüge des klassischen Griechenland, Berlin: Akademie Verlag 2010
George Cawkwell: Cyrene to Chaeronea. Selected essays on ancient Greek history, Oxford: Oxford University Press 2011
Der Buchtitel lässt neue Ergebnisse in der Darstellung einer Art 'Urkatastrophe' in der antiken griechischen Staatenwelt erwarten. Zunächst werden allerdings Ereignisketten von den Abwehrsiegen der Hellenen gegen die Invasionsstreitkräfte des Xerxes erörtert und in diesem Kontext wiederholt bekannte, aber problematische Forschungsthesen wiederholt. Tritle schließt beispielsweise nicht aus, dass der "Regent" Pausanias beabsichtigt habe, die Heloten aufzuwiegeln (4). Nach Thukydides (1,135) hielten es die Spartaner aber für bedenklich, aufgrund von Aussagen "einiger Heloten" einen schwerwiegenden Beschluss über einen Spartiaten zu fassen. Die Vorwürfe scheinen von spartanischen Drahtziehern erhoben worden zu sein, die zu den Intimfeinden des Pausanias gehörten (Thukydides 1,132,1) und ihm schließlich eine Falle stellten. Es ist nicht glaubhaft, dass Pausanias plante, Zehntausende von Heloten zu emanzipieren. Unklar bleibt Tritles Formulierung (7), dass Ephialtes dem Areopag seine "authoritative judicial powers" genommen habe. Der Areopag blieb bekanntlich das zuständige Gericht für Verfahren wegen vorsätzlicher Tötung. Ferner ist Tritles Bemerkung missverständlich (9), dass in dem Konflikt zwischen Perikles und Thukydides Melesiou erstmals in Athen eine organisierte "Parteipolitik" erkennbar wird. Hier wäre eine deutliche Abgrenzung der Gruppenbildungen der genannten beiden Akteure von der Parteipolitik im heutigen Sinne wünschenswert gewesen.
Ausführlich erörtert Tritle Ursachen und Anlässe des Peloponnesischen Krieges. Nach seiner Auffassung hat man in den beiden Großpoleis Sparta und Athen gewusst, dass es schwierig, wenn nicht unmöglich sei, die Spannungen durch ein Schiedsgericht von dritter Seite zu überwinden. Während Sparta eine weitere Steigerung der Macht Athens befürchtet habe, seien die Athener von Siegesgewissheit erfüllt gewesen. Insofern argumentiert Tritle im Rahmen der bekannten diesbezüglichen Diskussionen. Erstaunlich ist aber die Wiederholung seiner bereits vor einigen Jahren vertretenen These, dass in Athen und Sparta ähnlich wie in Europa 1914 vor allem jüngere Männer von Begeisterung für einen Waffengang erfüllt gewesen seien. [1] Perikles und der spartanische Ephor Sthenelaï das hatten freilich große Mühe, in den entscheidenden Volksversammlungen ihrer Poleis eine Mehrheit für ihren Kriegskurs zu finden.
Mit Recht mahnt Tritle zur Vorsicht gegenüber der Nachricht des Thukydides (4,80) über das Verschwinden von 2000 Heloten, die sich angeblich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hätten und dann heimlich von den Spartanern getötet worden seien. Allerdings führt Tritle im Kontext aus (93), dass Heloten "typically" an der Seite der Spartaner kämpften. Helotische Waffen- und Proviantträger begleiteten zwar die Spartaner stets auf Kriegszügen. Sie galten aber nicht als Kombattanten. Als Hopliten wurden zwar erstmals 424 v. Chr. Heloten eingesetzt, doch waren sie ebenso wie die wenig später rekrutierten Neodamoden nicht in die Lochoi der Spartiaten und Perioiken integriert. Nach der Schlacht bei Leuktra 371 wurden aber keine Neodamoden mehr rekrutiert.
Große Hoffnungen schien der Nikiasfrieden der griechischen Welt zu eröffnen. Sie zerschlugen sich freilich nicht zuletzt durch einen unglaublichen Coup des Alkibiades, der eine spartanische Gesandtschaft in Athen düpierte, so dass sich neue Spannungen anbahnten.
Gelungen sind Tritles Interpretationen der Reden des Nikias und des Alkibiades vor der Sizilischen Expedition der Athener und seine Darstellung der Kämpfe nach dem Scheitern dieses großangelegten Unternehmens sowie eine Skizze der Vorgeschichte der Machtergreifung der "Vierhundert" und der Rückkehr des Alkibiades nach Athen.
Nicht ausführlich genug sind Tritles Ausführungen zu den Ereignissen in Samos im Sommer 412. Er bezeichnet die Unruhen auf der Insel als Erhebung samischer "Demokraten" gegen "elite citizens" (171), lässt aber offen, welcher politischen Gruppierung er jene "Elite" zuordnet. Es handelte sich um Führungspersonen in einer demokratischen Ordnung, die aber von anderen "Demokraten" bekämpft und verfolgt wurden. Eine ausführlichere Stellungnahme zu den "Fünftausend" wäre ebenfalls wünschenswert gewesen, da nach dem Sturz der Vierhundert die Zahl der Teilnehmer an den folgenden Volksversammlungen schwerlich auf 5000 Bürger beschränkt war und wohl kaum entsprechende Kontrollen vorgenommen wurden.
Erfreulicherweise endet die Darstellung nicht mit der Kapitulation Athens. Tritle behandelt auch das Terrorregime der "Dreißig", bietet einen Überblick über die weitere Entwicklung bis zum Beginn der makedonischen Hegemonie und erläutert den historischen Aussagewert der attischen Tragödie und Komödie. Insgesamt ist er recht thesenfreudig mit einer Vorliebe für historische Vergleiche. So ergänzt er seine Erwähnung (217) der Forderung eines Thebaners 404 v. Chr., Attika in eine Schafsweide zu verwandeln, mit einem Hinweis auf den Morgenthauplan von 1944.
Anmerkung:
[1] Lawrence A. Tritle: 'Laughing for Joy': War and Peace among the Greeks, in: K. A. Raaflaub (Ed.): War and Peace in the Ancient World, Oxford 2007, 172-190, hier 178.
Karl-Wilhelm Welwei