Rezension über:

Andrzej Pleszczyński: Niemcy wobec pierwszej monarchii piastowskiej (963-1034). Narodziny stereotypu. Postrzeganie i cywilizacyjna klasyfikacja władców Polski i ich kraju, Lublin: Wydawnictwo Uniwersytetu Marii Curie-Skłodowskiej 2008, 375 S., ISBN 978-83-227-2826-0
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Rezension von:
Grischa Vercamer
Deutsches Historisches Institut, Warschau
Redaktionelle Betreuung:
Christoph Schutte
Empfohlene Zitierweise:
Grischa Vercamer: Rezension von: Andrzej Pleszczyński: Niemcy wobec pierwszej monarchii piastowskiej (963-1034). Narodziny stereotypu. Postrzeganie i cywilizacyjna klasyfikacja władców Polski i ich kraju, Lublin: Wydawnictwo Uniwersytetu Marii Curie-Skłodowskiej 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/18024.html


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Andrzej Pleszczyński: Niemcy wobec pierwszej monarchii piastowskiej (963-1034)

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Die Lubliner Habilitationsschrift beschäftigt sich damit, wie die Eliten aus der älteren, literarisch geprägten Sphäre Europas - de facto des Reiches - Polen und seine Herrscher bis 1034 betrachteten. Die zeitliche Grenze begründet Andrzej Pleszczyński damit, dass die Sicht auf Polen nach 1038 eine völlig andere war als zuvor. Der Autor beansprucht für sich in der Einleitung, die seit Langem bekannten Quellen aufgrund neuer Fragestellungen - er beruft sich stark auf die Ritualforschung und Forschungen zur Fremdheit - neu interpretieren und lesen zu können.

Im ersten Hauptkapitel sammelt Pleszczyński die Quellen über Mieszko I., setzt sie in den Forschungskontext und diskutiert diese ausgesprochen anregend. Nur allein Widukind kann aber eigentlich als genuine zeitgenössische Quelle betrachtet werden, die die 'deutschen' Eliten, auf deren Betrachtungsweise Pleszczyński ja abzielt, einigermaßen repräsentieren mag. Ibrahim ibn Jakub, der jüdisch-spanische Gesandte, der den polnischen Fürsten als 'König des Nordens' tituliert, ist zumindest kaum für die 'deutschen' Eliten der Zeit repräsentativ, genauso wenig wie Thietmar, der aus langjähriger Retrospektive schrieb. Wenn Pleszczyński aber weiterhin genau Widukind, der Mieszko einen 'König' nennt, die Glaubwürdigkeit abspricht (72), indem er argumentiert, dass dieser sicherlich keine genaue Wahrnehmung der slawischen Hierarchien hatte, so taucht die Frage auf, ob man überhaupt, zumindest für die Zeit Mieszkos I., solch ein Konzept, wie es Pleszczyński anstrebt, anwenden kann.

Im zweiten Hauptkapitel kommt die Regierungszeit Bolesławs I. zur Sprache. Hier sind die zeitgenössischen Quellen (Thietmar, Brun von Querfurt) schon wesentlich aussagekräftiger, was man der Argumentationslinie des Verfassers anmerkt. Interessant sind die Ausführungen in Bezug auf die ersten Regierungsjahre Bolesławs: Pleszczyński lehnt die gängige Meinung ab, dass Bolesław durch seinen Vater zugunsten seiner jüngeren Halbbrüder 992 seines Erbes beraubt wurde, da weder die deutsche Annalistik noch Thietmar dieses erwähnen. Hingegen zieht er eine bis dahin nicht beachtete, aus dem 16. Jahrhundert überlieferte Annalenstelle heran, die besagt, dass Bolesław mit seinen Halbbrüdern bis 995 noch im Einklang regiert habe. Die nächste wichtige Station, der Tag von Gnesen im Jahr 1000, wird von Pleszczyński aufgrund der zur Verfügung stehenden Quellen (nicht Gallus, da bekanntlich später verfasst) besprochen. Er stimmt dabei mit Johannes Fried überein, dass die Krönung intendiert war oder sogar stattgefunden habe und es aus irgendeinem Grunde nicht zur päpstlichen Bestätigung gekommen sei. Die Zusammenfassung des gesamten Kapitels, basierend vor allem auf dem Bericht von Thietmar, fällt fast lapidar aus: Die harte Politik Heinrichs II. gegenüber den sächsischen Adeligen, für die auch Bolesław irgendwie haftbar gemacht wird, erklärt Pleszczyński damit, dass diese unter Otto III. und Theophanu völlig selbständig gewesen seien und Heinrich II. sie nun zur Räson bringen musste (221).

Im dritten Hauptkapitel, das Mieszko II. gewidmet ist, nehmen die Ausführungen über den Tag von Merseburg 1013 großen Raum ein. Ob man die interessante Interpretation über eine durch Heinrich II. dort geplante Krönung Bolesławs I. nur aufgrund eines kleinen Details im Bericht Thietmars (Auslassung der Anwesenheit Udalriks von Böhmen) und aufgrund von späteren Analogiestellen, die aber wiederum nicht eindeutig in ihrer Aussage sind [1], allerdings begründen kann, muss wohl kritisch gesehen werden. Mieszko II. jedenfalls wird bei Thietmar, das ist selbstverständlich nichts Neues, positiv konnotiert. Pleszczyński hebt besonders dessen Fähigkeit zur Trauer und zum Weinen hervor (249), die ihm früher teilweise als Weichheit ausgelegt wurde. Durch das Zeigen von humilitas und die effusio lacrymarum beweise der polnische Fürst ein zivilisiertes Verhalten, welches ihn mit dem westlichen Kulturkreis verbinde (251).

In einem Exkurs über die Begrifflichkeit von Königtum, er unterscheidet in vorchristliche und von der karolingischen Tradition abgeleitete Könige in dieser Zeit, erweist Pleszczyński der polnischen Forschung einen großen Dienst, da er die bisherige Isoliertheit der vorgenommenen (und später durch die deutschen Herrscher nicht akzeptierten) polnischen Krönung(en) von Bolesław I. und Mieszko II. durchbricht und sie vor einem breiteren Hintergrund betrachtet. Bislang sei die polnische Forschung immer von dem Grundgedanken ausgegangen, dass sich mit einer Krönung eine unmittelbare Souveränität, eine Unteilbarkeit des Königtums und eine unmittelbare Abhängigkeit allein von Christus ergäbe (290f.). Indem der Autor europäische Parallelen anführt, zeigt er, dass diese Interpretation ein Vorurteil darstellt. Als die polnischen Könige und Otto III. nach einem dem Reich untergeordneten Königtum für Polen in der karolingischen Tradition strebten und auch beinah durchsetzten (312), seien sie auf die Nichtakzeptanz der Reichseliten gestoßen, welche das karolingische Erbe exklusiv auf das Reich bezogen hätten.

Zusammenfassend definiert Pleszczyński drei zeitliche Entwicklungsstufen von Stereotypen gegenüber den polnischen Fürsten (317): a) Heiden, wilder Norden, b) neue Christen, Zusammenarbeit mit dem Reich, c) Barbaren, zwar getauft, aber dennoch nach barbarischen Gebräuchen lebend. Dieses letzte Stereotyp erstrecke sich bis in unsere Zeit und sei nur selten durchbrochen worden. Weiterhin will der Autor das besonders negative Image Bolesławs I. bei Thietmar verstanden wissen als die Umsetzung eines karolingerzeitlichen Konzeptes von dem Kaiser als dem absoluten Regenten der Christenheit. Nicht der slawische Fürst Bolesław I. sei hier also negativ dargestellt, sondern lediglich der (abstrakte) Usurpator kaiserlicher Rechte (331). Das Fehlen aussagekräftiger Quellen nach 1025 wird an der erloschenen Bedeutung der Piasten für das Reich festgemacht: Die Salier verorteten ihre Machtzentren eindeutig im Westen und auch das Erstarken der Přemysliden habe aus Polen ein weit entferntes Land gemacht (334).

Am Ende bleibt der Eindruck, eine sehr gelehrte Arbeit vor sich zu haben, die auf geradezu vorbildliche Weise die internationale und vor allem deutsche Forschungsliteratur rezipiert, die aber Schwierigkeiten hat, ihr übergeordnetes Ziel, die Geburt von Stereotypen zu analysieren, einzuhalten. Dieses ist sicherlich teilweise der ausgesprochenen Quellenarmut geschuldet. Als problematisch stellt sich meines Erachtens dar, dass Pleszczyński im Titel von den Deutschen (Niemcy) spricht, obgleich er sich neben einigen kürzeren Annalenstellen und wenigen hagiografischen Werken vor allem auf zwei Chronisten stützt, Widukind und Thietmar, die zudem auch persönliche Interessen an dem Kontakt mit den polnischen Fürsten hatten. Auch wird die Anwendung eines Sammelnamens 'Deutschland' oder 'Deutsche' zumindest in der deutschen Forschung für das 10. und frühe 11. Jahrhundert, das wird von Pleszczyński aber leider gar nicht reflektiert, eher abgelehnt. [2]


Anmerkungen:

[1] Zbigniew Dalewski: Polityka, rytuał i tekst, in: Zródło. Teksty o kulturze średnowiecza ofiarowane Bronisławowi Geremkowi, Warszawa 2003, 11-35, bes. 24-25.

[2] Eine Gruppenidentifikation der Deutschen hat erst im späten 11. bzw. frühen 12. Jahrhundert eingesetzt - zuvor wurde eben in Stämme bzw. Herzogtümer unterteilt, vgl. Karl-Friedrich Werner: Artikel "Deutschland A. Begriff; geografisch-historische Problematik; Entstehung", in: Lexikon des Mittelalters. Bd. 3, München u.a. 1986, Sp. 782-790; Carlrichard Brühl: Deutschland - Frankreich. Die Geburt zweier Völker, Köln / Wien 19952, 296-297.

Grischa Vercamer