Rezension über:

Jörg-Peter Findeisen: Die schwedische Monarchie. Von den Vikingerherrschern zu den modernen Monarchen. Band 1: 950-1611, Kiel: Verlag Ludwig 2010, 411 S., ISBN 978-3-86935-028-8, EUR 29,80
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Jörg-Peter Findeisen: Die schwedische Monarchie. Von den Vikingerherrschern zu den modernen Monarchen. Band 2: 1612 bis heute, Kiel: Verlag Ludwig 2010, 447 S., ISBN 978-3-86935-029-5, EUR 29,80
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Rezension von:
Joachim Krüger
Historisches Institut, Universität Greifswald
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Joachim Krüger: (Rezension), in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 2 [15.02.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/02/18419.html


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Jörg-Peter Findeisen: Die schwedische Monarchie. Von den Vikingerherrschern zu den modernen Monarchen

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Obwohl das Königreich Schweden zu den bevorzugten skandinavischen Reiseländern zählt, ist das Wissen über den nördlich gelegenen Nachbarstaat erstaunlich dürftig. Nach wie vor ist die Nachfrage nach deutschsprachiger Literatur über Schweden ungebrochen. Diese Marktlücke hat der Autor des vorliegenden zweibändigen Werkes, Jörg-Peter Findeisen, seit einigen Jahren für sich entdeckt. Aus seiner Feder sind zahlreiche Publikationen zur skandinavischen, besonders schwedischen Geschichte, erschienen.

Im Zentrum der vorliegenden Darstellung steht die schwedische Monarchie, nicht zuletzt deshalb, weil nach Findeisen der Royalismus "tief in der schwedischen Seele verwurzelt" ist (I/12). Findeisen greift hier den älteren Ansatz von Erik Gustav Geijer auf, nach dem die Geschichte des schwedischen Volkes vor allem die Geschichte seiner Könige sei. So will er Schwedens Entwicklung am persönlichen Schicksal herausragender Persönlichkeiten, und dazu gehören eben die Regenten, vom Mittelalter an bis heute darstellen. Es handelt sich nicht um eine streng wissenschaftliche Publikation, der Autor möchte ein breites Publikum erreichen, diesem aber ein faktengesichertes Panorama bieten.

Der Autor geht streng chronologisch vor. Er unterteilt die schwedische Geschichte in einzelne Epochen, wobei er der "gängigen Periodisierung" folgt (I/13). Bereits hier stellt sich die Frage, welche "gängige Periodisierung" er meint, denn die schwedische Historiographie ist keineswegs einheitlich. Die Frage nach der Periodisierung ist berechtigt, wenn ein Kapitel, in dem die Regierungszeit Sigismund Vasas und Karls IX. (1593-1611) behandelt wird, mit "Triumph des frühabsolutistischen Königtums" überschrieben ist (I/334). Schließlich besteht Konsens darüber, dass sich der Absolutismus erst 1680/1693 in Schweden durchgesetzt hat.

Der Autor charakterisiert eine Epoche zunächst durch ein oder mehrere Kapitel. Darauf folgen dann die als "Lebensbilder" bezeichneten Kurzbiograpien der einzelnen Regenten. Vor allem mit Beginn der Neuzeit (hier ab 1818) treten die "Lebensbilder" deutlich in den Hintergrund. Die Biographien sind immer nach dem gleichen Schema aufgebaut. Zunächst werden relevante Daten in einer tabellarischen Übersicht geliefert. Genannt werden, soweit bekannt, die Eltern des jeweiligenKönigs, dessen Eheschließungen sowie die Kinder mit deren eventuellen Heiraten. Darauf folgt eine Liste, in der wichtige Ereignisse aus dem Leben des jeweiligen Königs aufgeführt sind. Hieran schließt sich die eigentliche Biographie an, meist verbunden mit einer mehr oder weniger gelungenen, in jedem Fall aber sehr subjektiven Wertung.

Einer der Hauptkritikpunkte an den vorliegenden Bänden ist der Umgang mit Anmerkungen und der Literatur. Eine populärwissenschaftliche Darstellung kann durchaus auf Anmerkungen verzichten. Entscheidet sich jedoch der Autor dafür, sollte er gewissen Regeln folgen. Jörg-Peter Findeisen hat sich für die Harvard-Methode entschieden, was bedeutet, dass Quellenverweise im laufenden Text untergebracht werden, eine anerkannte Methode. Aber: der Autor nutzt mal Verfassernahmen, mal Kurztitel, mal willkürlich gewählte Abkürzungen. Die Auflösung des jeweiligen Hinweises artet häufig in ein Rate- und Suchspiel aus. Teils sind die in den Anmerkungen genannten Verfasser und Titel überhaupt nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt. Teils sind mehrere Titel eines Verfassers aufgeführt, ohne dass klar wird, auf welchen sich die Anmerkung bezieht. Besonders schwierig wird es, wenn der Autor Abkürzungen für die Anmerkungen nutzt. So erschließt sich dem Rezensenten nicht, warum "Den svenska historien" mit "NG" abgekürzt wird. Da ein Abkürzungsverzeichnis fehlt, die Abkürzungen auch keinerlei erkennbarem Prinzip folgen, muss man das gesamte Literaturverzeichnis durchgehen, um den entsprechenden Titel zu finden. Einige Abkürzungen sind überhaupt keinem Titel zugeordnet (DH, SvMäoKv, Smok). Für andere Werke, vermutlich das "Svenskt biografiskt lexikon", werden drei verschiedene Kürzel verwendet (SBL, Svbiolex, SvBioLex).

Einzelne Namen werden konsequent falsch geschrieben, zum Beispiel "Fallköping" (I/181ff.) statt "Falköping". Zuweilen werden unterschiedliche Schreibweisen für ein und dieselbe Person genutzt, wie etwa bei Herzog Erich von Mecklenburg, dem Sohn König Albrechts. Man findet ihn als "Erik" (I/181) und auch als "Erich" (I/208). Im Register ist er gar nicht erfasst.

Wesentlich befremdlicher ist der Umgang des Autors mit der Sekundärliteratur. Findeisen führt häufig als Gewährsleute anonym bleibende schwedische Historiker an. Manche lassen sich, eine gewisse Kenntnis der Forschung vorausgesetzt, herausfiltern, zum Beispiel, wenn im Zusammenhang mit Gustav II. Adolf von einem "Lunder Historiker" gesprochen wird, der auf deutsch und schwedisch publiziert (II/96). Dabei dürfte es sich um Sverker Oredsson handeln, dessen Publikationen man jedoch im Literaturverzeichnis vergeblich sucht. [1] Vielfach macht Findeisen aber ein Geheimnis daraus, auf wen er sich bezieht.

Auch inhaltlich gibt es einiges anzumerken. Beispielsweise greift der Autor die mittlerweile veraltete Theorie auf, dass der mittelalterliche Reichsbildungsprozess durch die in Uppland wohnenden Svea-Stämme vorangetrieben worden sei, welche die Götar-Stämme unterworfen hätten (I/33, I/37f.). Neuere Forschungen, etwa von Thomas Lindkvist und Maria Sjöberg, die dieses Schema mit guten Gründen hinterfragen, erwähnt Findeisen mit keinem Wort. [2] So lässt sich der Aufbau kirchlicher Strukturen in Väster- und Östergötland wesentlich eher nachweisen als etwa in Uppland. Das gleiche gilt für den Urbanisierungsprozess, der hier wesentlich früher einsetzt, alles Hinweise darauf, dass die Götar-Länder eine wesentlich wichtigere Rolle im Staatsbildungsprozess gespielt haben.

Überhaupt scheint es, als habe der Autor ein Problem mit der aktuellsten Forschungslage. Bei der Behandlung Karls X. Gustav zitiert Findeisen ein 1997 von Peter Englund herausgegebenes Werk, in dem auf das Fehlen einer Biographie zu dem genannten König hingewiesen wird (II/126). Nun hat der Militärhistoriker Claes-Göran Isacson 2002 eine mit biographischen Zügen versehene Darstellung der Feldzüge Karls X. Gustav vorgelegt. 2009 folgte eine Biographie von Björn Asker. Beide sucht man im Literaturverzeichnis vergebens. Auch andere aktuelle Biographien, zum Beispiel zu Johann III. oder Karl XI., werden nicht erwähnt. [3]

Auch bei der Behandlung neuzeitlicher Themen zeigt die Publikation Schwächen. So beschränkt sich das Kapitel "Schweden während des Zweiten Weltkrieges" darauf, die für die schwedische Regierung ohne Zweifel sehr schwierige Situation, trotz eines enormen Drucks seitens der Deutschen und Alliierten eine gewisse Form der Neutralität zu wahren, zu beschreiben. Natürlich kommen auch die humanitären Aktionen Schwedens gegen Kriegsende zur Sprache, etwa der Heimtransport zahlreicher Skandinavier und die Rettung von (ungarischen) Juden, ein insgesamt recht positives Bild. Die vielen kritischen Punkte im Verhältnis zum Dritten Reich, wie zum Beispiel die rigorose Politik gegenüber den deutschen Emigranten, besonders den Juden, die schwedische Forderung nach dem J-Stempel in den Pässen deutscher Juden, die Zusammenarbeit zwischen der SÄPO und der Gestapo, die Rolle der deutschen Botschaft in Stockholm, die Auslieferung der Balten und deutschen Soldaten an die Sowjetunion nach dem Krieg - all diese brisanten Themen werden stillschweigend übergangen.

Das Fazit fällt sehr gemischt aus. Einerseits bekommt der Leser eine kompakte Darstellung zur schwedischen Geschichte in die Hand, die eine schnelle Orientierung ermöglicht. Gerade unter Studierenden werden sich diese Bücher einer gewissen Beliebtheit erfreuen. Sie weisen aber deutliche Schwächen auf, etwa die Rezeption aktueller Forschungsergebnisse oder der doch teilweise recht unkritische Umgang mit nationalromantischen Deutungen und Wertungen der älteren schwedischen Literatur.


Anmerkungen:

[1] Sverker Oredsson: Geschichtsschreibung und Kult. Gustav Adolf, Schweden und der Dreißigjährige Krieg, Berlin 1994.

[2] Thomas Lindkvist / Maria Sjöberg: Det svenska samhället 800-1720. Klerkernes och adelns tid, Lund 2003 (3. erweiterte Aufl., Lund 2009).

[3] Björn Asker: Karl X Gustav: en biografi, Lund 2009; Claes-Göran Isacson: Karl X Gustavs krig, Lund 2002; Lars Ericson Wolke: Johann III. En biografi, Lund 2004; Göran Rystad: Karl XI. En biografi, Lund 2001.

Joachim Krüger