Abigail Brundin / Matthew Treherne (eds.): Forms of Faith in Sixteenth-Century Italy (= Catholic Christendom, 1300-1700), Aldershot: Ashgate 2009, XIV + 260 S., ISBN 978-0-7546-6555-7, GBP 55,00
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Forms of faith - unter diesem Titel werden nicht nur Formen des Glaubens verhandelt. Vielmehr noch geht es um kulturelle Formen, in denen Religion und Frömmigkeit zum Ausdruck kommen: um Gemälde, Musik, Gedichte - eigentlich um alles, was geschrieben, gemalt, gesungen oder aufgeführt wurde. Ort des Geschehens ist Italien mit klaren Schwerpunkten auf Florenz und Venedig, die Zeit das 16. Jahrhundert, das entgegen der verbreiteten Konzentration auf das Trienter Konzil in seiner gesamten Länge behandelt wird. Thematisch konzentrieren sich die zehn Beiträge, die eine 2007 in Leeds durchgeführte Tagung dokumentieren, auf die Wechselwirkungen von künstlerischer Produktion und religiöser Überzeugung. Gefragt wird zum einen nach dem Einfluss, den der religiöse Wandel auf künstlerische Techniken, Themen und Ansätze hatte. Zum anderen sollen die kulturellen Formen nicht nur als Spiegel der Veränderungen begriffen werden, sondern auch als Ausdrucksformen einer individuellen religiösen Sensibilität.
Mit der Geschichtswissenschaft, der Italianistik, der Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte ist ein breites Fächerspektrum vertreten, und so vielfältig wie ihre Quellen sind auch die Methoden der Autoren. In einer Hinsicht erweist sich die Auswahl indes als beschränkt: Behandelt werden stets die Stars der Szene: Tizian und Aretino treten gleich mehrfach auf, und ohne Vittoria Colonna, die Dichter-Fürstin und Michelangelo-Vertraute, kommt kaum ein Beitrag aus. Fragen der Rezeption und Breitenwirkung werden gelegentlich angesprochen (z.B. 217), aber nicht in Angriff genommen; um kollektive Deutungsmuster als strukturelle wie strukturierende Faktoren geht es keinem der Beiträge.
Der Blick bleibt also fest auf den Höhenkamm der klassischen Kulturgeschichte gerichtet. Zu finden hoffen die Herausgeber dort oben aber etwas Neues: eine Geschichte der religiösen Entwicklungen jenseits der Doktrin, die sich von der Fixierung auf das Trienter Konzil löst und die Vielfalt der kulturellen wie religiösen Strömungen in den Blick bekommt. So wenig das Konzil alle religiösen Regungen jenseits der neuen Norm erstickt habe, so wenig sei Italien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in eine mentale Stagnation verfallen - dies zu zeigen ist ein zentrales Anliegen des Bandes.
In der Tat sind die Beiträge weit jenseits einer klassischen Kirchen- oder gar Dogmengeschichte angesiedelt: Geboten wird ein Kaleidoskop verschiedener kultureller Praktiken im Wandel, die oft, aber keineswegs immer und nie ausschließlich im Zusammenhang mit religiösen Auseinandersetzungen stehen. Dementsprechend viel hat der Band für Leser zu bieten, die sich für die Kultur Italiens im 16. Jahrhundert interessieren. Wie sehr sich der Blick weitet, wenn die Fokussierung auf das Trienter Konzil aufgegeben wird, zeigen vor allem die musikgeschichtlichen Beiträge. So kann Iain Fenlon die Vielfalt der Ansätze aufzeigen, mit denen die Trienter Richtlinien zur sakralen Musik auf Diözesanebene umgesetzt werden sollten. Vor allem aber demonstriert er, dass sich mit der im Florenz Savonarolas verwurzelten Tradition der Lauda auch andere Ansätze im Umgang mit Musik und Frömmigkeit behaupten und dank der Vermittlung des Exil-Florentiners Filippo Neri in Rom verbreiten konnten. Das Weiterleben vortridentinischer Modelle nach den 1560ern beschreibt auch Noel O'Reagan: Dank der Laienbruderschaften und ihrer etwa bei Prozessionen dargebotenen religiösen Musik erschöpfte sich das Musikleben Roms keineswegs in der tridentinischen Messe.
Dass kulturelle Kreativität keineswegs zwingend mit religiöser Opposition gleichzusetzen ist, illustriert der Band selbst sehr eindrücklich. So zeigt Matthew Treherne, wie Torquato Tasso nach einer religiösen Wende in seinem Alterswerk "Il Mondo orato" mit starken Anlehnungen an die Messliturgie arbeitet und mit diesem liturgisch-rituellen Subtext künstlerische Phantasie in den Dienst der Orthodoxie stellt. Tatsächlich präsentiert sich der Zusammenhang zwischen kultureller Produktion und kirchlicher Reform wenig eindeutig: Dass Aretino von der Bibelparaphrase zur Heiligengeschichte überging, passt zwar gut zur These vom Abwürgen der Reformansätze durch eine neue Orthodoxie, hat laut Raymond B. Waddington aber auch mit Markttendenzen, Moden und dem Geschmack der Patrone zu tun. Und wie Harald Hendrix zeigt, spiegeln sich in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Leiden neben gegenreformatorischen Motiven auch antike Vorbilder und nicht zuletzt das persönliche Streben von Künstlern wie Tizian und Aretino nach Exzellenz und Anerkennung. Kunstwerke sind eben immer vielschichtig und bis zu einem gewissen Grad deutungsoffen, und so ist bei der Suche nach dem Einfluss religiösen Wandels auf die kulturelle Produktion stets die Vielfalt der einwirkendenden Motive und Faktoren zu bedenken.
Neben solchen allgemeinen Einsichten hat der Band zweierlei zu bieten: Zum einen werden konkrete Anregungen für einzelne Disziplinen geliefert, so etwa für die Kunstgeschichte, wenn Chrysa Damianaki Pontormos Fresken in Florenz nun anhand ihrer "lutherischen" Anordnung als Schlüsselwerk der Florentiner Reformbewegung präsentiert, oder wenn Tom Nichols am Beispiel Tizians und Tintorettos der Durchdringung der mythologischen Malerei Venedigs mit religiösen Motiven nachgeht. Zum anderen geben viele Beiträge Denkanstöße über die Fachgrenzen hinweg: In seiner Analyse der religiös aufgeladenen Freundschaftsrhetorik venezianischer Intellektueller zeigt Stephen Bowd, dass Institutionen wie Freundschaft Glaubensfragen verhandeln und mithin auch solche Formen sozialer Beziehungen zu den titelgebenden Formen des Glaubens gehören können. Die Aussagekraft medialer Aspekte betont Antonio Corsaro, der über die Vorliebe religiöser Dichter berichtet, nach dem Vorbild Vittoria Colonnas Gedichte nicht zum Druck zu geben, sondern als Manuskripte zu verbreiten. Abigail Brundin verfolgt in schönster Interdisziplinarität, wie sich die Diskussion dieser Gedichte im privaten und im öffentlichen Raum mit literarischen, religiösen und linguistischen Debatten verknüpfte und Poesie zum Medium religiöser Wahrheit wurde. Und die hier anklingenden intermedialen Bezüge werden auch bei Raymond Waddingtons Suche nach reformerischen Ideen bei Tizian und Aretino deutlich, die Gemälde wie Briefe berücksichtigt und das Porträt des Dichters im religiösen Werk seines Maler-Freundes entdeckt.
Weniger deutlich wird indes, was die einzelnen Befunde zur angestrebten Geschichte der Religion jenseits der Doktrin beitragen. Symptomatisch hierfür ist die Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff der Reform: Um das Etikett "reformorientiert" zu vergeben, genügt gelegentlich schon ein Hinweis auf die Gnade Gottes oder den Schlüsseltext "Il beneficio di Cristo" (z.B. 70, 85, 178). Die Herausgeber hingegen kommen in ihrer Einleitung (1-8) zu dem Schluss, dass Begriffe wie Reform oder gar Reformation das, was sie meinen, nicht wirklich abdecken: Ihnen geht es um die spezifisch italienische Variante der religiösen Kultur innerhalb wie außerhalb des katholischen Establishments im Italien des 16. Jahrhunderts - wie diese zu nennen sei, bleibt weiter offen.
Insgesamt steckt der mit 34 S/W-Abbildungen und einem Namensregister (255-260) ausgestattete Band voller methodischer Anregungen und interessanter Details. Dass es sich lohnt, die Frage nach Religion und religiösem Wandel breit und interdisziplinär anzugehen, zeigen die Beiträge zweifelsfrei. So ist unser Bild der religiösen Kultur im Italien des 16. Jahrhunderts durch diesen Band vielleicht nicht klarer, aber doch reichhaltiger geworden.
Birgit Emich