Rezension über:

Horst Schneider: Kosmas Indikopleustes. Christliche Topographie. Textkritische Analysen. Übersetzung. Kommentar (= Indicopleustoi. Archaeologies of the Indian Ocean; 7), Turnhout: Brepols 2010, 298 S., ISBN 978-2-503-53318-6, EUR 90,00
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Rezension von:
Klaus Geus
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Stellungnahmen zu dieser Rezension:
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Geus: Rezension von: Horst Schneider: Kosmas Indikopleustes. Christliche Topographie. Textkritische Analysen. Übersetzung. Kommentar, Turnhout: Brepols 2010, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 10 [15.10.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/10/19639.html


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Horst Schneider: Kosmas Indikopleustes

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Kosmas Indikopleustes ist den Altertumswissenschaftlern vor allem durch zwei Dinge bekannt: durch die Tatsache, dass er in Adulis griechische Inschriften (u.a. das Monumentum Adulitanum über den Feldzug Ptolemaios III. gegen die Seleukiden) kopierte und durch sein abstruses Weltbild: er stellte sich das Weltall als ein zweistöckiges Haus, die Erde als eine rechteckige Plattform vor. Kosmas, vermutlich ein Nestorianer, hing nämlich der Interpretationsmethode der syrisch-antiochenischen Schule an, die die Bibel wörtlich verstand und auslegte.

Neben seiner Christlichen Topographie schrieb der ehemalige Kaufmann eine Astronomie, einen Kommentar zum Hohenlied und eine Geographie. Teile von letzterer mögen in Logos XI der Topographia Christiana Eingang gefunden haben.

Die vorliegende Arbeit wurde 2004 als schriftliche Habilitationsleistung im Fach Byzantinistik an der Philologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum angenommen. Dies weckt, wie der Untertitel "Textkritische Analysen, Übersetzung, Kommentar" große Erwartungen. Diese werden leider nur zum Teil eingelöst. Das Buch besteht in ihrem weitaus größten Teil "nur" aus einer deutschen Übersetzung der "Christlichen Topographie" des Kosmas Indikopleustes.

Eine zwanzigseitige Einleitung, ein eher dürrer Fußnotenkommentar, eine knappe Zusammenfassung, zwei Anhänge, eine Bibliographie und ein winziger Index (75 Stichworte, einschließlich mehrerer Querverweise wie "Büffel siehe Stierhirsch") sowie kurze Einführungen in die zwölf Logoi des Werkes helfen dem interessierten Leser, das Werk des Kosmas theologisch, literatur- und ideengeschichtlich zu verorten. Schneiders Leistung besteht aber in erster Linie darin, die erste vollständige Übersetzung (nach Wolska-Conus' Text in den "Sources Chrétiennes") in deutscher Sprache vorgelegt zu haben.

Schneider hat sich an anderer Stelle (BZ 99, 2006, 605-614) mit der handschriftlichen Überlieferung der Topografia Christiana des Kosmas auseinandergesetzt, sodass man das Fehlen des griechischen Textes mit Bedauern konstatieren muss, zumal er sich - was die Einschätzung der Scholien (so genannter Paragraphai) und anderer Passagen anbelangt - von den älteren Ausgaben von Winstedt und Wolska-Conus unterscheidet und gute Argumente für eine Revision der in drei Handschriften erhaltenen Topographia Christiana beibringt.

Die vor dem Logos I erhaltenen Texte - Gebet, Prolog A´, Prolog B´, Pinax und Hypothesis von Logos I-V weist Schneider vier verschiedenen, letztlich auf Kosmas selbst zurückgehenden Fassungen zu und erklärt sie alle aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen für echt (an eine zwölfbändige Ausgabe will aber auch Schneider nicht glauben). Dagegen sieht er in den Paragraphai Erläuterungen eines späteren Schreibers, vielleicht eines gebildeten Mönches der syrianisch-antiochenischen Schule. Folgerichtig sind diese in kleinerer Type als Anmerkungen abgedruckt. Die Kapitelzählung ist aus der Ausgabe von Wolska-Conus übernommen.

Die deutsche Übersetzung ist im Allgemeinen zuverlässig und wörtlich. An problematischen Stellen wird sie im Fußnotenkommentar erläutert. Irrtümer, Versehen, Nachlässigkeiten kommen bei einem so langen Text wie der Topographia Christiana fast schon zwangsläufig vor (ein Beispiel aus 11,XIIb: Das im Deutschen missverständliche "Das erzählten uns Sopatros und seine Begleiter auf der Insel aus Adulis" entsteht, weil das "apelthontes" unterschlagen wurde).

Schneiders Fußnotenkommentar ähnelt in Zielrichtung und Umfang dem von Wolska-Conus. Seine Stärke liegt vor allem in den theologischen und sprachlichen Anmerkungen und dem Aufweis der biblischen und sonstigen Parallelen. Die sachlichen Erläuterungen - besonders zu den historischen, astronomischen und geographischen Hintergründen - beschränken sich leider auf ein Minimum.

Die zahlreichen Hinweise auf Zeichnungen in den Handschriften versucht Schneider leider nicht graphisch umzusetzen. Wenn man diese Entscheidung im Einzelfall auch nachvollziehen kann, muss man aber doch verwundert konstatieren, dass selbst eine Umzeichnung der ausführlich beschriebenen Erdkarte des Kosmas fehlt. Daher bleibt vieles sehr unanschaulich. Besonders frustrierend ist dies, wenn Schneider sogar selbst auf Zeichnungen verweist, ohne dass dem Leser die Möglichkeit geboren wird, das nachzuvollziehen (z.B. S. 157/8: "Auch glaubt er [Kosmas] beweisen zu können, daß der Schatten der Sonne nicht kegelförmig, sondern rund ausfällt. Zeichnungen, die den Fall des Schattens auf eine flache und auf eine runde, kugelförmige Erde zeigen, illustrieren seine Argumentation"). Es ist nicht so, dass sich Schneider dieses Problems nicht bewusst wäre (263): "Für das Verständnis von Kosmas' Text sind Illustrationen der verschiedenen Handschriften unerlässlich. Allerdings gilt dies nur für die bunten Darstellungen der Originalminiaturen." Diese merkwürdige Argumentation bereitet dann den Salto Mortale in der Anmerkung 697 vor: "Die Schwarzweißabbildungen der gebräuchlichen Textausgaben vermitteln dem Betrachter nur einen sehr beschränkten Eindruck. Farbige Abbildungen konnten aus Kostengründen leider nicht abgedruckt werden." Ob diese Entscheidung im Sinne des Lesers gefällt wurde?

Ein abschließendes Urteil fällt schwer. Die Übersetzung und die substanzielle Kritik an den gelegentlich problematischen Entscheidungen von Wolska-Conus stehen auf der Haben-Seite. Und die Soll-Seite? Schneider wollte mit diesem Buch eine "unabdingbare Voraussetzung" und "Prolegomena" (263) für eine neue textkritische Ausgabe der Christlichen Topographie des Kosmas schaffen. Man wird ihm zugestehen, dass ein erster Schritt gemacht ist.

Klaus Geus