Joachim Bark / Hans-Christoph Graf von Nayhauss (Hgg.): Profile deutscher Kulturepochen. Aufklärung (= Kröner Taschenbuch; Bd. 507), Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2009, 295 S., 14 Abbildungen, 1 Zeittafel, ISBN 978-3-520-50701-3, EUR 13,90
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Die Aufklärungsforschung, ein seit den 1990er Jahren eher vernachlässigtes Forschungsfeld in Deutschland, scheint allmählich wieder in den Fokus zu rücken. Während international wieder eine Vielzahl von Einzelforschungen erscheinen [1], äußert sich dies hierzulande bislang hauptsächlich in einer Reihe von Einführungs- und Studienbüchern [2], die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind. Der von den beiden Germanisten Joachim Bark und Hans-Christoph Graf von Nayhauss verfasste und konzipierte erste Band der Reihe "Profile deutscher Kulturepochen" reiht sich unter diese Studienbücher ein.
Die gleichfalls von Bark und Nayhauss konzipierte Reihe hat sich zum Ziel gesetzt "Profile deutscher Kulturepochen zurück ins Bewusstsein einer im Abschied vom Medium Buch lebenden Generation zu holen" (9). Die Epoche der Aufklärung wurde als "Anbeginn des bürgerlichen Zeitalters" und "Epochenfundament der Folgezeit" von den Herausgebern bewusst als Beginn der Reihe gewählt (10f). Das Buch selbst besteht aus zwei Teilen, den Einzeldarstellungen der beiden Herausgeber zu Aspekten der Epoche und einer Sammlung von deutschen Quellenauszügen, "Epochenzeugnissen", aus dem Zeitalter der Aufklärung.
Gleich zu Beginn besticht der Band durch seine stimmige Einleitung, die es vor allem zu leisten vermag, die deutsche Aufklärung in ihren europäischen Kontext einzuordnen und gleichzeitig ihre Besonder- und Eigenheiten zu betonen.
Hiernach folgt mit "Die Epoche in der Politik" der schwächste Teil des gesamten Bandes, für den auch keiner der beiden Autoren als Verfasser angegeben ist. Dem Volks-Ploetz von 1979 entliehen, finden sich hier eine kurze Zeittafel und knappe Schilderungen zum Preußen Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II., zum Österreich Maria Theresias und Josephs II. sowie einige Sätze zu verschiedenen Städten und Ständen des Reiches. Der Forschungsstand ist veraltet, die Darstellung grob; trotzdem vermag das kurze Kapitel dem unkundigen Leser zumindest die nötigsten Eckpfeiler zu vermitteln, die zum Verständnis der literarischen Texte notwendig sind.
Ganz anders tritt dem Leser das nachfolgende Kapitel zur Philosophie entgegen. Hier versteht es Bark vorzüglich mittels eines Auszugs aus Herders "Briefen zur Beförderung der Humanität" die Leitideen der Philosophie der Aufklärung verständlich abzuleiten und zu erläutern. Er stellt die deutsche Philosophie in ihren europäischen Kontext und beschreibt, wie der französische Rationalismus und der englische Empirismus in der deutschen Aufklärung vereinigt und umgewandelt wurden.
Auch das Kapitel zur Theologie betont die englischen und französischen Einflüsse auf die Entwicklung der Aufklärungstheologie in Deutschland. Die Schilderung der protestantischen Theologie(n) ist konzise, die jüdische Haskala wird kurz angeschnitten, wohingegen die katholische Theologie, entgegen der neueren Forschung [3], weitgehend ausgeklammert wird: "Man muss den Fokus auf die Situation der protestantischen Kirche in Deutschland eng einstellen: Der Katholizismus hielt sich im 18. Jahrhundert von den ausländischen Einflüssen und auch von den Anmutungen einer aufklärerischen Theologie weitgehend frei, nachdem die konfessionelle Polemik des 17. Jahrhunderts nachgelassen hatte" (45f). Die weiteren Kapitel behandeln die Auswirkungen der Aufklärung auf die Musik und Kunst in Deutschland, wie beispielsweise den Wandel in der Kunsttheorie oder die Auflösung der traditionellen artes liberales in die schönen und die nützlichen Künste, wobei die schönen Künste zur "wahren" Kunst erhoben wurden.
Das letzte Kapitel über die Literatur ist das zentrale Kapitel für die deutsche Aufklärung, denn "während in England und Frankreich durch die Aufklärung praktische Fortschritte in der Wirtschafts- und Staatstheorie und im Kampf gegen die Kirche und den Absolutismus erreicht wurden, gehörte zur Besonderheit der Aufklärung in Deutschland die Hinwendung zu Philosophie und Kunst, insbesondere zu Literatur und Musik: Um der miserablen Wirklichkeit zu entfliehen [...] flüchteten die deutschen Aufklärer in die Welt der Abstraktion und der Kunst" (76). Nayhauss hat hier das stärkste Kapitel des Bandes verfasst. Er führt verständlich und knapp in die wichtigen Bereiche und Themen der deutschen Aufklärungsliteratur ein und leitet damit in den großen zweiten Teil des Bandes über.
Der viel Platz einnehmende zweite Teil des Buches enthält eine Sammlung von 39 "Epochenzeugnissen" aus den Bereichen Geschichte, Politik, Kunst, Natur, Theologie, Philosophie, Alltagsleben, Erziehung und Literatur. Die Auswahl bietet nichts Überraschendes, sondern zentrale, bekannte Texte der deutschen Aufklärung. Jedem Textauszug ist ein grauer Kasten vorangestellt, in dem kurz und prägnant Hintergrundinformationen zum Autor und zum jeweiligen Werk sowie eine knappe Würdigung seines Wirkens dargestellt werden. Die Textauswahl ist ausgewogen und entspricht dem Schwerpunkt der deutschen Aufklärung in der Literatur. Sowohl die Hintergrundinformationen als auch die Auszüge laden den Leser zur Vertiefung und zum Weiterlesen der Originaltexte ein. Es ist aufgrund der vorangegangenen konzisen Darstellung der protestantischen Aufklärungstheologie lediglich zu bedauern, dass sich die Quellenauszüge zur Theologie auf Reimarus' Apologie und den unausweichlichen "Lessing contra Goeze" beschränken.
Das Literaturverzeichnis enthält eine Aufstellung der zitierten Texte aus dem 18. Jahrhundert sowie ein knappes Verzeichnis der Forschungsliteratur, in dem erste weiterführende Titel zur Epoche aufgelistet sind. Eine Zeittafel informiert den Leser über die wichtigsten kulturellen und politischen Ereignisse ("Kulturgeschichte" - "Zeitgeschichte") der Jahre 1716 bis 1789, vom Tode Leibniz' bis zum Ausbruch der Französischen Revolution. Besonders hervorzuheben ist hier noch das hervorragend gestaltete Personenregister, in dem alle Personen mit ihren Lebensdaten sowie den im Band erwähnten Werken verzeichnet sind.
Der erste Band der Reihe "Profile deutscher Kulturepochen" bietet eine verständlich geschriebene und gut erläuterte Einführung zur deutschen Aufklärung und regt, besonders auch durch die Quellenauswahl, zum vertieften Studium an. Es eignet sich sehr gut zum ersten Kontakt mit der Thematik "Aufklärung" und kann daher auch Oberstufenschülern nur ans Herz gelegt werden; von den Literaturverzeichnissen der geschichtswissenschaftlichen Lehrveranstaltungen wird es Stollberg-Rilingers Büchlein dagegen gewiss nicht vertreiben.
Anmerkungen:
[1] Beispielsweise Jeffrey D. Burson: The Rise and Fall of Theological Enlightenment. Jean-Martin de Prades and Ideological Polarization in Eighteenth-Century France, Notre Dame 2010.
[2] Unter anderen Angela Borgstedt: Das Zeitalter der Aufklärung (= Kontroversen um die Geschichte), Darmstadt 2004; Annette Meyer: Die Epoche der Aufklärung (= Akademie Studienbücher Geschichte), Berlin 2010; Werner Schneiders: Das Zeitalter der Aufklärung (= Beck'sche Reihe 2058), 4. Aufl. München 2008; Barbara Stollberg-Rilinger: Die Aufklärung. Europa im 18. Jahrhundert (= Reclams Universal-Bibliothek; 18882), 2. Aufl. Stuttgart 2011.
[3] Zuletzt Ulrich H. Lehner: A Companion to the Catholic Enlightenment in Europe, Leiden / Boston 2010.
Sascha Weber