Mark Juergensmeyer: Die Globalisierung religiöser Gewalt. Von christlichen Milizen bis al-Qaida, Hamburg: Hamburger Edition 2009, 485 S., ISBN 978-3-86854-209-7, EUR 35,00
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Das Werk Die Globalisierung religiöser Gewalt stammt von Mark Juergensmeyer, Soziologieprofessor und Direktor des Orfalea Center for Global and International Studies der Universität Kalifornien. Ziel von Juergensmeyer ist es herauszuarbeiten, wie religiöse Gewalt entsteht und was ihre aktuelle Blüte hervorgerufen hat.
Die Studie von Juergensmeyer ist das Resultat eines 1986 begonnen Forschungsprojekts eben zum Thema religiös motivierter Gewalt. Sie baut auf seinem bereits 1992 erschienen Werk "The New Cold War? Religious Nationalism Confronts the Secular State?" auf, wobei Teilabschnitte des hier zu besprechenden Buches bereits im Vorfeld publiziert wurden. Juergensmeyer verwendet den bestehenden Forschungsstand zum Themenkomplex als Referenzrahmen seiner Arbeit, wobei er darüber hinaus auf eigene Fallstudien und auf Interviews mit religiösen Extremisten zurückgreift.
Juergenmeyer möchte mit seiner Studie Fragen zur Gewaltbereitschaft und zum aktiven Widerstandspotenzial in allen Religionen beantworten. Seine Kernfragen lauten: Warum gibt es religiöse Unruhen? Wieso finden sie heute statt und in welcher Relation stehen sie zum säkularen Nationalismus? Dabei geht der Autor von der These aus, dass religiöser Aktivismus aus Enttäuschung über den weltlichen Nationalstaat und die Moderne entstand.
Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel. Im ersten Abschnitt befasst sich der Autor mit der Rolle des säkularen Staates als Auslöser religiöser Gewalt in Form von Oppositionsbewegungen. I?n drei Unterkapiteln analysiert der Verfasser dann, wieso der säkulare Nationalismus an Glaubwürdigkeit verloren hat, so dass sich ein "religiöser Nationalismus" als neue, konkurrierende Ideologie entwickeln konnte. Schließlich erläutert er, dass die gegenseitige Ablehnung beider Ideologien zur Radikalisierung religiöser Aktivisten geführt habe.
Die folgenden Kapitel (2-4) befassen sich mit gewaltbereiten Fundamentalisten in verschiedenen Regionen. Zunächst stellt Juergensmeyer den Nahen Osten als "Frontlinie" der religiösen Rebellion vor. Dabei zeichnet er die Entstehungsgeschichte von muslimischem Extremismus in Ägypten nach, bevor er die iranische Revolution als Ablehnung des Säkularismus analysiert. Die folgenden Unterabschnitte gehen auf den militanten Zionismus, die islamische Intifada und die aktuellen Widerstandsgruppen im Irak ein. Der Verfasser arbeitet jeweils heraus, wieso diese Bewegungen zu Gegnern des säkularen Staates wurden. Abschließend folgt ein Überblick über weitere religiöse Aktivisten im Nahen Osten und Afrika. Das dritte Kapitel setzt sich mit demselben Phänomen in Süd-, Mittel- und Südostasien auseinander. Nachdem zunächst mit Zentralasien erneut islamische Gruppen im Zentrum stehen, wechselt Juergensmeyer zu Spielarten religiöser Gewalt bei anderen Religionsgruppen: Hindus, Sikhs und Buddhisten. Anhand prägnanter Beispiele präsentiert der Autor, wie Eindämmungsversuche des säkularen Staates zur Radikalisierung religiöser Gruppen beitragen. Es wird deutlich, dass alle Religionen das Potenzial zur Radikalisierung beinhalten. Dies leitet zum vierten Kapitel über, welches sich mit religiöser Gewalt in Europa, den Vereinigten Staaten und Japan befasst. Im ersten Unterabschnitt steht Religion als Gegenpol zum sozialistischen Staat im Zentrum. Anhand von Länderbeispielen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken sowie Ostasien und Lateinamerika bietet der Autor ein breites Spektrum der Entwicklung von religiösem versus säkularem Nationalismus während und nach dem Kalten Krieg. Anschließend befasst sich Juergensmeyer mit dem Thema christlich-säkularer Fremdenfeindlichkeit in Westeuropa und dem Nordirlandkonflikt, welchen er als beispielhaft für eine friedliche Lösung der Konfrontation zwischen säkularer und religiöser Ideologie ansieht. Die letzten Unterkapitel zur japanischen Aum Shinrikyo Sekte und der nordamerikanischen militanten christlichen Rechten liefern Beispiele für gegen den säkularen Staat gerichtete religiöse Aktivisten, welche die eigenen Landsleute angreifen.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Entstehungsgeschichte und der Entwicklung des globalen Dschihad. Juergensmeyer stellt die ideologischen Grundlagen und die Herausbildung von verschiedenen Netzwerken infolge des Afghanistankrieges dar. Schließlich analysiert der Autor, wie der 11.September die Globalisierung der dschihadistischen Ideologie und ihres Gewaltpotenzials förderte. Kapitel sechs hinterfragt dann, wieso religiöse Konfrontation in Gewalt ausartet. Die Antwort lautet, so Juergensmeyer, dass religiöse Rebellion zum Machtgewinn marginalisierter Völker und ethnischer Gruppen dient, sodass Religion eine Gefahr für Demokratie sein kann. Der Autor weist daraufhin, dass das Phänomen religiöser Aufstände auch ein Konflikt zwischen Minderheitenrechten und individuellen Menschenrechten ist.
Juergensmeyer kommt zu dem Schluss, dass der aktuellen religiösen Gewalt vier Stadien zugrunde liegen: Aufstände, Internationalisierung, Antiamerikanismus und Globaler Krieg. Religion bildet dabei ein Mittel, die Konflikt zielgerichtet zu verschärfe. Sie dient der Legitimation und beinhaltet einen Absolutheitsanspruch. Für die Zukunft sieht der Autor sowohl Chancen für eine Annäherung der Ideologien des säkularen und religiösen Nationalstaats als auch für weitere Konflikte.
Das Werk überzeugt in Gänze durch seine klare Struktur und vielfältige Beispiele. Juergensmeyer gewährt einen umfassenden Überblick über die Spielarten von religiöser Gewalt auf der ganzen Welt, wobei der Fußnotenapparat dem Leser durch Querverweise die Möglichkeit zu weiterführender Lektüre bietet.
Tonia Schüller