Christine Tropper: Glut unter der Asche und offene Flamme. Der Kärntner Geheimprotestantismus und seine Bekämpfung 1731-1738 (= Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; Bd. 9), München: Oldenbourg 2011, 501 S., ISBN 978-3-486-70429-7, EUR 69,80
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Die Thematik des Geheim- oder Kryptoprotestantismus in den Ländern der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg ist in jüngster Zeit wieder etwas stärker in den Fokus der Forschung gerückt, wie prominente Studien, gerade auch des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung zeigen. [1] Christine Tropper legt nun einen weiteren gewichtigen Band zur Thematik vor, freilich mit eng begrenztem regionalem und zeitlichem Fokus. Es geht um den Kärntner Geheimprotestantismus in den Jahren zwischen dem offenen Auftreten der Salzburger Protestanten 1731 und dem vorläufigen Ende der Bekämpfung des Kärntner Protestantismus 1738. Vorgelegt werden wichtige Quellen aus der lokalen Überlieferung, die bisher - wie Tropper betont - kaum genutzt worden sind, darunter das Friesacher Archidiakonatsprotokoll, Akten der Herrschaft Afritz / Gegend und der Pfarrei St. Lorenzen in der Reichenau, die Gurker Konsistorialprotokolle sowie die Instruktion für den Religionskommissar Graf Grottenegg und schließlich der ausführliche Visitationsbericht von 1734/35. Diese Quellen erlauben, so die Bearbeiterin, einen vertieften Einblick in die Praktiken und Lebenswirklichkeiten der Geheimprotestanten und können auch aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen genutzt werden. Sie seien somit eine wichtige Ergänzung zu den Akten der Zentralbehörden.
Auf den ersten 128 Seiten führt Tropper in die Thematik des Kärntner Geheimprotestantismus ein und erläutert dabei die Rahmenbedingungen unter der weltlichen und geistlichen Verwaltung, die räumlichen Gegebenheiten, die Ereignisabläufe und die Maßnahmen zur Bekämpfung der Protestanten. Sie beginnt dabei mit einem knappen Überblick über die bisherige Forschung, der freilich etwas holzschnittartig ausfällt, zumal er weitgehend unter der Perspektive eines eher positivistisch verstandenen Erkenntnisfortschritts abgebildet wird. Hier hätte man sich eine tiefergehende Darstellung der Entwicklung von Fragehorizonten im Rahmen der allgemeinen Entwicklung der Geschichtswissenschaft gewünscht. Lediglich die konfessionelle Ausrichtung älterer Studien findet Erwähnung.
In Übereinstimmung mit der jüngeren Forschung betont Tropper vor allem die Bekanntheit des Phänomens "Geheimprotestantismus" bei den kirchlichen und weltlichen Behörden. "Geheimprotestantismus" sei daher nicht im Sinne eines Geheimnisses zu verstehen, sondern als Form der Illegalität innerhalb eines nur äußerlich monokonfessionellen Staatswesens (15). Es wird deutlich, dass der Zwang zur Rekatholisierung des im 16. Jahrhundert nahezu vollständig protestantischen Kärnten im frühen 17. Jahrhundert noch gering war und dass kirchliche wie auch weltliche Obrigkeiten zumeist mit einer rein äußerlichen Bekehrung der Protestanten zufrieden waren (21, 24, 27), ein Phänomen, das sich auch woanders beobachten lässt. Insbesondere scheiterten die Bemühungen um eine Rekatholisierung vielfach an fehlendem Personal und mangelhafter institutioneller Infrastruktur. Tropper betont, dass die religiöse Bildung der katholischen Bauern zumeist äußerst gering gewesen sei, weil kein Schulunterricht, vielfach auch keine Predigt stattgefunden habe. Die Verbesserung der Seelsorge und der Katechisierung der Bevölkerung war daher ein wichtiger Bestandteil des Vorgehens gegen den Protestantismus, die etwa durch die Einrichtung von Missionsstationen gefördert werden sollte. Daneben kamen Zwangsmaßnahmen bis hin zu den unter Karl VI. einsetzenden 'Transmigrationen' nach Siebenbürgen zum Einsatz.
Freilich betont die Verfasserin, dass man auch die Lesefähigkeit der Protestanten nicht überschätzen sollte (91), während orale Traditionen und das protestantische Liedgut eine hohe Bedeutung gehabt hätten. An anderer Stelle hebt sie freilich auch die Rolle protestantischer Bücher hervor und weist auf den regen Bücherschmuggel hin. Hier wäre tatsächlich zu fragen, inwieweit Bücher nicht auch eine symbolische Bedeutung hatten und zur Identitätsstiftung der Geheimprotestanten beitrugen, selbst dann wenn die Alphabetisierungsrate gering war.
Mit dem im späteren 17. und im 18. Jahrhundert zunehmenden Konformitätsdruck, der auch spezifisch katholische Frömmigkeitspraktiken verbindlicher machte, erhöhte sich das offen deviante und widersetzliche Verhalten der Protestanten, wobei das Bekanntwerden der Vorgänge im Erzstift Salzburg eine wichtige Rolle spielte (29f., 83). Auch Kärntner Protestanten nahmen nun Kontakt zum Corpus Evangelicorum auf, was immerhin auf eine gute Kenntnis der reichsrechtlich gegebenen Möglichkeiten verweist. Zudem wird auf die einsetzende Emigrationswelle kurz eingegangen (87), deren Eindämmung das zentrale Motiv für die gelenkte Umsiedlung nach Siebenbürgen war. Interessant ist Troppers Feststellung, dass die Pfarrer und Obrigkeiten vor Ort durchaus Anweisung hatten, den Protestanten entgegenzukommen: Im Katechismusunterricht sollten die 'Adiaphora' keine Rolle spielen, und Protestanten sollten nicht als Ketzer beschimpft werden. Die Verfasserin verweist dabei auf die noch offene Forschungsfrage, inwieweit nicht bereits unter Karl VI. eine aufklärerische Umgestaltung katholischer Frömmigkeitspraktiken eingesetzt habe (124).
Nach einer knappen, aber klaren Darstellung der Editionsprinzipien beginnt die Edition der umfangreichen Quellenbestände ab Seite 146. Dabei sind die Quellen in chronologische Blöcke unterteilt. Zunächst werden die Archivalien vom Beginn der Salzburger Vorgänge 1731 bis zur Hauptresolution vom August 1733 abgedruckt. Es folgen die sehr aufschlussreiche Instruktion für den Religionskommissar (Hauptresolution), sodann der Zeitraum danach bis zur Visitation 1734/35 und abschließend von der Visitation bis Juni 1738. Die Edition folgt dabei den Ansprüchen, die an eine moderne Edition zu stellen sind, mit textkritischem Apparat und Anmerkungen.
Insgesamt legt die Verfasserin einen soliden Überblick über den Kärntner Geheimprotestantismus und eine sicher in vielerlei Hinsicht interessante Quellenedition vor. Der Umgang mit umstrittenen Konzepten, wie etwa dem der Sozialdisziplinierung, erfolgt bisweilen etwas unkritisch, doch ist innerhalb einer Edition der Raum für die Einführung natürlich begrenzt. Bedauerlicher ist, dass Tropper sich mit einem Orts- und Personenregister begnügt und auf eine Sacherschließung verzichtet. Gerade für eine zielgerichtete, multiperspektivische Auswertung der Quellen, wäre ein Sachregister sehr hilfreich gewesen.
Anmerkung:
[1] Etwa Rudolf Leeb / Martin Scheutz / Dietmar Weikl (Hgg.): Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert) (=Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; 51), Wien / München 2009. Rezensiert in sehepunkte 9 (2009), Nr. 5 http://www.sehepunkte.de/2009/05/15576.html.
Ulrich Niggemann