Rezension über:

Siegfried Haider (Bearb.): Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten. Kritische Edition (= Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung; Bd. 8), Wien: Böhlau 2011, 383 S., ISBN 978-3-205-78664-1, EUR 59,80
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Rezension von:
Monika von Walter
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München
Redaktionelle Betreuung:
Georg Vogeler
Empfohlene Zitierweise:
Monika von Walter: Rezension von: Siegfried Haider (Bearb.): Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten. Kritische Edition, Wien: Böhlau 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 3 [15.03.2012], URL: https://www.sehepunkte.de
/2012/03/20619.html


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Siegfried Haider (Bearb.): Die Traditionsurkunden des Klosters Garsten

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Nur drei Jahre nach dem Erscheinen seiner Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten im Jahre 2008 [1] stellt Siegfried Haider nun die Edition der Traditionsurkunden vor.

Das 1092 von dem steirischen Markgrafen Otakar II. als Hauskloster und Grablege gegründete und 1107 in ein Benediktinerkloster umgewandelte Stift Garsten südlich von Steyr in Oberösterreich erhielt bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts bedeutende Schenkungen. Die Besitzschwerpunkte des Klosters lagen in den heutigen österreichischen Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark. Durch Kaiser Joseph II. 1787 säkularisiert, beherbergen die Klostergebäude seit 1850 eine Justizvollzugsanstalt für Männer. [2]

Die Studien, die eine wichtige Vorstufe zur jetzt vorgelegten kritischen Edition darstellen, befassten sich mit der Überlieferungsgeschichte der beiden Traditionsbücher, der im Oberösterreichischen Landesarchiv in Linz aufbewahrten Handschrift A und der verschollenen Handschrift B, deren Inhalt anhand eines aus dem 17. Jahrhundert stammenden Inhaltsverzeichnisses rekonstruiert wurde.

Als Vorarbeiten zur späteren Edition lieferten die Studien bereits eine ausführliche Bestandsaufnahme, Beschreibung, Untersuchung und Interpretation der überlieferten Traditionsurkunden, weshalb die Edition selbst nur mehr knappe Zusammenfassungen zu Beschreibung und Entstehungsgeschichte der Handschriften bietet, um eine sinnvolle Überleitung zur Textedition zu gewährleisten.

Den Kurzbeschreibungen der Handschriften A und B und der knappen Schilderung der Entstehungsgeschichte der beiden Traditionsbücher schließt sich ein ausführliches Kapitel über die inneren Merkmale der Traditionsurkunden an, das auf Formular, sprachliche Elemente, Rechtsinhalt und Tradenten näher eingeht. Dabei macht der Autor zwei bemerkenswerte Beobachtungen, die die Garstener Traditionen von anderen bayerischen und österreichischen Traditionsnotizen unterscheiden: Der häufig vorkommende Begriff "traditio" bezeichnet hier nicht die sonst übliche nachträglich aufgezeichnete Traditionsurkunde, sondern den vorangegangenen juristischen Formalakt der sogenannten Auflassung. Auffallend ist auch das wiederholte Auftreten von Frauen, nicht nur als Tradentinnen, sondern sogar in der Funktion des Salmanns oder als Zeuginnen des Rechtsakts, eine wichtige Information für die gesellschaftliche Bedeutung von Frauen im bayerisch-österreichischen Raum.

Der eigentlichen Edition geht eine lange Konkordanzliste voraus, welche die Nummern der bisher im Urkundenbuch des Landes ob der Enns [3] abgedruckten Texte den neuen Nummerierungen in den Handschriften A und B gegenüberstellt. Haider ediert die Traditionscodices A und B getrennt und ergänzt sie durch in keinem der beiden Handschriften enthaltene Überlieferung. Dabei beinhaltet die Edition von Codex A nicht nur die Texte der Traditionsurkunden (Nr. T 1-202), sondern auch die Urkundentexte des Kopialbuch-Teils (Nr. K 1-19) und des Register-Teils (Nr. R 1-24), was der Buchtitel nicht unbedingt vermuten lässt und deshalb lobend hervorzuheben ist. Bereits in seinen Studien zu den beiden Traditionsbüchern hatte Haider den Versuch unternommen, den verschollenen Codex B, ausgehend von einem vermutlich im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts entstandenen und erst vor wenigen Jahren aufgefundenen Inhaltsverzeichnis zu rekonstruieren und dabei Aussehen, Inhalt und Aufbau der Handschrift anhand aller verfügbarer Materialien erschlossen. Die Texte konstruiert Haider aus den Angaben des Inhaltsverzeichnisses des 17. Jahrhunderts und einem älteren Abdruck der Garstener Urkunden. [4] Im Falle der Parallelüberlieferung einer Tradition in beiden Handschriften A und B werden Erläuterungen zu Personen- und Ortsnamen nur einmal bei Handschrift A angeführt.

Die Arbeit endet mit einem umfangreichen Orts- und Personenregister, das auf eine sonst bei Editionen übliche Zusammenfassung der Buchstabengruppen B/P, C/K und D/T verzichtet, sowie einem Wort- und Sachregister.

Genaue Lokalisierungen der Ortsnamen und deren Wiedergabe in moderner Schreibweise sind als Fußnoten auf jeder Seite und nicht erst im Registerteil zu finden, was eine rasche Orientierung ermöglicht und die Benützung der Edition insgesamt erleichtert. Nachteilig für die Benützung wirkt sich dagegen die Tatsache aus, dass die Forschungsergebnisse in zwei Schritten veröffentlicht wurden und wichtige Informationen dadurch auf zwei Bücher verteilt sind, wie der Autor selbst in seinem Vorwort zugibt. Diese Vorgehensweise ermöglichte es zwar, Verbesserungen und Korrekturen der Fachwelt zu den Studien bereits in die Edition mit einfließen zu lassen, doch ist dies leider nicht immer in wünschenswertem Umfang gelungen. So hätten z.B. inzwischen vorliegende, eingehende personengeschichtliche Forschungen bei zeitlichen Bestimmungen mehr Berücksichtigung finden können (vgl. Angaben zum Tradenten Reginher in T 37). Insgesamt betrachtet fielen die Angaben zur Datierung der Traditionen, die Haider in seinen Bemerkungen zur Edition angibt, eher sparsam und vorsichtig aus. Dass Traditionsnotizen in den meisten Fällen undatiert sind, ist eine bekannte und unangenehme Tatsache; die Datierungen aber dann ausschließlich an den Regierungsperioden der steirischen Markgrafen, die mitunter recht lang waren, festzumachen, lässt die Möglichkeit aus, aus der Nennung mehrerer Personen oder anderer Anknüpfungspunkte die Intervalldatierungen genauer einzugrenzen. Auch manch unsichere Lagebestimmungen von Ortsnamen (z.B. "Horsdorf" in T 41) wären, gerade bei weit auseinander liegenden Varianten, durch besitzgeschichtliche Studien in spätmittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Quellen zur Grundherrschaft des Klosters sicher eindeutiger ausgefallen. Es ist daher auch bedauerlich, dass ein größerer Abschnitt zur Besitzgeschichte des Klosters Garsten fehlt, bieten doch gerade Traditionsurkunden wie keine anderen Quellen Einblick in die frühe Entstehungsgeschichte einer Grundherrschaft.

Trotz einiger unerfüllt gebliebener Desiderate ist mit der vorliegenden Edition wieder eine Lücke in der Traditionsbuchforschung geschlossen worden, der hoffentlich noch viele weitere Editionen folgen werden. Nach der Edition des Traditionsbuches von Mondsee ist damit für ein weiteres oberösterreichisches Kloster eine unentbehrliche Quellenbasis in moderner Form geschaffen, die für alle Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte in der Gegend um Steyr und darüber hinaus heranzuziehen ist. Schade ist nur, dass für die einfache Paperbackaufmachung - in der noch dazu aufgrund der vorweggenommenen Veröffentlichung der Studien wichtige Informationen fehlen - ein recht stolzer Preis von knapp 60 Euro veranschlagt wird, während die Ausgaben der bayerischen, beim Beck-Kommissionsverlag erscheinenden Traditionsbucheditionen bereits seit Jahren trotz der höherwertigeren Aufmachung zu einem wesentlich geringeren Preis angeboten werden.


Anmerkungen:

[1] Siegfried Haider: Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband; 52), München: Oldenbourg 2008.

[2] Auf die Bedeutung der Traditionsbücher und deren Publikation in Bayern und Österreich wurde bereits in der Rezension zu den Studien 2009 näher eingegangen (Monika von Walter: Rezension von: Siegfried Haider: Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters Garsten, München: Oldenbourg 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 9 [15.09.2009], URL: http://www.sehepunkte.de/2009/09/15922.html )

[3] Urkunden-Buch des Landes ob der Enns, Band 1-6, Wien 1852-1872.

[4] Franz Kurz: Beyträge zur Geschichte des Landes Oesterreich ob der Enns, Band 2, Linz 1808.

Monika von Walter