Ingrid Jander: Politische Verfolgung in Brandenburg 1949 bis 1953. Der Kampf gegen Ost-CDU, Bauern und Kirchen im Spiegel der Akten von SED und Staatsicherheit (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte; Bd. 59), Düsseldorf: Droste 2012, 628 S., ISBN 978-3-7700-1910-6, EUR 49,90
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Seit vielen Jahren beschäftigt sich die zeithistorische Forschung mit der Geschichte der Christlich Demokratischen Union in der DDR. Von den "bürgerlichen" Blockparteien, die im politischen System des "Arbeiter- und Bauernstaates" existierten, gilt die Entwicklung der CDU als vergleichsweise gut aufgearbeitet. Angefangen mit den schwierigen Anfängen der Partei in der Nachkriegszeit über ihren vergeblichen Kampf gegen die Durchsetzung des Machtanspruchs der SED bis hin zu biografischen Studien über führende Christdemokraten wie Andreas Hermes und Jakob Kaiser, Georg Dertinger und Gerald Götting - meist hat die Forschung den Fokus auf den Wandel der CDU von einer um Eigenständigkeit ringenden "bürgerlichen" Kraft zum servilen Blockpartner gelegt. Trotzdem gibt es immer noch weiße Flecken in der Geschichte dieser Partei. So hat sich erst in den letzten 15 Jahren ein zunehmendes Interesse an den CDU-Landesverbänden in der SBZ/DDR herausgebildet. Deren Entwicklung wurde bislang vornehmlich aus der Perspektive der Berliner Parteizentrale betrachtet. Dabei ist seit den Arbeiten von Manfred Agethen, Ralf Thomas Baus, Günter Buchstab, Michael Richter und anderen längst bekannt, dass gerade an der Parteibasis der Widerstand gegen die aufgezwungene politische Anpassung besonders groß war.
Im Mittelpunkt der Studie von Ingrid Jander steht die Frage, wie sich der politische Gleichschaltungsprozess innerhalb des CDU-Landesverbandes in Brandenburg vollzog. Jander betont zwar zu Recht, dass die Union seit ihrer Gründung Repressionen ausgesetzt war. Gleichwohl verortet sie die entscheidende Phase der Gleichschaltung in den Jahren 1949/50. Die Autorin konzentriert sich in ihrer Darstellung auf die Perspektive des SED-Machtapparates. Sie interessieren die Entscheidungswege, die verantwortlichen Akteure sowie die Methoden, die zur Umsetzung des Zieles, die SED als alleinherrschende Staatspartei zu etablieren, angewandt wurden. Gleichzeitig möchte Jander die Widerstandsbereitschaft innerhalb der brandenburgischen CDU beleuchten, als sich die Partei an einem Scheideweg zwischen Unterordnung und Verweigerung befand. Jander geht es in erster Linie um das Schicksal der Parteimitglieder an der Basis, die sich, fernab der leitenden Funktionärszirkel in Berlin, ehrenamtlich in den Kreistagen, den Gemeindevertretungen und in den Ortsgruppen politisch engagierten.
Um zu grundsätzlichen Aussagen über die von der SED angewandten Formen politischer Repression zu gelangen, bezieht Jander außerdem zwei gesellschaftliche Gruppen in ihre Untersuchung mit ein, die im Rahmen des "beschleunigten Aufbaus des Sozialismus" 1952/53 von der SED als "Feinde" der neuen Ordnung verfolgt wurden: die als "Großbauern" titulierten Landwirte und die evangelische Kirche. Als inhaltliche Klammer sucht die Autorin nach den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden in der Verfolgungspraxis zwischen den genannten Gruppen. Sie stützt sich auf eine überaus breite Quellengrundlage. So hat Jander nicht nur die Unterlagen der Ost-CDU, sondern auch die für das Thema relevanten Bestände im Brandenburgischen Landeshauptarchiv sowie im Bundesarchiv ausgewertet. Eine wichtige Ergänzung findet sich in den Akten der BStU. Den aktuellen Forschungsstand sowohl zur Ost-CDU und zur SED als auch zur brandenburgischen Landesgeschichte nach 1945 hat die Autorin stets im Blick.
Die Verschiebung der für den Oktober 1949 angekündigten Landtags- und Kommunalwahlen um ein Jahr bescherten der SED-Führung und ihren Landesorganisationen ein Zeitfenster, das dazu genutzt wurde, um systematisch gegen politische Gegner vorzugehen. Als Ziel gab die Parteispitze um Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht die endgültige Gleichschaltung der "bürgerlichen" Parteien und ihre Säuberung von "reaktionären Elementen" vor. Wie alle anderen Landesverbände wurde die brandenburgische CDU in den Monaten nach der DDR-Gründung von mehreren Säuberungswellen erfasst, deren Planung und Kontrolle in den Händen der SED-Landesleitung, diverser Parteigremien sowie der staatlichen Sicherheitsorgane lag. Im Gegensatz zur Stalinisierung der Einheitspartei, die sich vorwiegend als ein interner Prozess vollzog, trug die SED ihren Kampf gegen die CDU bewusst an die Öffentlichkeit. Jander führt die ganze Bandbreite des Instrumentariums anschaulich vor Augen, das 1949/50 gebraucht wurde, um angebliche "Reaktionäre" auszuschalten.
Als eine ebenso infame wie effektive Methode erwiesen sich die bis ins Detail durchgeplanten Pressekampagnen. Sie hatten das Ziel, Unionsmitglieder auf der lokalen Ebene durch Diffamierungen zur Aufgabe ihrer Ämter zu zwingen. Reichte das nicht aus, folgten vermeintlich spontane, in Wirklichkeit jedoch straff choreografierte Empörungsaktionen mit öffentlichen Kundgebungen und Protestresolutionen. Indem Jander die CDU-Organisationen in sämtlichen 27 Stadt- und Landkreisen Brandenburgs berücksichtigt, kann sie eine große Fülle an tragischen Schicksalen von oppositionellen CDU-Politikern nachweisen, die auf diese Weise ihre Ämter verloren und aus der Partei entfernt wurden. Die Autorin spricht im Zusammenhang mit den gesteuerten Kampagnen von der "mildere[n] Variante eines Schauprozesses" (351), die letztlich keine Möglichkeit zur Verteidigung bot. In dem Vorgehen gegen die CDU kann sie eine Vorbildfunktion für die spätere Verfolgung der Landwirte und der Kirchenmitglieder ausmachen: Mit den Erfahrungen bei der Verfolgung der Christdemokraten habe "ein ausgereiftes Modell totalitärer Herrschaftsdurchsetzung" zur Verfügung gestanden, "das in seiner methodischen Vielfalt von subtilen bis zu gewalttätigen Repressionsmaßnahmen voll entwickelt war" (528). Welche quantitativen Ausmaße die Verfolgungen in Brandenburg annahmen, wird daran ersichtlich, dass Jander die Zahl der an den Repressionen aktiv Beteiligten auf mehrere tausend Personen schätzt. Von Einzelfällen konnte also keine Rede sein. Vielmehr handelte es sich um ein systematisches und flächendeckendes Vorgehen, das von der SED als "Kampf bis ins letzte Dorf" getragen wurde (306).
Der große Erkenntnisgewinn der vorliegenden Studie resultiert aus der extensiven Arbeit der Autorin mit den Quellen. An einigen Stellen scheint sie allerdings der Faszination der von ihr gesichteten Akten zu erliegen. So versucht Jander an verschiedenen Stellen, exemplarische Schicksale im Detail zu rekonstruieren. Diese an sich anschauliche Methode führt jedoch, wendet man sie zu häufig an, zu übermäßig langen Zitaten und exkursartigen Chronologien. Hier wäre weniger mehr gewesen. Auch die bis in die sechste Unterebene reichende Gliederung der Arbeit ließe sich entschlacken. Über Janders Einschätzung der LDP, die eher eine "auf Anpassung und Verständigung ausgerichtete Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht" verfolgt habe (94), lässt sich zudem streiten. Denn auch in den Landesverbänden der Liberaldemokraten war der Kurs der eigenen Parteiführung oft genug umstritten. Einigen Passagen kann man die Empörung der Autorin über das rücksichtslose Vorgehen des SED-Apparats gegen Oppositionelle, über die "kalte Inhumanität des Regimes" (13) und die "terrorähnlichen Aktionen" (350) deutlich anmerken. Die von ihr präsentierten Fakten sprechen aber eine so eindeutige Sprache, dass solche emotionalisierenden Urteile gar nicht notwendig wären.
In der Gesamtbewertung bleibt festzuhalten, dass Ingrid Jander eine sehr verdienstvolle und materialreiche Studie vorgelegt hat, die viele neue Informationen und Einsichten zur Verfolgungspraxis politischer Oppositioneller durch das SED-Regime enthält. Die Arbeit bietet nicht nur für die brandenburgische Landesgeschichte und die Geschichte der Ost-CDU wichtige Erkenntnisse. Gerade durch den Blick auf die lokale und die regionale Ebene dürften künftig auch Forschungen zur allgemeinen Bedeutung von Widerstand und Opposition in der frühen DDR an Janders gehaltvollem Werk nicht mehr vorbeigehen können.
Michael C. Bienert