Britta Kägler / Gesa zur Nieden: "Die schönste Musik zu hören". Europäische Musiker im barocken Rom, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012, 128 S., ISBN 978-3-534-23904-7, EUR 19,90
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Sabine Henze-Döhring: Friedrich der Große. Musiker und Monarch, München: C.H.Beck 2012
Gesa zur Nieden / Berthold Over (eds.): Musicians' Mobilities and Music Migrations in Early Modern Europe. Biographical Patterns and Cultural Exchanges, Bielefeld: transcript 2016
Marie Schlüter: Musikgeschichte Wittenbergs im 16. Jahrhundert. Quellenkundliche und sozialgeschichtliche Untersuchungen, Göttingen: V&R unipress 2010
Die Musikstadt Rom in all ihren Facetten beleuchten zu wollen wäre ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, ist doch die schiere Fülle musikbezogener Quellen und Zeugnisse ebenso unüberschaubar wie die - Tibull zufolge - Ewige Stadt. Auch die Konzentration auf das barocke Rom, die Britta Kägler und Gesa zur Nieden in ihrem Buch vornehmen, hilft nur wenig, war doch Rom in der Zeit von etwa 1600 bis 1750 eine der musikalischen Weltstädte, in der sich Musiker aus vieler Herren Länder aufgehalten haben: zur Ausbildung, auf der Suche nach Mäzenen oder auch in (häufig vergeblicher) Hoffnung auf eine Anstellung.
Die Autorinnen wählen nun jedoch mit großem Gewinn einen Zugang, der nicht die bekannten Höhepunkte der römischen Musikgeschichte des Barock nacherzählt. Vielmehr betrachten sie Rom gleichsam aus Sicht der Musiker: Warum und auf welchen Wegen fanden diese den Weg in die Ewige Stadt? Wie funktionierten Kommunikation und Eingliederung? Mit einem (leider nur verbal mitgeteilten) musikalischen Stadtplan Roms in der Barockzeit zeigen die Autorinnen die Orte musikbezogenen Handelns und porträtieren einige der jeweiligen Akteure, um schließlich die Darstellung mit drei Fallstudien abzurunden. Dabei sind die Ausführungen zu Georg Friedrich Händels Romaufenthalt gewissermaßen kanonisch; mit größerem Interesse folgt man der kurzen Episode zum Sänger und Kammerdiener Ludwigs XIII. Pierre de Nyert oder den Anmerkungen zu den spanischen Kastraten, wie sie zuerst in der Capella Sistina in Rom Fuß fassten.
Es ist freilich nicht zu übersehen: Das schön aufgemachte Buch mit seinen lediglich 128 Seiten wendet sich an ein historisch interessiertes Lesepublikum jenseits enger (fach-)wissenschaftlicher Grenzen. Dazu gehört der Verzicht auf Fußnoten oder andere Nachweise im Text, dazu gehört, dass die gewählte Methode der Darstellung theoretisch nicht reflektiert wird, und dazu gehört auch, dass viele bereits erledigt gewähnte Diskussionen noch einmal aufgegriffen werden. Dass der Begriff "Barock" als musikalischer Stilbegriff untauglich ist, weiß die musikwissenschaftliche Forschung seit Langem und ebenso, dass die vermeintlichen Begrenzungen dieses Zeitraums einem auch nur in Ansätzen genaueren Blick nicht standhalten. All das erfährt man in diesem Buch auch, ohne dass jedoch die Chance genützt würde, am Beispiel Roms eine positive Definition zu geben. Der Satz "Seinen Ursprung hat der Barock jedoch unbestritten als Entwicklung der bildenden Kunst und der Architektur, die um 1600 in Rom entstehen" (15) ist grammatisch wie sachlich gleichermaßen missverständlich, bleibt aber vor allem ohne weitere Erläuterung oder gar Veranschaulichung.
Was dieses Buch ungeachtet seiner Knappheit und der nicht selten damit verbundenen Oberflächlichkeit dennoch auszeichnet, ist, dass es in drei umfangreichen Registern sichtbar macht, welchen Gewinn der methodische Zugang über Akteure und ihre Netzwerke für die historische Forschung darstellt. Allein das Personenregister weist rund 300 Akteure nach, deren vielfältige persönliche Verbindungen zu Rom die unterschiedlichsten Aspekte musikbezogenen Handelns erkennen lassen. Diese Register belegen somit nicht nur die umsichtige Darstellung der Autorinnen, sondern weisen auch auf das immense Forschungspotenzial des Gegenstandes hin. Es ist ebenso bedauerlich wie verständlich, dass dieses Potenzial in dem schmalen Buch, das sich vermutlich nicht zuletzt auch als Geschenk für Musikfans und Romreisende eignen soll, nur angedeutet werden kann.
Andreas Waczkat