Irene Fosi: Convertire lo straniero. Forestieri e Inquisizione a Roma in età moderna (= La corte dei papi; 21), Roma: Viella 2011, 286 S., ISBN 978-88-8334-642-2, EUR 26,00
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Mit Migration und internationalen Kulturkontakten hat sich unter Fragestellungen von Inklusion und Exklusion in dem letzten Jahrzehnt in der deutschsprachigen Forschung insbesondere die Mediävistik am Beispiel der Deutschen in italienischen Städten beschäftigt. Uwe Israel konstatierte dabei, dass die Forschung ihre Perspektive durch eine zu starke Konzentration auf die kuriale Überlieferung und jene der Bruderschaften der Fremden innerhalb der italienischen Städte verenge. [1] Anfügen ließe sich, dass eine ähnliche Verengung durch den (forschungspragmatischen) "Tunnelblick" auf einzelne "nationale" Gemeinden entsteht.
Die Frühneuzeitforscherin Irene Fosi legt mit dem zu besprechenden Buch insofern eine interessante Studie vor, als sie von der Stadt Rom ausgeht und sich über die "nationale" Perspektive erhebt, indem sie Schicksale von Deutschen, Flamen, Engländern und hugenottischen Franzosen zusammen betrachtet. Dabei wertet sie unter anderem einen Quellenbestand aus, der erst seit der Öffnung des Archivio della Congregazione per la Dottrina della Fede im Jahr 2005 durch den ehemaligen Kardinal Ratzinger der Forschung zur Verfügung steht: die Akten der Inquisition.
Aufbauend auf vor allem deutschsprachigen Forschungen, und zugleich eigene Arbeiten der letzten Jahre synthetisierend, bringt Fosi in ihrer auf das späte 16. und 17. Jahrhundert konzentrierten Studie im ersten Kapitel folgenden Faktor von Inklusion und Exklusion ins Spiel: die "religiöse Identität" (31). In jener Zeit observierten die römischen Autoritäten jegliche stranieri mit Argusaugen, konnte doch von den potentiellen "Häretikern" kaum mehr als das Schlechteste erwartet werden: "Ab Aquilone [...] omne malum" (9). Eine unter konfessionellen Vorzeichen umso wichtigere inkludierende Rolle mussten demnach die "nationalen" Bruderschaften und Gemeinden spielen, weshalb die Kurie versuchte, sie für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Als herausragendes Beispiel dafür präsentiert Fosi das Venerable English College, das nach seiner Übergabe an die Jesuiten im Jahr 1579 ein wahres Nadelöhr für am Tiber anlangende Engländer wurde.
Damit kommt die Autorin zu Anlässen, nach Rom zu kommen und zu Modalitäten der Aufnahme (Kapitel II). Pilgerreisen wurden häufig zur Konversion genutzt. Heilige Jahre wie 1575 und 1600 waren daher Gegenstand ausgedehnter Polemiken. Aus römischer Sicht waren sie eine Gelegenheit, die "pietas romana" zu präsentieren (60) - nach Fosi eine Entwicklung, die der Gründung der Congregatio ad propagationem Fidei im Jahr 1622 Vorschub leistete -, wozu es aber auch der Aufspürung sich verbergender Häretiker innerhalb Roms bedurfte. Wer hier bleiben wollte, nutzte daher häufig die Möglichkeit, sich "sponte comparens" (68) vor den Tribunalen des Glaubens zu präsentieren und dort eine idealisierte Konversionsgeschichte zu erzählen, um seine eigene Inklusion in die Gesellschaft Roms zu befördern.
In den drei folgenden Kapiteln beleuchtet Fosi verschiedene sich aus dieser Situation ergebende römische Schicksale: (1.) das des "häretischen" Goldschmieds Cristoforo Gaspare Fischer, der von Interessenten an seiner Erbschaft in einen Inquisitionsprozess verwickelt wurde; (2.) das des - in seiner Bedeutung noch kaum gewürdigten - Mitglieds der Accademia dei Lincei und einflussreichen Provisors von Santa Maria dell'Anima, Johannes Faber, einer schillernden Figur mit protestantischem Hintergrund, die aufgrund ihrer vielfältigen Netzwerke zu einer Schlüsselgestalt des katholischen Roms wurde; und (3.) das des hugenottischen Konvertiten und Pamphletisten Guillaume Reboul, der als Protegé Heinrichs IV. nach Rom kam und seine Häresieanklage als politisch motiviert sah. Seine Enthauptung wurde von der antikatholischen Presse als Beispiel der römischen Grausamkeit, der "crudeltà romana", ausgeschlachtet (142). Mithin wird an den drei römischen Schicksalen deutlich, dass es nicht nur eine Frage der Konfession, sondern auch der sozialen Stellung, der Netzwerke und der politischen Konstellationen war, ob es zum Häresievorwurf kam oder nicht - und welche Konsequenzen dieser hatte.
Von der römischen kommt Fosi im sechsten Kapitel zur gesamtitalienischen Perspektive. Seien es (neben den Pilgern) Studenten oder Händler - sie waren aufgrund ihrer Undefinierbarkeit und mobilen Flüchtigkeit allenthalben ein Dorn im Auge der Glaubenswächter, deren Observations-, Kontroll- und Konversionsprojekte jedoch oft an mangelnder Durchsetzungsfähigkeit scheiterten. Manch einem ausgesandten Inquisitor konnte angesichts des Widerstandes durch die lokalen Autoritäten in der Korrespondenz mit der Zentrale nur noch ein "ich muss Geduld haben" ("mi bisogna haver pazienza", 162) entfahren.
Eine Wende in der päpstlichen Konversionspolitik brachte das Pontifikat Alexanders VII. Fabio Chigi war schon als Nuntius in Deutschland zum Kenner der Problematiken vor Ort geworden und trat aufgrund dessen für eine neue Politik ein. Die von ihm inaugurierte - in Kapitel VII beschriebene - Strategie zielte vor allem auf die Adeligen ab, die im Rahmen der Grand Tour Italien bereisten. Sie sollten für den katholischen Glauben "kulturell gewonnen" (192) werden und eine Vorbildwirkung entfalten. In der dafür gestarteten publizistischen Kampagne wurde auch versucht, Sprachbarrieren abzubauen: So wurde unter anderem vorgeschlagen, in der "deutschen Nationalkirche" Santa Maria dell'Anima an jedem Feiertag deutsch zu predigen (199), um die richtigen Glaubensinhalte zu lehren. Auch hier gab es wiederum wichtige Mediatoren: etwa Lukas Holste (Holstenius), der 1638 den Rom-Aufenthalt des zwei Jahre zuvor konvertierten Sohnes des Landgrafen von Hessen organisierte.
Eine später entwickelte Initiative, die auf die unteren Schichten abzielte, war hingegen die Errichtung eines Konvertendenhospitals im Jahr 1673, das sowohl Unterstützung als auch Kontrolle gewährleisten sollte (217). Schließlich (Kapitel VIII) wurde auch die Gewährung eines christlichen Begräbnisses als Anreiz eingesetzt, das erst nach Feststellung der Konfession erfolgen konnte. In einem abschließenden kurzen Ausblick auf das 18. Jahrhundert (Kapitel VIII.4) konstatiert die Autorin, dass vor allem die anwachsende Masse der zuströmenden Fremden mit der Zeit zum Problem der römischen Behörden wurde. Am Versuch, ihren Zufluss und ihre Innovationskraft zu kontrollieren, seien die Institutionen letztlich gescheitert (250).
In der großen Linie stellt Fosi den Wandel der römischen Konversionspolitik von der Repression hin zur gnadenvollen und propagandistisch nutzbaren Hilfestellung für die "Häretiker" zu ihrer Wiederaufnahme in den Mutterschoß der katholischen Kirche dar. Der eigentliche Wert ihrer Studie liegt jedoch in den minutiös nachgezeichneten Einzelportraits. Sie lässt die Menschen selbst ihre Schicksale durch die Quellen gewissermaßen als "wahre Geschichten aus den Inquisitionsakten" [2] erzählen und liefert damit mikrogeschichtliche Einblicke in die Kirchen-, Kultur- und Sozialgeschichte Roms in der Frühen Neuzeit.
Anmerkungen:
[1] Uwe Israel: Fremde aus dem Norden. Transalpine Zuwanderung im spätmittelalterlichen Italien, Tübingen 2005, 12.
[2] Damit soll angespielt sein auf das vor allem auf den Akten der Poenitentiarie basierende Buch: Arnold Esch: Wahre Geschichten aus dem Mittelalter - Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst, München 2010.
Tobias Daniels