Evelyne M. F. Verheggen: Beelden voor passie en hartstocht. Bid- en devotieprenten in de Noordelijke Nederlanden, 17de en 18de eeuw, Zutphen: Walburg Pers 2006, 367 S., ISBN 978-90-5730-389-0, EUR 44,95
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Weibliche monastische Frömmigkeit und die Visualisierungen, die die weibliche Passionsandacht bezeugen, sind bisher primär für das Mittelalter und das 16. Jahrhundert in unterschiedlichsten Publikationen behandelt worden. [1] Die 2006 an der Radboud Universität Nijmegen eingereichte Dissertation von Evelyne M.F. Verheggen widmet sich im Gegensatz dazu der privaten Frömmigkeit des 17. und 18. Jahrhunderts in den nördlichen Niederlanden und fokussiert ihre Analyse auf Artefakte, die im Zusammenhang mit der Beginenbewegung standen und entstanden.
Beginen lebten als christliche Laien in ordensähnlichen Strukturen und sind seit dem ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts, zumindest unter diesem Begriff, nachweisbar. [2] Da in den nördlichen Niederlanden die Klöster geschlossen worden waren, fanden sich viele Frauen zu diesen Formen des religiösen Lebens zusammen. Die im Zentrum der Untersuchung stehende Gruppe religiöser Frauen oder "geistlicher Töchter" wurde in den Niederlanden als Klopjes bezeichnet, da sie - einem Sinnbild der devotio moderna folgend - dem anklopfenden Christus ihr Herz öffneten. Diese religiöse Bewegung ist insofern besonders interessant, als über 5000 Klopjes im 17. Jahrhundert nachweisbar sind. Gegenüber einer Priesterschaft von unter 500 Personen [3] bedeutet dies, dass sie den Glauben während dieser schweren Krisenzeit des Katholizismus maßgeblich weitertrugen und prägten.
In einem einleitenden Kapitel (26-42) wird der Gebrauch von Druckgrafik als Unterstützung des Gebetes in der Frühen Neuzeit beschrieben. Die Autorin stellt zunächst jesuitische Autoritäten und ihre Schriften vor, so etwa Ribadineiras und Rosweydus "Generale Legender der Heylighen" von 1619, Bourgeois' "Vitae passionis et mortis" (1623) oder de Pontes "Meditatien", die um 1640 gedruckt wurden. Im Unterkapitel "Vitae Kloppenboeken en Maagdenwegwijzers" analysiert Verheggen die spezifische Lektüre der im Zentrum stehenden Leserinnenschaft sowie ihren Bildgebrauch, wobei sie hier neben bekannten Werken wie etwa Susquets "Den wech des eeuwichlevens" von 1620 auch zahlreiche weniger bekannte Titel nennt. Anschließend werden die Handschriften der Haarlemer Beginen in mehreren Fallbeispielen einer genaueren Untersuchung unterzogen (43-71, 85-109), gefolgt von den Amsterdamer "Klopen en Begijnenhandschriften". In einzelnen Kapiteln setzt die Autorin darüber hinaus Schwerpunkte, indem sie u.a. näher auf die emblematischen Handschriften von Anton Wierix bis Boetius à Bolswert (72-83), die mit Text versehenen Andachtsbilder (153-181) oder Karel Couvrecheds Pestbilder (197-211) eingeht.
Verheggens Untersuchung nahm einen Ausgangspunkt in der Inventarisierung der Sammlung von Andachtsbildern im Museum Catharijneconvent in Utrecht und im Museum von Breda, wo die Autorin an die 25.000 Andachtsbilder auswertete. Es geht ihr um die Frage nach der Benutzung der Bilder und ihre Verwendung im täglichen Leben, somit um rezeptionsästhetische Fragen, die sie an das Material stellt. Zahlreiche der Andachtsbilder wurden in von den frommen Frauen verfasste Handschriften eingefügt. Auch diese Handschriften legen Zeugnis über die spezifische kirchenpolitische Situation in den nördlichen Niederlanden ab, da ihre Entstehung zum Teil auf die Schwierigkeiten zurückzuführen ist, gemeinsam eine Messe besuchen zu können. Die Seelsorger verfassten für die Frauen erbauliche Texte, die hiernach illustriert und teilweise mehrfach abgeschrieben wurden. Neben Predigttexten finden sich - als ein bemerkenswertes Ego-Dokument - auch Viten der Klopjes überliefert, etwa von der Haarlemer Oberin Trijn Jans Oly für die Gemeinschaft "De Hoeck" verfasst. Über eine der Klopjes, Jannetgen Dirks, schreibt Oly beispielsweise, sie sei oft nachts aufgestanden und habe sich vorgestellt, dass der Kalvarienberg in ihrem Herzen gewesen sei. Sie meditierte also über die Passion, als sei sie selbst als Zuschauerin zugegen gewesen (92-95). Auch Hinweise auf die täglichen (Passions-)Meditationen, auf die den Frauen zur Seite stehenden Seelsorger und auf ihr Wohn- und Arbeitsumfeld lassen sich durch die Texte rekonstruieren. Anhand dreier Handschriften, in denen die Regeln der Haarlemer Beginen dokumentiert sind, untersucht die Autorin Frömmigkeitspraktiken und Tagesablauf, auch und gerade anhand der entsprechenden eingeklebten Bilder (43-71). Wie Verheggen nachweisen kann, sind mehr als 90 Prozent der Grafiken aus Antwerpen importiert. Die Klopjes entschieden sich offensichtlich für den bewährten Druckort für religiöse Grafik, obgleich es auch in der Republik mittlerweile etablierte Druckereien gab, neben Amsterdam und Haarlem wäre hier etwa Utrecht zu nennen. Besonders druckgrafische Erzeugnisse der weitläufigen Antwerpener Familie Galle oder der Brüder Schelte und Boëtius à Bolswert findet sich häufig in den Manuskripten. Dagegen taucht die umfangreiche Bildproduktion der hochbeliebten Gebrüder Wierix nur marginal auf, ein Umstand, den Verheggen damit erklärt, dass die Wierix-Erzeugnisse tendenziell eher unter "Künstlergraphiken" firmierten (244). Was die Auswahl der druckgrafischen Techniken angeht, so konstatiert die Autorin, dass es ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wieder zu einer Blütezeit von Holzschnitten kam, gerade im volkstümlichen Bereich.
Der 260 Seiten umfassende Textteil wird mit Kurzzusammenfassungen in niederländischer, deutscher und englischer Übersetzung abgerundet, rund 100 Seiten Quellen- und Anmerkungsapparat schließen sich an. Die Kapiteleinteilung ist für den Leser zunächst nicht leicht zu durchschauen, etwa die letzte Kapitelüberschrift "Devotieprenten uit de Noordelijke Nederlanden" scheint doch auf das gesamte Thema des Bandes zuzutreffen. Ebenfalls problematisch erscheint das erste Kapitel "Bidden mit Beelden" (26-42), in dem u.a. die Meditationspraxis, die Bildverehrungspraktiken in Predigtanleitungen sowie jesuitische Bildmeditationen erarbeitet werden. Es wäre kritisch zu fragen, ob die tridentinischen Bestimmungen zur Bilderfrage, die hier wörtlich aufgeführt werden, für das vorliegende Thema privater Frömmigkeit tatsächlich eine solche Rolle spielten. Das untersuchte Material zeigt doch vielmehr, dass man eher von einem Phänomen langer Dauer auszugehen hat, sodass Beschlüsse des Tridentinums hier nicht unbedingt umgesetzt wurden. Auch ist zu bedenken, dass bildertheologische Bestimmungen der katholischen Reform primär die Ausstattung des Kircheninnenraums betreffen und weniger Buchgrafik. An einigen Stellen hätte sich der Leser spezifischere Ergebnisse der Analysen gewünscht, wie etwa eine Konkretisierung hinsichtlich der Ikonografie der Andachtsbilder sowie bezüglich der Kontinuitäten und Zäsuren bestimmter Bildpraktiken. Auch die Einteilung in Volkskunst und ästhetische Kunst wirkt an einigen Stellen etwas starr und lässt etablierte bildwissenschaftliche Begrifflichkeiten außer Acht. Die Tatsache, dass die Analyse auch hochkarätige druckgrafische Blätter umfasst, macht die Problematik einer Kategorisierung in hohe und niedere Kunst umso deutlicher.
Die Stärken der Arbeit liegen neben der Fülle an sehr gut recherchiertem und aufbereitetem Material nicht zuletzt in der hervorragenden Qualität und dem bemerkenswerten Umfang der Illustrationen, die nun teilweise zum ersten Mal in Reproduktion vorliegen. Verheggen ist es so gelungen, das Absente in zweifacher Hinsicht sichtbar zu machen: zum einen, indem sie in Handschriften und gedruckte Bücher eingeklebte Textillustrationen, die in Bibliotheken und Archiven oftmals nicht katalogisiert und dadurch nicht sichtbar sind, ins Zentrum ihrer Überlegungen stellt. Zum anderen gibt sie mit den Klopjes einer Personengruppe Kontur, die trotz hervorragender Quellenlage bislang weitestgehend marginalisiert worden ist, gerade für die Frömmigkeitspraxis der nördlichen Niederlande der Vormoderne jedoch augenscheinlich diverse missing links bietet. Verheggens Arbeit kann etwa auch im Vergleich mit der deutschen Frömmigkeitspraxis der Zeit anregend sein oder genderwissenschaftliche Fragen aufwerfen - und dies, was das Thema besonders attraktiv macht, im kulturwissenschaftlichen "Amalgam" kunsthistorischen, ethnologischen, historischen und theologischen Forschens.
Anmerkungen:
[1] Chiara Sirk: Soror mea, sponsa mea: arte e musica nei conventi femminili in Italia tra Cinque e Seicento, Padua 2009; Cordula Van Wyhe (ed.): Female monasticism in early modern Europe: an interdisciplinary view, Aldershot u.a. 2008; Jeffrey F. Hamburger (ed.): Crown and veil. Female monasticism from the fifth to the fifteenth centuries, New York u.a. 2008.
[2] Zur Beginenkultur in den Niederlanden siehe auch: Paul Dirkse: Begijnen, pastors en predikanten: religie en kunst in de Gouden Eeuw, Leiden 2001.
[3] Marit Monteiro: Geestelijke maagden. Leven tussen klooster en wereld in Noord-Nederland gedurende de zeventiende eeuw, Hilversum 1996, 51-56.
Birgit Ulrike Münch