Thomas König: Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich. Transatlantische "Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung" (= Transatlantica; Vol. 6), Innsbruck: StudienVerlag 2012, 188 S., 19 s/w-Abb., ISBN 978-3-7065-5088-8, EUR 26,90
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Arnd Bauerkämper / Konrad H. Jarausch / Marcus M. Payk (Hgg.): Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und die kulturelle Öffnung Westdeutschlands 1945-1970, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005
Alexander Stephan (ed.): Americanization and Anti-Americanism. The German Encounter with American Culture after 1945, New York / Oxford: Berghahn Books 2005
Johannes Paulmann (Hg.): Auswärtige Repräsentationen. Deutsche Kulturdiplomatie nach 1945, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2005
Bildungssysteme sind schwerfällige Gebilde. Reformer brauchen einen langen Atem und müssen häufig gegen starke Beharrungskräfte ankämpfen. Besonders problematisch ist es, wenn die Reformimpulse nicht aus dem System heraus erwachsen, sondern von außen herangetragen werden. Einen solchen Fall untersucht Thomas König in seiner Wiener politikwissenschaftlichen Dissertation. Er fragt nach der Implementierung, Funktionsweise und vor allem der Veränderungskraft des wohl bekanntesten Austauschprogrammes, nämlich des Fulbright Programms, für Österreich zwischen 1950 und Mitte der 1960er Jahre. Dieses sei, so Königs Ausgangsthese, ein "Einfallstor" (18) für den Transfer von Wissensbeständen, Erkenntnisinteressen und Methoden aus den USA nach Österreich gewesen und habe so zur Öffnung und Umgestaltung der österreichischen Universitätslandschaft beigetragen - allerdings nicht ohne kräftigen Widerstand aus Wissenschaft und Verwaltungsapparat. Die Studie reiht sich damit in eine Transferforschung ein, die Personen(gruppen) als "transatlantische Mittler" in den Mittelpunkt stellt. [1]
Die Perspektive auf das Fulbright-Programm gibt den Blick frei auf die widerstreitenden Ziele, Interessen und Vorstellungen über die Ausgestaltung des österreichischen Hochschulsystems. Ihnen geht König in fünf Kapiteln nach, die sich mit der Institutionalisierung des Programms, der Auswahl der Kandidaten, ihrer Platzierung an den österreichischen Universitäten und den von ihnen ausgehenden Veränderungsimpulsen beschäftigen. Ergänzt wird die Arbeit durch Tabellen und Grafiken, die über die Strukturen der österreichischen Hochschullandschaft und das Fulbright-Programm informieren. Hilfreich sind vor allem die Auflistungen der von König ermittelten 155 amerikanischen Visiting Lecturers und Research Scholars, die nach Österreich kamen, und ihrer 161 österreichischen Kollegen, die in die USA reisten.
König untersucht allerdings nur einen Teil der Fulbright-Stipendiaten im österreichisch-amerikanischen Austausch. Gut begründbar ist die Entscheidung, Studierende und Lehrer außen vor zu lassen und sich auf die Visiting Lecturers und Research Scholars zu konzentrieren, denen König die größten Einflussmöglichkeiten auf die Ausrichtung der Hochschulen und einzelner Fächer zuschreibt. Bedauerlich ist allerdings die Entscheidung, nur die amerikanischen Gäste, die nach Österreich kamen, zu untersuchen, nicht aber die in umgekehrte Richtung reisenden Austauschteilnehmer. Damit bleibt im Dunkeln, wie die aus den USA zurückkehrenden österreichischen Dozenten wieder aufgenommen wurden, welche Erfahrungen sie mitbrachten und einzubringen versuchten, und ob es Netzwerke zwischen österreichischen und amerikanischen Fulbrighters gab, die die Akzeptanz der amerikanischen Gäste und amerikanischer wissenschaftlicher Praktiken in Österreich zu verbessern halfen. König schreibt in seinem Fazit selbst, dass vor allem die aus den USA zurückgekehrten österreichischen Austauschteilnehmer die Verbreitung amerikanischer Standards vorantrieben (121). Für eine umfassende Beurteilung der Bedeutung des Fulbright-Programms für die österreichischen Hochschulen hätte diese Perspektive als zweite Seite der Medaille stärker einbezogen werden müssen.
Die Widerstände gegen die amerikanischen Fulbrighters waren während der 1950er Jahre teilweise beträchtlich, wie König eindrucksvoll zeigen kann, verkörperten sie doch Fächer, Methoden und didaktische Prinzipien, die in Österreich bisher unbekannt waren und daher mit Misstrauen beäugt wurden. Ihre österreichischen Gastgeber bezogen sie oft nur widerwillig in den universitären Alltag mit ein, ihre Veranstaltungen wurden teilweise nicht angekündigt, und auch die Vorgaben für die Auswahl der Kandidaten führten immer wieder zu Streit zwischen den amerikanischen und österreichischen Mitgliedern der für die Durchführung des Programms zuständigen Kommission. Erst an der Wende zu den 1960er Jahren begegneten die Österreicher ihren amerikanischen Kollegen mit größerem Interesse und mehr Unterstützung. Nun galt auch ein Auslandsaufenthalt in den USA zunehmend als karriereförderlich. Hinter den Problemen standen Versuche, die eigenen Besitzstände zu verteidigen, sowie Zielkonflikte. Während die USA über das Austauschprogramm Veränderungen im österreichischen Wissenschaftssystem herbeiführen (Etablierung neuer Fächer wie Amerikanistik oder Sozialwissenschaften, neue Methoden) und ein spezifisch amerikanisches Gesellschaftsverständnis exportieren wollten, erhofften sich die Österreicher die Stärkung ihres bereits bestehenden Fächer- und Methodenkanons.
Diese Konflikte sind nur vor dem Hintergrund des von Ambivalenzen geprägten österreichisch-amerikanischen Verhältnisses nach dem Zweiten Weltkrieg zu verstehen. Doch hier liegt die Schwäche der Studie. Zwar stellt König das Fulbright-Programm durchgehend in den Kontext der österreichischen Wissenschaftslandschaft und nutzt dies zur Erklärung des Verhaltens der österreichischen Protagonisten. Doch geschieht dies gleichsam im luftleeren Raum: Die Besatzungssituation als bestehender bzw. noch frischer Erfahrungszusammenhang, Programme zur Demokratisierung im Rahmen der Reeducation-Versuche, der Kalte Krieg, gesellschaftliche Veränderungsprozesse oder amerikanische Einflüsse jenseits des Wissenschaftsbetriebs kommen in dem schmalen Band, der inklusive Anhang und Anmerkungsapparat nur 160 Seiten umfasst, praktisch nicht vor. Das macht es schwierig, die Bedeutung des Fulbright-Programms zu gewichten, die erst im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren und im sich wandelnden Klima der Zeit klar erkennbar werden würde. Wie ertragreich eine Einbettung in den größeren Zusammenhang sein könnte, blitzt nur an einigen Stellen kurz auf, wenn König über das schwierige Verhältnis zu Emigranten, die nach dem Ende des Krieges nach Österreich zurückkehrten, schreibt, oder die unverhohlenen Einflussversuche der USA auf den Fächerkanon der österreichischen Universitäten schildert, wenn beispielsweise die Zuweisung von Geldern aus dem Marshall-Plan davon abhängig gemacht wurde, dass Lehrstühle für Amerikanistik eingerichtet wurden. So bleibt das abschließende Urteil ambivalent. König kann die Funktionsweise des Fulbright-Programms sowie den mühsamen Transformationsprozess der österreichischen Hochschullandschaft bis zur Mitte der 1960er Jahre aufzeigen - wie beides zusammenhing, ist aufgrund des engen Blickwinkels der Studie damit jedoch nur teilweise geklärt.
Anmerkung:
[1] Vgl. Arnd Bauerkämper / Konrad H. Jarausch / Marcus M. Payk (Hgg.): Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und die kulturelle Öffnung Westdeutschlands 1945-1970, Göttingen 2005.
Reinhild Kreis