Kim Philips-Fein / Julian A. Zelizer (eds.): What's Good for Business. Business and American Politics since World War II, Oxford: Oxford University Press 2012, XI + 266 S., ISBN 978-0-19-975400-7, GBP 15,99
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Julian E. Zelizer (ed.): The Presidency of Barack Obama. A First Historical Assessment, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2018
Jürgen Peter Schmied (Hg.): Kriegerische Tauben. Liberale und linksliberale Interventionisten vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, Göttingen: V&R unipress 2019
"Was dem Geschäft nützt, nützt der Nation". Dieser amerikanische Slogan liefert den Titel für eine Aufsatzsammlung, in der vor allem jüngere Historiker aus den USA zu Worte kommen. Wie die Einleitung der beiden Herausgeber zeigt, steht diese Veröffentlichung in der Tradition einer inneramerikanischen Debatte, die bis in das späte 19. Jahrhundert zurückreicht und heute wieder besonders aktuell geworden ist. Es geht dabei um das Für und Wider einer kapitalgesteuerten Marktwirtschaft ("libertarian capitalism") im Vergleich zum interventionistischen Wohlfahrtsstaat ("liberalism"). Wer die amerikanische Historikerzunft kennt, ist nicht überrascht, dass die meisten der hier anzuzeigenden Beiträge mit der "liberalen" Seite sympathisieren. Ihr Ansatz ist gleichwohl empirisch. Die Autoren wollen - nach Möglichkeit unter Rückgriff auf archivalische Überlieferungen - untersuchen, mit welchen Motiven, welchen Mitteln und mit welchem Erfolg die amerikanische Geschäftswelt ("business") seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bemüht gewesen ist, im eignen Interesse politischen Einfluss auszuüben, das heißt Gesetzgebungsverfahren und Regulierungen mitzugestalten sowie auf die amerikanische Öffentlichkeit einzuwirken. Als Kontrahenten hatte sie es dabei mit dem Bundesstaat und anderen Interessengruppen wie Gewerkschaften oder der Umweltbewegung zu tun.
Drei Bereichen schenken Herausgeber und Mitarbeiter ihre besondere Aufmerksamkeit: Zum einen den Reaktionen der Geschäftswelt auf das nach 1945 noch fortwirkende Erbe von Franklin D. Roosevelts New Deal. Es kam jetzt darauf an, nicht nur gegen diese Hinterlassenschaft Front zu machen, sondern auch zu versuchen, sie von ihren eigenen Voraussetzungen her im Interesse der Geschäftswelt umzugestalten. Ein zweiter Bereich behandelt die Bestrebungen der Wirtschaft, die Öffentlichkeit gegen das vermeintliche Ausufern staatlicher Reglementierung zu mobilisieren. Im dritten Bereich wird das Augenmerk auf die lokale Ebene gelenkt, das heißt das Streben der Geschäftswelt, zunächst in einem engeren Rahmen investitionsfreundliche Bedingungen für sich herzustellen und im Erfolgsfall die Überlegenheit geschäftlicher Selbstbestimmung gegenüber einer staatlich reglementierten Wirtschaftspolitik zu demonstrieren.
Die Reaktion der Wirtschaft auf das Erbe des New Deal dokumentiert ein Beitrag, der deren erfolgreichen Versuch schildert, beim Kongress Kompensationen für die hohe steuerliche Belastung von Unternehmen während der Kriegszeit zu erwirken. Den Versuch, das Beispiel des New Deal für die Wirtschaft der Nachkriegszeit nutzbringend zu verwenden, verkörperte, wie ein weiterer Beitrag zeigt, David Lilienthal, der Leiter der von Roosevelt ins Leben gerufenen berühmten "Tennessee Valley Authority" (TVA), die eine wirtschaftlich weit zurück gebliebene Region erfolgreich modernisiert hatte. Nach 1945 gründete Lilienthal eine multinationale "Development and Ressources Corporation", um die organisatorischen Leistungen der TVA auf Lateinamerika und den Iran zu übertragen, scheiterte dann freilich in den siebziger Jahren an dem wachsend antiamerikanischen Klima in den Entwicklungsländern.
Die Gruppe der Beiträge, die die Versuche der Geschäftswelt nachzeichnen, die Öffentlichkeit für die eigenen Belange zu mobilisieren, ist besonders aufschlussreich. Mit Erfolg tat dies die Pharmaindustrie und noch mehr der Ölmagnat Robert LeTourneau, der Evangelisierungsinitiativen mit seinen geschäftlichen Expansionsinteressen verknüpfte ("God's salesmen", 76). Ebenfalls gelang es einer an den Geschäftsinteressen orientierten Werbekampagne, die von Verbraucherschützern betriebene Institutionalisierung eines gegen übermächtige Unternehmerinteressen gerichteten "Big Business Day" zu verhindern. Innerhalb der Geschäftswelt setzte sich seit den späten sechziger Jahren an Stelle der üblichen Firmen-"conglomerates" immer mehr das Modell von schlanken ("lean") Geschäftszusammenschlüssen durch, das heißt lediglich punktuellen Monopolen, deren Stärke in ihrem Engagement im Investitionsmarkt lag. Als weniger erfolgreich erwiesen sich dagegen Bestrebungen, der wachsenden Umweltschutzbewegung öffentlich entgegenzutreten oder die öffentliche Kritik an dem stark konzentrierten Zwischenhandel ("monopsony") wachzuhalten, der Verbraucher und Kleinunternehmer in gleicher Weise übervorteilte. Wie der hier zuständige Autor zeigt, war die Materie zu kompliziert, um ein dauerhaftes öffentliches Interesse zu erreichen.
Die in einem lokalen Rahmen untersuchten Beispiele einer erfolgreichen Unternehmer-freundlichen Politik besitzen den Vorzug der unmittelbaren Konkretheit, müssen aber eine Antwort auf die Frage, wieweit ihre Befunde verallgemeinert werden können, schuldig bleiben. Mit dieser Einschränkung liefern aber auch sie aufschlussreiches Anschauungsmaterial, zum Beispiel zu den Bemühungen lokaler Geschäftsinteressen, die bis in die sechziger Jahre herrschende Rassentrennung bzw. -diskrimination mit dem eignen Streben nach Wachstum und Gewinnmaximierung in Einklang zu bringen.
Der von Julian Zelizer, einem führenden Vertreter einer erneuerten politischen Geschichte, mitbetreute Band liefert für sein Thema, wie die Herausgeber selbst einräumen, nur Versatzstücke eines Gesamtbildes, das als solches noch aussteht. Er vertieft auf jeden Fall schon unser Verständnis von den Ursprüngen der konservativen Gegenrevolution ("conservative backlash"), an der sich dann die Regierung Reagan orientieren sollte.
Klaus Schwabe