Sally Badham / Sophie Oosterwijk (eds.): Monumental Industry. The Production of Tomb Monuments in England and Wales in the Long Fourteenth Century, Donington: Shaun Tyas 2010, XIV + 354 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-1-907730-00-9, GBP 35,00
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"Monumental Industry" lautet der vielversprechende englische Titel dieses Sammelbandes, der sich, wie im Untertitel spezifiziert, auf die Produktion englischer und walisischer Grabmäler im 14. und frühen 15. Jahrhundert bezieht. Begleitet werden die Aufsätze von meist guten Farbabbildungen und einem Index. Sind diese Monumente und die zugehörigen Dokumente tatsächlich so aufschlussreich, dass sie unsere Erkenntnisse über mittelalterliche Werkstätten im Allgemeinen bereichern können?
Verklammert wird der Band von zwei Aufsätzen der beiden Herausgeberinnen Sally Badham und Sophie Oosterwijk, die eine gute Einführung über die Produktion in englischen Werkstätten geben sowie eine Transkription, Übersetzung und Diskussion von sechs höchst informativen Verträgen von Stiftern oder Hinterbliebenen mit Bildhauern, Baumeistern oder Bronzegießern aus den Jahren 1376 bis 1421. So scheinen, zumindest in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wahrscheinlich auch davor, die meisten Werkstätten für herausragende Grabmäler von London aus operiert zu haben. Grund für ihren Erfolg war sicherlich ihre Flexibilität. Henry Yevele, vielleicht der profilierteste Architekt und Bildhauer dieser Zeit, war mit wechselnden Partnern für die Herstellung von Grabmälern in verschiedenen Materialien wie Alabaster, Purbeck-Marmor und Bronze beauftragt, und der Bronzegießer John Orchard lieferte auch Alabasterfiguren. Eine nahe den Marmorbrüchen in Chellaston beheimatete Werkstatt von Thomas Prentys und Robert Sutton ist dagegen erst für das frühe 15. Jahrhundert dokumentiert. Ihr werden 33 Alabastergrabmäler zugeschrieben, deren Bestellung offenbar einem festen Schema folgte: Spezifiziert sind jeweils Kleidung und Länge der Gisants, Attribute, Material, die Fassung und Vergoldung sowie Tumba, Transport, Zahlungsmodalitäten und Fristen. Wie erstmals im Vertrag zum Monument Richards II. festgeschrieben, sollte dem Grabmal ein "patron" vorausgehen, wahrscheinlich eine detaillierte Zeichnung, die von den Auftraggebern abzusegnen war. In einem anderen Vertrag von 1421 werden die "ymages appelez morners" in 12 Nischen genannt, also Pleurants, ebenfalls nach Maßgabe eines "patron" (229). Man vermisst allerdings den Hinweis, dass schon Eva-Andrea Wendebourg die wichtigen Verträge für das Grabmal Richards II. vollständig transkribierte, deren Signaturen im Londoner Public Record Office im vorliegenden Band nachzutragen wären (192). [1]
Die weiteren Aufsätze des Bandes sind einzelnen Grabmälern oder Grabmalgruppen gewidmet. So untersucht Robin Emmerson die Grabskulpturen in Aldworth, von denen insbesondere der sich aufrichtende Ritter mit überkreuzten Beinen berühmt ist, und diskutiert ihre Parallelen mit den Königsfiguren der Westfassade von Exeter. Deren Datierung ist allerdings umstritten. Emmerson plädiert für die Spätdatierung der Westfassade um 1347 (107ff.). Rhianydd Biebrach nutzt ihren Aufsatz über die Grabmäler in der Grafschaft Glamorgan zu einem kurzen Forschungsüberblick, da die walisischen Monumente, bis auf Abergavenny and Llandaff, erst in neuerer Zeit Gegenstand der Forschung geworden sind. Über den stilistischen Vergleich hinausführend wäre auch eine Diskussion der für die Mitte des 14. Jahrhunderts noch seltenen Darstellung eines Juristen auf einem Grabmal wie desjenigen in Coychurch gewesen (126). Auffällig ist, dass die walisische Grabmalproduktion zwischen 1350 und 1423 zum Erliegen kam - möglicherweise bedingt durch Pestwellen und Aufstände - und danach nur noch importierter Stein, Alabaster oder Bronze verwendet wurden.
Wer sich gefragt hat, wie eigentlich eine mittelalterliche Tumba zusammengesetzt ist, wird in dem Aufsatz von Jane Crease zu den Alabaster-Grabmälern in Yorkshire fündig. Den Verträgen ist zu entnehmen, dass die Werkmeister nicht nur für die Produktion, sondern auch für Transport und Fassung vor Ort zuständig und keinesfalls auf das Material Alabaster beschränkt waren. Aleksandra McClain untersucht nordenglische kreuzverzierte Grabplatten, die sogenannten Cross Slab Monuments, als eine große eigene Gruppe, was sich dadurch begründen lässt, dass diese Platten von anderen Werkstätten ausgeführt wurden als die aufwendigeren figürlichen Grabmäler. Eben weil sie künstlerisch anspruchsloser sind, lohnt der Blick auf das Umfeld ihrer Produktion, ihre Verteilung und ihre Lokalisierung im Kirchenraum.
Dass Mark Downing ein ausgewiesener Kenner aller 978 ihm bekannten zugänglichen Rittergisants aus England und Wales ist, manifestiert sich in seinem Versuch, über 40 Beispiele aus Ostengland in sieben stilistisch abzugrenzende Untergruppen einzusortieren und einer einzigen Werkstatt der Zeit von 1295 bis 1350 zuzuordnen (66). Für einige Skulpturen solcher Ritter scheint dies überzeugend, wie bei denjenigen in Fountains und Coverham Abbey. Dass jedoch auch der Gisant aus Felixkirk dazugehören soll, ist schwer nachvollziehbar. Viele Gisants sind schlecht erhalten und möglicherweise nur einem ähnlichen Typus des betenden Ritters mit überkreuzten Beinen zugehörig. Auch wenn Analysen von Stil und Material sehr wohl Teil einer Diskussion zur mittelalterlichen Werkstatt sein müssen, genügen doch solche streckenweise kaum zu verifizierenden Vermutungen anhand von Formvergleichen kaum, um die Tätigkeit einer einzigen Werkstatt über einen Zeitraum von 55 Jahren nachzuweisen.
Höchst aufschlussreich für die Tätigkeit einer hochentwickelten Werkstatt im nordeuropäischen Kontext ist der bemalte flache Baldachin über dem Grabmal Eduards, des Schwarzen Prinzen, in der Kathedrale von Canterbury. Der sogenannte Tester ist Teil dieser herausragenden Grabstätte mit einer dunkelgrauen Tumba, der bronzenen Liegefigur des Prinzen, dem Baldachin, dem Beutestock und einem Gitter, Bestandteile, die, außer der Anbringung des Beutestocks, bis heute unverändert erhalten sind. Die Reinheit der Pigmente und die Maltechnik des Baldachins weisen auf eine technisch versierte Werkstatt hin, wie die drei Restauratoren und Konservatoren vom Hamilton Kerr Institute in Cambridge, Marie Louise Sauerberg, Ray Marchant und Lucy Wrapson, in ihrem Aufsatz darlegen. Vergleiche mit der Bildnistafel Richards II. und den Wandmalereien in der Kapelle des Schwarzen Prinzen in Canterbury lassen auf wohlinformierte Künstler schließen, die im Umkreis des königlichen Hofes tätig waren. Einzelne Motive wie die Heiligenscheine sind der zeitgenössischen Sieneser Malerei entlehnt. Anstelle der bisher vermuteten Verbindungen zur böhmischen Malerei können die Autoren enge Parallelen zur altkölnischen und englischen Kunst nachweisen. Der Baldachin von immerhin 4,40 mal 1,90 Metern wurde aus in Teilen importiertem Eichenholz zuerst gezimmert, dann in vielen, oftmals durchscheinenden Schichten bemalt und erst zum Schluss an den Säulen fixiert. Die Konzeption des Grabmals wird üblicherweise der Werkstatt von Henry Yevele zugeschrieben, die Namen der Maler sind allerdings nicht bekannt.
Den Herausgeberinnen und Autoren ist ein ertragreicher, unaufgeregter, zuweilen sehr spezifischer Band gelungen, der unser Wissen über die Organisation spätmittelalterlicher Werkstätten in England und Wales ergänzt. Tatsächlich erscheinen die englischen Werkstätten gerade wegen ihrer erstaunlichen Flexibilität prädestiniert für die Untersuchung einer "Monumental Industry" im 14. und frühen 15. Jahrhundert. Wie so oft bleibt allerdings anzumerken, dass auch die Forschung außerhalb des anglo-amerikanischen Sprachraums stärker hätte rezipiert werden können, gerade weil dieses Buch, auch über Großbritannien hinaus, Aufschluss geben kann über die Produktion und Verwendung spätmittelalterlicher Skulptur und Malerei.
Anmerkung:
[1] Eva-Andrea Wendebourg: Westminster Abbey als königliche Grablege zwischen 1250 und 1400, Worms 1986, S. 249-251; s.a. Antje Fehrmann: Grab und Krone. Königsgrabmäler im mittelalterlichen England und die posthume Selbstdarstellung der Lancaster, Berlin / München 2008, 79-88, hier bes. 81f.
Antje Fehrmann