Stephanie Trigg: Shame and Honor. A Vulgar History of the Order of the Garter, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2012, VIII + 322 S., ISBN 978-0-8122-4391-8, USD 55,00
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Albrecht Classen (ed.): Handbook of Medieval Studies. Terms - Methods - Trends, Berlin: De Gruyter 2010
Jährlich wird auf Schloss Windsor an einem Junimontag der Garter's Day begangen. In feierlicher Prozession ziehen die Ritter des Hosenbandordens (und seit 1987 auch die Ladies of the Garter) von der Burg hinunter zum spirituellen Zentrum des Ordens, der St. George's Chapel, in der die vom Souverän neu ernannten Mitglieder während eines Gottesdienstes installiert und zu ihrem Platz im Chorgestühl geführt werden. Traditionsbewusstsein und Medienzirkus verbinden sich hier, wie so oft in der englischen Monarchie, aufs Trefflichste. Doch ist der Hosenbandorden mehr als ein liebevoll gepflegtes und aus der Zeit gefallenes Kuriosum, mehr als die Schlüsselkomponente einer lukrativen, an "Tradition[en]" interessierten Tourismusindustrie. Der Orden bekleidet nach wie vor die Spitzenstellung innerhalb des englischen "honor system": er ist durch die Beschränkung auf nur 25 Mitglieder sozial exklusiv und äußerst elitär. In den 650 Jahren seines Bestehens - gegründet wurde er von Edward III. 1348 - wechselten sich Perioden großen politischen Einflusses mit denen fast vollständiger Bedeutungslosigkeit ab.
Stephanie Trigg, Professorin für Englische Literatur an der Universität Melbourne, fügt der beeindruckenden Fülle an Literatur zur Geschichte des Hosenbandordens nun eine neue Untersuchung hinzu. Ihr Interesse liegt freilich weniger in der Ordensgeschichte: sie nutzt diese Geschichte vielmehr als Brücke, die der Annäherung zweier (sich häufiger in herzlicher Abneigung verbundener) Disziplinen dienen soll: den "medieval studies" einerseits, den "medievalism studies" andererseits. Das Deutsche kennt den Begriff der Mittelalterstudien und bezeichnet damit in etwa dasselbe wie der englische Begriff: das Studium von Texten und Kulturen des Mittelalters. Mit Blick auf die "medievalism studies" wird die Übersetzungsproblematik drängender: "Mittelalterrezeption" kommt einem in den Sinn, denn darum geht es im Kern - das Studium der nachmittelalterlichen Revivals und damit der Anverwandlung und Übertragung mittelalterlicher Phänomene in die jeweilige Gegenwart. Die Geschichte des Ordens wird von Trigg also als "species of medievalism" gelesen, als "conscious or unconscious practice of, and interest in, medieval culture." (11) Ergebnis ist eine recht eigenwillige Kulturgeschichte des Ordens - und Trigg tut gut daran, im Titel ihrer Arbeit nicht mit dem Begriff "cultural history" zu operieren: zu eklektisch ist vor allem ihr Zugriff auf die Quellen.
Die Untersuchung gliedert sich in drei große Abschnitte. Während sich Abschnitt I in chronologischer Reihung den "Ritual Histories" des Ordens widmet, richtet sich der Blick in Abschnitt II auf die thematisch geordneten "Ritual Practices". Abschnitt III behandelt die "Ritual Modernities". Doch Vorsicht: das Buch ist keine rein anthropologisch ausgerichtete Studie über die Bedeutung von Ritualen innerhalb des Ordens, noch weniger eine historische, diachrone Studie der Veränderungen, die diese Rituale im Laufe der Zeit durchlaufen haben.
Rituale, ihre Entstehung, Umwandlung, ja "Neuerfindung" dienen der Autorin dazu, ihre eigentliche Hauptthese zu formulieren und zu belegen: die Anhäufung "mythischen Kapitals", das zum Besten des Ordens einzusetzen ist.
Breiten Raum nimmt vor diesem Hintergrund die Diskussion der Ordensursprünge ein: die Geschichte vom sich lösenden Strumpfband, das vom König aufgehoben, der Dame zurückgegeben wird und das so die Initialzündung zur Gründung eines der exklusivsten Orden der Christenheit gibt. Den Zeugen dieses Vorfalls soll Edward III. das spätere Ordensmotto entgegengeschleudert haben: "Honny soit qui mal y pense".
Wie es Trigg im Titel ihres Werks andeutet: Shame and honor sind beim eigentlichen (wenn auch eher mythischen) Gründungsakt des Ordens untrennbar miteinander verbunden. Doch eben dieser keinesfalls gesicherte Gründungsakt, den sowohl Jean Froissart als auch vor allem Polydor Vergilio als "fama vulgi" qualifizieren, ermöglicht die Generierung mythischen Kapitals. Die Fähigkeit, Zeichen und Symbole umdeuten zu können, sie von einer (obszönen) in eine andere (sublime) Sphäre zu transferieren, liegt freilich nicht allein beim König - wie von C. Stephen Jaeger vor einigen Jahren dargelegt - [1], sondern wird in jeder Diskussion über die Ursprünge des Ordens neu verhandelt. Zu wenig erfährt der Leser freilich von den Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, Gründungsmythen in einem kohärenten Symbolsystem zu bewahren.
Es ist eben dieser immer wieder neue Blick auf die Ursprünge - so die Autorin -, der den Orden nicht in seinen Traditionen erstarren lässt, sondern ihn zu Veränderungen und Transformationen anregt. Die wohl interessantesten Passagen des Buchs sind einigen dieser Anpassungen und Veränderungen gewidmet. Wie geht man beispielsweise mit dem namengebenden Accessoire um, anders gefragt: wo genau wird das Hosenband getragen? Die Variationsbreite ist erstaunlich und die Entscheidung der aktuellen Königin, es am linken Oberarm zu tragen, dürfte sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Welche Stellung kommt dem weiblichen Element innerhalb des Ordens zu? Auch hier ist es Elizabeth II., die einen rechtlichen Schwebezustand beendete (zwischen 1495 und 1901 sind Ladies of the Garter eine rare Spezies) und eine Vollmitgliedschaft möglich machte.
Wie "mittelalterlich" ist der Orden heute noch? Liest sich seine Geschichte in der Frühen Neuzeit und der Moderne tatsächlich als nicht enden wollende Abfolge von "weird examples, fragments, and half-understood illusions" (273)? Die Autorin scheut keine Mühen, um diesen Eindruck zu entkräften - allerdings nicht immer überzeugend, womit wir bei der Kritik an dieser oftmals anregenden und stets gut lesbaren Studie wären.
Trigg verleiht ihrem Versuch einer objektiven Darstellung zusätzliche Autorität: mantraartig wird im Laufe der 298 Textseiten (die Anmerkungen folgen ebenso wie die Bibliografie und der Index am Schluss) immer wieder darauf hingewiesen, dass eine "Geschichte von außen" geschrieben werden soll. Damit will sich Trigg wohl von der bisher in der Historiografie zum Hosenbandorden vorherrschenden "Geschichte von innen", einer Geschichte, die sie von mit dem Orden in enger Verbindung stehenden Personen dominiert sieht, abgrenzen. [2] Ist "Geschichte von innen" weniger objektiv als "Geschichte von außen"?
Ermüdend ist die Auflistung (zu) vieler Namen: dem Leser, zu dessen Spezialgebieten bedauerlicherweise nicht die englische Literaturgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts gehört, wird dabei keine Möglichkeit an die Hand gegeben, zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem zu unterscheiden. Man gewinnt den Eindruck, für Trigg sei unterschiedslos alles wichtig, was dazu dient, ihre Hauptthese zu untermauern.
Extensives Zitieren mag dazu dienen, eben diese Hauptthese vom "mythischen Kapital" des Ordens zu untermauern, das Ausschütten des sprichwörtlichen Zettelkastens ist hierzu jedoch nicht zwangsläufig vonnöten.
Auf Punkten, die ihr wichtig erscheinen, insistiert Trigg immer und immer wieder. Irgendwann hat es auch der unaufmerksamste Leser verstanden, dass ein nicht unbedingt überbordend positiv konnotierter Teil der weiblichen Unterwäsche nicht nur am (historisch schwer fassbaren) Beginn der Geschichte des Hosenbandordens steht, sondern dass es genau dieses Strumpfband - the Garter - war, das die Akkumulierung mythischen Kapitals ermöglichte. Wiederholung wird hier zum Prinzip erhoben: am Ende des Buches ist man so fast in der Lage, Polydor Vergilios Version der Ursprünge des Ordens wörtlich wiederzugeben.
Trigg betreibt Geschichte, die den Aspekt des "medievalism" favorisiert und ihm durchaus neue Facetten abgewinnen kann. Im Bereich des "medieval" muss die bisherige "Geschichte von innen" allerdings nicht umgeschrieben werden.
Anmerkungen:
[1] Stephen C. Jaeger: L'amour des rois. Structure sociale d'une forme de sensibilité aristocratique, in: Annales 46 (1991), 547-571.
[2] Die Arbeit von Peter Begent und Hubert Chesshyre (The Most Noble Order of the Garter: 650 Years, London 1999) ist für Trigg eine klassische Studie "von innen", weil Begent als Berater von Dean and Chapter of St George's in heraldischen Fragen, Chesshyre als Ordenssekretär amtiert.
Ralf Lützelschwab