Johann Kronbichler: Paul Troger. 1698-1762, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2012, 648 S., 670 Abb., ISBN 978-3-422-07127-8, EUR 78,00
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Am 20. Juli 2012 wurde der 250. Todestag von Paul Troger (1698-1762) begangen, des bedeutendsten Malers in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Österreich. Seine Werke stehen auf einer Stufe mit der italienischen Kunst des 18. Jahrhunderts und insbesondere seine Fresken bestimmen bis heute weite Teile der Kulturlandschaft der ehemaligen Habsburgermonarchie. Das Jubiläum fällt zusammen mit der Schließung des Barockmuseums in Salzburg, das aus der Sammlung Rossacher hervorgegangen war und in der sich Werke von Troger und seines Umkreises befinden. Das Barockmuseum hat sich um die Erforschung der barocken Kunst in Österreich und Süddeutschland international verdient gemacht, doch belegt seine Schließung einmal mehr die Schwierigkeiten mit barocker Kunst und Kultur in einem Land, dessen Identität auf den Errungenschaften des Barockzeitalters gründet. Vor diesem Hintergrund, der Diskrepanz zwischen barocker Gedächtniskultur und einer nur losen institutionellen Verankerung der barocken Kultur in heutiger Zeit, verwundert es nicht, dass abgesehen von regionalen, einzelne Aspekte seines Werks beleuchtenden Ausstellungen, 2012 keine zentrale Ausstellung stattfand, die Paul Trogers Gesamtwerk würdigte. [1]
Einen gewissen Ersatz schafft anzuzeigende Monografie von Johann Kronbichler, dem Direktor des Diözesanmuseums in Brixen, der sich seit langer Zeit intensiv mit dem Werk Trogers beschäftigt und nun die Ergebnisse seiner Arbeit in einem voluminösen Band vorgelegt hat. Kronbichlers Monografie ersetzt nach nunmehr fast 50 Jahren die Monografie von Wanda Aschenbrenner und Georg Schweighofer, [2] der vor allem eine ausreichende Bebilderung fehlte, um Argumentationen würdigen und Zuschreibungsfragen beurteilen zu können. Diesen Mangel behebt Kronbichlers fast durchgehend farbig bebilderte Monografie, deren Anliegen es ist, "[...] das bisherige Wissen über Paul Troger zu bündeln und Antworten auf viele bislang offene Fragen zu geben [...]" (7). Kronbichler hat dazu eine klassische Künstlermonografie geschrieben, die sich wie die Monografie von Aschenbrenner in zwei Teile gliedert: Ein erster Abschnitt befasst sich mit Leben und Werk Trogers (17-223), dem sich neu erarbeitete Werkverzeichnisse zu den Fresken, den Ölgemälden und den Zeichnungen sowie der Druckgrafik von und nach Troger anschließen (226-571). Ergänzt wird die Monografie durch einen ausführlichen archivalischen Apparat. Konnte Wanda Aschenbrenner 1965 erst 190 archivalische Belege aufführen, so hat sich ihre Zahl heute mit 371 Nachweisen annähernd verdoppelt (574-618).
Trogers erste gesicherte Werke stammen aus dem Beginn der 1720er-Jahre, als er in Kaltern in der Kalvarienbergkirche das Hauptaltargemälde (G 7) und das Chorfresko (F 1) ausführte. In der Folgezeit etablierte sich Troger nach Aufenthalten in Italien und Salzburg seit den 1730er-Jahren in Wien als Maler der niederösterreichischen Stifte, deren Freskoausstattungen seinen Ruhm begründeten. Seine Fresken sind in der Regel gut dokumentiert, weshalb es gegenüber Aschenbrenners Verzeichnis nur geringe Abweichungen gibt (neu sind bei Kronbichler nur F 4, F 31 und F 36, während F 10 von Aschenbrenner noch Troger zugeschrieben wurde).
Anders verhält es sich mit Trogers Tafelbildern; Aschenbrenner nahm ca. 200 Ölgemälde für Troger in Anspruch und führte dazu etwa 50 zerstörte bzw. verschollene Gemälde auf; Kronbichler hat nun 246 als für Troger gesichert zu geltende Ölgemälde zusammengetragen, dazu 87 verschollene bzw. zerstörte Gemälde. Eine fehlende Konkordanz erschwert allerdings, Kronbichlers Anteil an der Neubearbeitung des Werkverzeichnisses der Ölgemälde in seiner Veränderung und Gewichtung eindeutig zu beurteilen; auch ist eine klare Abgrenzung gegenüber Schülern bzw. seiner Nachfolge nicht immer eindeutig möglich, obwohl die Kenntnis über Künstler wie Josef Winterhalter d.Ä., Franz Karl Palko und anderen Künstlern seines Umkreises in den letzten Jahren zugenommen hat. Hier wird die Diskussion allein durch Neufunde im Fluss bleiben.
Dies gilt auch für das 274 Nummern umfassende Werkverzeichnis der Zeichnungen. Es ist wie bei Aschenbrenner nicht chronologisch, sondern nach Standorten geordnet. Dies erschwert nicht nur die Auffindung einzelner Blätter und die Beurteilung stilistischer Zusammenhänge, führte darüber hinaus aber auch zu Mehrfachnennungen einzelner Zeichnungen, z.B. handelt es sich bei Z 7, Z 103 und Z 266 um dasselbe Blatt. Auch die Zuordnung einzelner Blätter zum gesicherten Œuvre oder zu den fraglichen bzw. falsch zugeschriebenen Zeichnungen (526-557) vermag nicht immer zu überzeugen; so stammt beispielsweise Z 165 sicher nicht von Troger, während sich Zz 219 problemlos seinem Werk zuordnen lässt. Es wird deshalb ein Desiderat der Forschung bleiben, Trogers Zeichnungen in eine verlässliche Chronologie zu bringen und auf dieser Basis seinen Zeichenstil genauer zu definieren und gegenüber seinen Schülern und seinem Umkreis präziser abzugrenzen.
Ein Desiderat bleibt auch die genauere Kenntnis über Trogers Frühzeit, über die auch nach Kronbichlers Monografie noch weitgehende Unklarheit herrscht. Zeitgenössische Nachrichten legen nahe, dass der in Welsberg/Südtirol geborene Troger bereits um 1714 in der Werkstatt des Fleimstaler Malers Guiseppe Alberti in Cavalese tätig war. Werke aus dieser Zeit sind nicht dokumentiert, doch hat die Lokalforschung in jüngster Zeit versucht, neu aufgetauchte Freskendekorationen in Mezzocorona [3] und zuletzt in Cavalese [4] für ihn in Anspruch zu nehmen. Kronbichler hat diese Neufunde zwar unter die fraglichen Fresken aufgenommen (F 1-9), doch ein eindeutiges Bekenntnis zu Trogers Autorschaft vermieden. Zumindest eine Beteiligung Trogers an diesen Werken erscheint aber angesichts eines signierten Gemäldes möglich, das stilistisch den Fresken nahesteht, doch von Kronbichler den nicht gesicherten Gemälden zugeordnet wird (Gg 75). Hier besteht noch Diskussionsbedarf, um "Troger vor Troger" beurteilen zu können; [5] Neufunde und Untersuchungen zum künstlerischen Umfeld im Trentino könnten hier weiteren Aufschluss geben. Als gesichert hingegen darf gelten, dass Trogers künstlerische Entwicklung entscheidend durch nicht dokumentierte, aber von Zeitgenossen wie Anton Roschmann und Freiherr von Sperges überlieferte Aufenthalte in Venedig und in Rom befördert wurde. Ein Hinweis auf Trogers Aufenthalt in Venedig könnte die Zeichnung eines Flussgottes in der National Gallery in Washington sein [6], die Troger aufgrund einer alten Beschriftung zugeschrieben wird und deutliche Parallelen zu Zeichnungen Giambattista Piazettas zeigt. Erst in Italien legte Troger die noch näher zu bestimmenden Grundlagen für seine Kunst, die ihn seit 1728 - als er erstmals nördlich der Alpen als Freskomaler tätig war - befähigte, zum bedeutendsten Freskanten und Altarbildmaler der ersten Jahrhunderthälfte in Österreich aufzusteigen.
Anmerkungen:
[1] Vor allem die Stifte in Niederösterreich veranstalteten Ausstellungen um die vor Ort befindlichen Werke Trogers: Paul Troger & Altenburg, Ausst.-Kat. Stift Altenburg, mit Beiträgen von Andreas Gamerith / Monika Dachs-Nickel, Altenburg 2012; Paul Troger und Stift Zwettl, Ausstellung Stift Zwettl 2012; Österreichs Glorie am Trogerhimmel. Die Göttweiger Kaiserstiege, zum 250. Todesjahr Paul Trogers (1698-1762), Ausst.-Kat. Benediktinerstift Göttweig, mit Beiträgen von Gregor M. Lechner / Bernhard Rameder, Göttweig 2012; Paul Troger im Stift Melk. Ausstellung Stift Melk 2012. Darüber hinaus zu nennen ist Paul Troger. Vision und Andacht. Ausstellung zum 250. Todestag, Ausst.-Kat. Diözesanmuseum St. Pölten, St. Pölten 2012.
[2] Wanda Aschenbrenner / Gregor Schweighofer: Paul Troger. Leben und Werk, Salzburg 1965.
[3] Paul Troger 1698-1762. Neue Forschungsergebnisse / Novità e revisioni, hg. von Bruno Passamani, Mezzocorona 1997.
[4] Elvio Mich: Per gli inizi di Paul Troger. Un ciclo di affreschi in Casa Ress in Cavalese, in: Der Schlern 86 (2012), 40-49.
[5] Vgl. Hanns-Paul Ties: Paul Troger vor Paul Troger. Überlegungen zu den Deckenfresken im Palazzo Firmian in Mezzocorona, in: Der Schlern 86 (2012), 6-39.
[6] Flussgott, rote Kreide, weiß gehöht, 432 x 531 mm, Washington, National Gallery of Art, Inv. Nr. 2001.63.2, nicht bei Kronbichler.
Peter Prange