Sabine Arend (Bearb.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 10: Hessen III. Die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg und Ysenburg, Tübingen: Mohr Siebeck 2012, XIV + 741 S., 1 Karte, ISBN 978-3-16-152212-3, EUR 219,00
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Armin Kohnle / Manfred Rudersdorf (Hgg.): Briefe und Akten zur Kirchenpolitik Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen 1513 bis 1532. Reformation im Kontext frühneuzeitlicher Staatswerdung. Band 1: 1513-1517, bearb. von Stefan Michel, Beate Kusche und Ulrike Ludwig unter Mitarbeit von Vasily Arslanov, Alexander Bartmuß und Konstantin Enge, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2017
Sabine Arend (Bearb.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 9: Hessen II. Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618, Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein, Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar, Tübingen: Mohr Siebeck 2011
Sabine Arend / Gerald Dörner (Hgg.): Ordnungen für die Kirche - Wirkungen auf die Welt. Evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Tübingen: Mohr Siebeck 2015
Sabine Arend (Bearb.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 9: Hessen II. Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618, Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein, Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar, Tübingen: Mohr Siebeck 2011
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Sabine Arend (Bearb.): Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 21: Nordrhein-Westfalen I. Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, das Hochstift und die Stadt Minden, das Reichsstift und die Stadt Herford, die Reichsstadt Dortmund, die Reichsabtei Corvey, die Grafschaft Lippe, das Reichsstift und die Stadt Essen, Tübingen: Mohr Siebeck 2015
Wie in Band IX: Hessen II der Evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, der im Jahr 2011 erschien, bereits angekündigt, liegt nun der für den hessischen Raum abschließende Band X: Hessen III vor. Er verfügt wie Band IX über fünf ausführliche Register zu Bibelstellen, Personen, Orten, Liedern und Gesängen sowie Sachen. Gleich mit Band IX ist ebenfalls der erneute Abdruck einer Karte, in der die Aufteilung der verschiedenen frühneuzeitlichen evangelischen Territorien und Reichsstädte Hessens auf die Bände IX und X aufgeschlüsselt wird. Dass dieses nützliche Werkzeug zur Handhabung beiden Bänden beigegeben wurde, ist begrüßenswert. Zum einen lässt sich in schnellem Überblick ein einfacher Zugriff auf das jeweilige Interessengebiet ermöglichen; zum anderen aufgrund der in Band IX und X vorgenommenen Aufteilung der Territorien auf die beiden Bände entsprechend der jeweiligen Konfession, die jedoch wegen der Aufsplitterung der unterschiedlichen Dynastien in auch konfessionell durchaus verschiedene Linien (hier dienen Stammtafeln der schnellen Orientierung) nicht immer klar durchzuhalten war. Während nämlich in Band IX hauptsächlich die lutherischen Territorien sowie die Reichsstädte in ihrer Gesamtheit bearbeitet wurden, liegen mit Band X nun die Kirchenordnungen der eher reformierten Territorien Hessens vor. Es handelt sich dabei um die Grafschaften Nassau, Hanau-Münzenberg (auf dem Schutzumschlag leider "Hanau-Münzberg") sowie Ysenburg.
Wie schon für Band IX festgestellt, so muss auch für den vorliegenden Band X abermals festgehalten werden, wie überaus wichtig die Edition der vorgelegten Ordnungen ist, da bei einzelnen Territorien erneut eine schwierige Überlieferungslage herrscht und die Quellenbasis schmal ist. Dies gilt besonders für die Grafschaft Hanau-Münzenberg (vgl. 372) bzw. für die Grafschaft Ysenburg-Birstein, da das Fürstliche Archiv in Birstein bis auf weiteres geschlossen ist und eine Auswertungen der dort vorhandenen Quellen mithin nicht möglich war (vgl. 549). Wenn es der Bearbeiterin dennoch gelungen ist, Ordnungen zu der Grafschaft Ysenburg-Birstein vorzulegen, so aufgrund des glücklichen Umstandes, dass das Fürstliche Archiv in Büdingen Quellen zu der Birsteiner Linie des Grafenhauses enthält (vgl. 549).
Die in dem vorgelegten Band behandelten Grafschaften weisen teilweise die Eigentümlichkeit komplexer dynastischer Verhältnisse auf. Bei der Orientierung sind Stammtafeln (vgl. 52-55, 392, 567) behilflich sowie die kurzen, aber kundigen Einleitungen der Bearbeiterin des Bandes Sabine Arend. Elementarer Bestandteil dieser Einleitungen sind informative Einordnungen der edierten Stücke in die jeweiligen Zeitumstände sowie zu den mit ihnen verbundenen Intentionen und Implikationen. Aufgrund der dynastischen Zerstückelung der Grafschaften - des Aussterbens verschiedener Linien, damit verbundener Erbfälle, neuer Erbteilungen -, entstanden teils komplexe konfessionelle Situationen. Dies gilt in besonderem Maße für die Grafschaft Nassau (vgl. 21-51). Da die verschiedenen Linien in ihren Territorien jeweils eine eigenständige Religionspolitik betrieben, wurden separate Kirchenordnungen erlassen (vgl. die Kirchenordnungen für die Ottonische Linie 57-92; für die Walramische Linie 206-319). Es kann darum nicht verwundern, wenn die Religionspolitik der Grafen in teils heftig ausgetragenen dynastischen Auseinandersetzungen (so exemplarisch anhand der Grafschaft Ysenburg zu beobachten: 548f) zu einem Mittel feindlicher Territorialpolitik wurde (vgl. XIII). Gerade an diesen Stellen lässt sich die hegemoniale Stellung der Landgrafschaft Hessen unter Philipp dem Großmütigen im hessischen Raum aufzeigen, der zwischen den Ysenburgern als Vermittler fungierte und grundsätzlich starken Einfluss auf die Einführung der Reformation in der Grafschaft nahm (vgl. 548f). Welch großen Einfluss dynastische und territorialpolitischen Rivalitäten bei der Einführung der Reformation besaßen, zeigt das Beispiel Nassaus. Entgegen in der Forschung vorhandenen anderen Ansichten kommt Arend mittels der intensiven Beschäftigung an der Edition der Kirchenordnungen zu dem Schluss, dass die Landgrafschaft Hessen keinen direkten Einfluss auf die Grafschaft Nassau-Dillenburg bei der dortigen Einführung der Reformation ausgeübt habe (vgl. 26). Vielmehr verweist die Bearbeiterin auf die territorialpolitischen Auseinandersetzungen (den Katzenelnbogener Erbfolgestreit 1479-1557) zwischen der Grafschaft und der Landgrafschaft und die Versuche des Landgrafen, eine Einbindung der Nassauer in das protestantische Verteidigungsbündnis (den Schmalkaldischen Bund 1531-1547) nach Kräften zu hintertreiben (23). In der Religionspolitik der beiden Kontrahenten scheint jedoch vor dem Hintergrund des Augsburger Interims (1548) und den daraus resultierenden Streitigkeiten innerhalb des Luthertums in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts offenbar eine inhaltliche Annäherung stattgefunden zu haben. Schließen lässt sich dies aus den verschiedentlich von den Nassauer Grafen verordneten Verboten von öffentlichen theologischen Kontroversen sowie der Orientierung an der Confessio Augustana und Philipp Melanchthons "Loci communes" (vgl. besonders 103, 209, 364), was an die konfessionell eher vermittelnde hessische Position erinnert. Selbst wenn man dies als einen Ausfluss eines grundsätzlich vorsichtigen religionspolitischen Vorgehens reformierter Fürsten im Reich ansehen mag, da der Augsburger Religionsfrieden von 1555 nur die lutherische Konfession mit der alten Lehre vorläufig gleichstellte, ist eine Annäherung zwischen den ehemaligen territorialpolitischen Gegnern Nassau und zumindest der Landgrafschaft Hessen-Kassel um die Jahrhundertwende gleichwohl unverkennbar. Diese Annäherung erreichte 1603 durch die Eheschließung von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel mit Juliane von Nassau-Dillenburg einen Höhepunkt, der religionspolitisch erhebliche Folgen für die Landgrafschaft mit sich brachte. Moritz wechselte nämlich zum reformierten Bekenntnis und versuchte in seinem Land den reformierten Glauben einzuführen (vgl. Band IX, besonders 69f).
Doch die Veröffentlichung der beiden Editionsbände zu den Kirchenordnungen im hessischen Raum ermöglicht nicht allein eine Betrachtung der Bedeutung von Konfession und Religionspolitik im Verhältnis der Landgrafschaft - bzw. seit dem Tod Philipps des Großmütigen im Jahr 1567 der vier Landgrafschaften - zu den anderen Territorien im hessischen Raum, sondern sie erlaubt auch eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen den kleineren Territorien. Auffällig ist hier die bedeutsame Position Nassau-Dillenburgs Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Besonders deutlich wird dies an der Einleitung zu der Grafschaft Hanau-Münzenberg. Da die Münzenberger Linie im 16. Jahrhundert häufig von Vormundschaftsregierungen geführt wurde, lässt sich bereits per se die hohe Bedeutung der Dillenburger Linie der Nassauer Grafen für die Münzenberger aufweisen (vgl. 371f). Besonders wichtig wurde die enge Verbindung zwischen den beiden Grafenhäusern aber durch die Einflussnahme Graf Johanns VI. von Nassau-Dillenburg auf die konfessionellen Veränderungen unter Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg, der ab dem Jahr 1595 den reformierten Glauben in seinem Land einführte (vgl. bes. S. 378-384).
Überdies lassen sich in beiden nun vorliegenden Editionsbänden anhand der in allen Territorien mannigfaltig erlassenen Ehe-, Kirchenzucht- und Katechisationsordnungen sowie Predigt- und Kirchgangsmandate die intensiven Versuche der jeweiligen Obrigkeiten zur sozialen Disziplinierung und Kontrolle ihrer Untertanen hervorragend analysieren. Komplettiert werden diese obrigkeitlichen Versuche durch die ebenfalls zahlreichen Visitationsordnungen, mit deren Hilfe Kontrolle über die Pfarrerschaft, ihren Bildungsstand und die Lehrauffassungen hergestellt werden sollte. Die Edition bildet somit eine ausgezeichnete Möglichkeit zur vergleichenden Beschäftigung mit Territorialisierungsprozessen innerhalb verschiedener Reichsterritorien der Frühen Neuzeit.
Wie Band IX, so ist auch der vorliegende Band von Sabine Arend sorgfältig und informativ bearbeitet worden. Ihr gilt der Dank dafür, dass nun die Edition der Kirchenordnungen im hessischen Raum, 50 Jahre nachdem mit der Bearbeitung begonnen wurde, zu einem Ende gebracht werden konnte. Die abgedruckten Ordnungen in beiden Bände zeigen die intensive Verzahnung von Politik und Religion. Darum ist zu wünschen, dass sie Anregung für einen interdisziplinären Austausch zwischen der Kirchengeschichte, der Sozialgeschichte und der politischen Geschichte sein werden.
Jan Martin Lies