Rezension über:

Glenn Mitoma: Human Rights and the Negotiation of American Power (= Pennsylvania Studies in Human Rights), Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2013, 236 S., ISBN 978-0-8122-4506-6, USD 55,00
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Rezension von:
Peter Ridder
Köln
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Peter Ridder: Rezension von: Glenn Mitoma: Human Rights and the Negotiation of American Power, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 1 [15.01.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/01/23864.html


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Glenn Mitoma: Human Rights and the Negotiation of American Power

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Die US-Außenpolitik im Bereich der Menschenrechte während des Ost-West Konfliktes sorgte weltweit und innerhalb der USA selbst immer wieder für heftige Kritik; oftmals wurde sie polemisch und simplifizierend als "hypocritical" abgetan. [1] Einen historisch-kritischen Zugriff auf diese Problematik bietet Glenn Mitoma, Historiker am Human Rights Institute der University of Connecticut. In seinem Buch untersucht er auf 175 Textseiten den amerikanischen Einfluss auf die Entstehung des UN-Menschenrechtssystems in den 1940er und 1950er Jahren im Zusammenspiel mit deren Aufstieg zur Weltmacht. Dabei leitet ihn vor allem die Frage, warum von den USA entscheidende Impulse zur Etablierung universeller Menschenrechte ausgingen und sie zugleich deren wirksame Implementierung in der UN blockierten.

Im Zentrum seiner Untersuchung stehen drei US-amerikanische NGOs, die Commission to Study the Organization of Peace (CSOP), die National Association for the Advancement of Coloured People (NAACP) und die American Bar Association (ABA). Diese waren, so Mitomas These, an der Ausgestaltung des UN-Menschenrechtssystems beteiligt und hatten entscheidenden Einfluss auf die US-Außenpolitik. Sein Ziel ist es, die politische Bedeutung nichtstaatlicher Organisationen in den 1940/50er Jahren hervorzuheben, weil diese seiner Meinung nach bis auf wenige Ausnahmen bisher von der Forschung übersehen worden seien, die sich zu sehr auf die frühen 1970er Jahre und Organisationen wie Amnesty International konzentriert habe. (8) Diese Aussage greift etwas zu kurz. [2] Parallel dazu zeichnet Mitoma die Rolle der USA innerhalb der Debatte um die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie der beiden Menschenrechtspakte in der UN-Menschenrechtskommission anhand zweier bekannter Akteure nach, des libanesischen Diplomaten Charles Malik sowie des philippinischen Diplomaten Carlos Romulo.

Das Buch gliedert sich in fünf Kapitel, deren Fokussierung auf die genannten Akteure die Narrative bestimmt. Das erste Kapitel widmet sich aus ideengeschichtlicher Perspektive der CSOP und deren Rolle als kleine elitäre Gruppe amerikanischer Internationalisten in den Nachkriegsplanungen zur Schaffung einer neuen Weltordnung nach dem Kriegseintritt der USA 1941. Die CSOP zählte während des Krieges nicht mehr als 120 Mitglieder, darunter einflussreiche Persönlichkeiten wie den Politikwissenschaftler Quincy Wright oder den Historiker James T. Shotwell, die enge Verbindungen ins State Departement pflegten und zeitweise beratende Positionen einnahmen. Diese nutzten sowohl ihren politischen Einfluss als auch ihre öffentliche Stellung, um ihre Vorstellungen von christlich progressiven Menschenrechten bei den Verhandlungen über die UN-Charta auf den Konferenzen in Dumbarton Oaks (1944) und San Francisco (1945) einzubringen. Zugleich war es den Präsidenten Franklin D. Roosevelt und seinem Nachfolger Harry S. Truman wichtig, ein weites Spektrum an Intellektuellen verschiedenster politischer und kultureller Couleur auf den Konferenzen vertreten zu wissen, "to ensure a solid base of public support for continued postwar internationalism". (38)

Im zweiten Kapitel steht die Rolle südamerikanischer und asiatischer Staaten auf der Konferenz von San Francisco im Fokus. Während für die USA die Ausformulierung der Menschenrechte vor allem dazu dienen sollte, das westliche Lager gegenüber den Achsenmächten unter ihrer Führung zu konsolidieren, erkannten die später als "Dritte Welt" bezeichneten Staaten das Potenzial der Menschenrechte im Kampf gegen den Kolonialismus. Menschenrechte waren keine notwendige Bedingung für die Dekolonisierung, sondern lediglich ein nützliches Instrument zu deren Umsetzung, welches sich diese Staaten aneigneten und damit die Führungsrolle der USA bei der Etablierung der Menschenrechte in Frage stellten.

Die ersten, die dieses neue Machtinstrument in der UN-Menschenrechtskommission einsetzten, waren Romulo und Malik, was in Kapitel drei und vier untersucht wird. Romulo, der in den USA und deren Werten ein Vorbild für andere postkoloniale Staaten sah, musste Mitte der 1950er Jahre erkennen, dass sich hinter dem "neocolonial anticolonialism" (101) der USA weniger ein Kampf für Menschenrechte verbarg als einer gegen den Kommunismus. Malik, der sich für eine wirksame Implementierung der Menschenrechte innerhalb der UN-Menschenrechtspakte einsetzte, um damit die Dominanz des Westens zu festigen, scheiterte an der ambivalenten Haltung der USA. Beide Fälle zeigen, "how the language and law of international human rights were, at least in part, a critical and contested space through which the meaning and direction of American influence in the world was negotiated from unequal positions of power." (75)

Im fünften Kapitel widmet sich der Autor kurz dem Einfluss des NAACP und der ABA. Die NAACP trug ihren Kampf gegen die Segregation in den USA Ende der 1940er Jahre in die UN und hoffte durch den Rückgriff auf internationale Normen die nationale Politik der US-Regierung zu verändern. Dabei bewirkte sie allerdings das Gegenteil. Dadurch, dass die Sowjetunion die NAACP in ihrem Kampf rhetorisch unterstützte, verlor diese an innenpolitischem Rückhalt. Zugleich spielte sie damit der ABA in die Hände, welche seit Anfang der 1950er Jahre intensive politische und öffentliche Lobbyarbeit gegen völkerrechtlich bindende Menschenrechte in den USA leistete. Die ABA sah in den Menschenrechten ein Machtinstrument sowjetischer Expansionspolitik und fürchtete den Verlust nationaler Souveränität und die Unterwanderung der US-Justiz durch internationales Recht. Damit trugen beide Organisationen dazu bei, dass die USA ab 1954 langfristig eine ablehnende Haltung gegenüber der UN-Menschenrechtskommission einnahm.

Mitoma zeigt in seinem Buch die Verbindungen zwischen zivilen Akteuren und US-Außenpolitik in den 1940er und 1950er Jahren und den Einfluss, den diese Gruppen sowohl auf die Unterstützung der USA für Menschenrechte als auch deren Ablehnung hatten. Damit unterstreicht der Autor, warum diese Periode für die Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert von Bedeutung war: "not because it marked the triumph of right over might, nor because that generation of leaders were prophets of a world to come, but because it provides insight into the nature of U.S. relationship to international human rights, establishes the essential connection between human rights and civil society, and suggests a more complicated intellectual history for the UN human rights program than previously assumed". (5)

Was bleibt? Die Fokussierung auf unterschiedliche Akteure und der chronologische Aufbau führen zu Brüchen in der Narrative, welche die Fragestellung der Untersuchung stellenweise verschwimmen lassen. Während sich Kapitel eins, zwei und fünf auf den Einfluss von NGOs auf die US-Außenpolitik konzentrieren, behandeln Kapitel drei und vier den ambivalenten Umgang der USA mit Menschenrechten innerhalb der UN, aus der Sicht zweier nicht US-amerikanischer Akteure. Ein summierendes Fazit, welches die unterschiedlichen Erzählstränge zusammenführt, wäre abschließend hilfreich gewesen. Der Versuch, die Verbindung zwischen Zivilgesellschaft und US-Außenpolitik in den 1940er und 50er Jahren herzustellen, gelingt nur im letzten Kapitel, davor gleicht die Narrative einer Ideengeschichte großer Männer, welche eine kleine homogene, international denkende Elite darstellten. Darin ist auch der Unterschied zu den 1970er Jahren zu suchen, in denen Menschenrechte weltweit von vielen unterschiedlichen Akteuren aufgegriffen wurden. [3] Mitomas Studie bietet keine grundlegend neuen Erkenntnisse. Wer allerdings eine komprimierte und elaborierte Antwort auf die Frage nach den Hintergründen der Ambivalenz der USA im Bereich der Menschenrechte sucht, wird in diesem Buch fündig.


Anmerkungen:

[1] Vgl. Edward S. Herman / Noam Chomsky: The Washington Connection and Third World Fascism. The Political Economy of Human Rights, Bd. 1, Nottingham 1979.

[2] Davon abgesehen, dass alle Standardwerke zur Geschichte der Menschenrechte die 1940er und 1950er Jahre intensiv untersuchen, hat sich die Geschichtswissenschaft in den Jahren 2010/11 sehr stark auf diese Periode konzentriert. Erst seit 2012 tauchen vermehrt Studien zu den 1970er Jahren auf, für einen guten historiographischen Überblick siehe Sarah B. Snyder: Human Rights and U.S. Foreign Relations. A Historiographical Review, in: Passport, 44 (April 2013), Nr. 1, 16-21; Die Rolle von NGOs in den 1940er und 1950er Jahren, speziell der ABA und der NAACP wurde schon früher behandelt: Vgl. Natalie Hevener Kaufman / David Whiteman: Opposition to Human Rights Treaties in the United States Senate. The Legacy of the Bricker Amendment, in: Human Rights Quarterly, 10 (1988), Nr.3, 309-337; Vgl. Carol Anderson: From Hope to Disillusion. African Americans, the United Nations, and the Struggle for Human Rights, 1944-1947, in: Diplomatic History, 20 (1996), Nr. 4, 531-563.

[3] Vgl. Jan Eckel: Neugeburt der Politik aus dem Geist der Moral. Erklärung einer heterogenen Konjunktur, in: Ders./Samuel Moyn (Hgg.): Moral für die Welt? Menschenrechtspolitik in den 1970er Jahren, Göttingen 2012, 22-68.

Peter Ridder