Hana Pátková (Hg.): Liber vetustissimus antiquae civitatis Pragensis 1310-1518, Praha: scriptorium 2011, 638 S., ISBN 978-80-87271-40-7, EUR 38,00
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Elisabeth Gruber: "Raittung und außgab zum gepew". Kommunale Rechnungspraxis im oberösterreichischen Freistadt. Edition und Kommentar der Stadtgrabenrechnung (1389-1392), Wien: Böhlau 2015
Jens Klinger / Robert Mund (Bearb.): Die drei ältesten Stadtbücher Dresdens (1404-1476), Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2007
Ein in jeder Hinsicht beeindruckendes Werk hat Hana Pátková (unter Mitarbeit von Věra Smolová und Aleš Pořízka) mit der Edition des ältesten Prager Stadtbuchs vorgelegt. Der goldgeprägte Einband der gut drei Kilogramm schweren Edition ist gestalterisch dem Makulatureinband (14. Jahrhundert) des Originals nachempfunden und ein haptisches Erlebnis. Die durch das Äußere geweckten Erwartungen werden vom Inhalt erfüllt. Die einleitende Studie wurde vollständig in drei Sprachen abgedruckt: Tschechisch (7-68), Latein (69-138) und Deutsch (139-212). Die Herausgeber haben sich damit für die drei Sprachen des Stadtbuches entschieden, wobei nur wenige Einträge in Tschechisch verfasst wurden.
Die Einleitung skizziert zunächst die Stadtverwaltung bzw. Verfassung der Prager Altstadt im 14. und 15. Jahrhundert. Es folgt eine ausführliche Forschungsgeschichte zum Liber vetustissimus, allerdings hätte man sich hier statt einer Aneinanderreihung von Autoren und ihren Forschungen von den Herausgebern eine eindeutigere Positionierung zur Frage der Genese von Stadtbüchern als neuer Form des Verwaltungsschriftgutes des 13. Jahrhunderts oder zum Verhältnis von Stadtbuch und Landtafel in Böhmen gewünscht. Eine Fortsetzung findet die Forschungsdiskussion, die stets eine profunde Kenntnis auch der deutschsprachigen Literatur offenbart, im folgenden Teil zur Editionsgeschichte einzelner bereits andernorts publizierter Passagen des Stadtbuchs. Eine ausführliche kodikologische und inhaltliche Beschreibung des Papierkodex schließt sich an (155-210). Allein die Präsentation der Schreiberhände mit Textbeispielen und die paläographische Analyse nehmen die Seiten 159 bis 183 ein, wobei die Herausgeberin immer den Gesamtzusammenhang der Prager (Altstadt) Kanzlei mit einbezieht.
Als wichtig gilt es hervorzuheben, dass die Lagen des Stadtbuchs höchstwahrscheinlich von Beginn an zusammengebunden waren und der Inhalt von den Schreibern, nicht immer ganz konsequent, zu bestimmten Themenkomplexen in Reinschrift gruppiert wurde (157). Auffällig ist weiterhin, dass privatrechtliche Angelegenheiten eine geringere Rolle spielten, dafür umso mehr die Verwaltung und die Rechtsgrundlagen der Stadt. Neben den zahlreichen Statutentexten wird dies vor allem an den Urkundenabschriften und an den sonst in Stadtbüchern eher selten zu findenden Verzeichnissen von Urkunden, die durch den Rat gesiegelt wurden, deutlich (245-251). Interessant ist auch der festzustellende Einfluss der städtischen Verfassung auf die Stadtbuchführung: Als 1518 die Prager Alt- und Neustadt vereinigt wurden, wurde der Liber vetustissimus nicht mehr weitergeführt.
Typologisch lässt sich der Kodex zu den Stadtbüchern mit vermischtem Inhalt zählen, wobei ein Schwerpunkt auf den oben genannten Rechts- bzw. Verwaltungstexten lag. Des Weiteren wurden vor allem Einnahmen / Ausgaben, Entscheidungen des Rates, Bürgerrechtsverleihungen sowie Rats- und Ämterlisten eingetragen, aber weniger häufig privatrechtliche Angelegenheiten (v.a. Testamente).
Von der Herausgeberin wird die Typologie des Buches etwas widersprüchlich dargestellt. Mal wird es als ein "Buch des Stadtrates von gemischtem Inhalt" (183) bezeichnet, mal wird bemerkt: "Es handelt sich jedenfalls in gar keinem Fall um eine Variante der gemischten Gedächtnisbücher anderer kleiner Städte [...]" (184). Will man die Definition von "Stadtbuch mit vermischtem Inhalt" nicht überstrapazieren und die ohnehin nicht erkenntnisfördernde Analogie von Kleine Stadt = Stadtbücher mit vermischtem Inhalt, Große Stadt = ausdifferenzierte Stadtbuchführung bei Seite lassen, bleibt es ein Stadtbuch der oben genannten Kategorie. Auch führen hier Biologismen wie "primitives Entwicklungsstadium" (184) in Bezug auf Stadtbücher nicht weiter.
Seite 194 bis 209 findet sich eine tabellarische Übersicht zum Inhalt des Stadtbuches. Dabei werden für jeden einzelnen Text neben Inhalt und Datum auch der Ort einer früheren Publikation sowie Verweise auf andere Quellen des Prager Stadtarchivs angegeben. Dieser chronologischen Übersicht folgt eine typologische, in der versucht wurde, jeden Eintrag einer von fünf Kategorien zuzuweisen.
Die deutschen Übertragungen bzw. die Inhaltsangaben der Stadtbuchtexte sind inhaltlich und stilistisch nicht immer ganz richtig. Kleinere Fehler sollen hier auch nicht diskutiert werden, jedoch wird Seite 196 und andernorts des Öfteren von "Reukäufern" geschrieben. Hier wäre eine Umschreibung mit dem Wort Unterkäufer (Unterhändler, Makler), was dem Quellenbegriff "vntercheuffel" (z.B. 242 [fol. 25r]) entspräche, die richtige. Ebenso wäre statt "Haftungen" (z.B. 200) besser Bürgschaften zu schreiben gewesen.
Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass sämtliche tschechischen Literaturangaben der Einleitung ins Deutsche übersetzt wurden.
Den Abschluss der einleitenden Studien bildet ein umfangreicher Tafelteil mit farbigen Reproduktionen einzelner Seiten des Stadtbuches. Ein vollständiges farbiges Digitalisat des Kodex findet sich als PDF-Dokument auf der beigefügten CD-ROM. Dass die Beigabe des Digitalisats im Einzelfall durchaus hilfreich sein kann, haben einige Leseproben gezeigt. Ein Eintrag von Seite 239 (= fol. 20r) wird zum Beispiel verständlicher, wenn man statt "des winken vrennt" "des Winken vreunt" liest und "chow" durch "chom" (= kam) ersetzt.
Die Edition (215-481) wird durch ein umfangreiches Register (485-638) erschlossen. Erklärungen in der Edition wie auch im Register wurden auf Latein verfasst.
Mit der Edition des ältesten Prager Stadtbuchs haben die Bearbeiterinnen und der Bearbeiter einen Markstein gesetzt, der in Sachen inhaltlicher Erschließung und Präsentation eines Stadtbuches vorbildhafte Maßstäbe setzt.
Christian Speer