Rezension über:

Stefan Samerski (Hg.): Cura animarum. Seelsorge im Deutschordensland Preußen (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands; Bd. 45), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013, 250 S., 20 Farb-, 11 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-21027-4, EUR 32,90
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Rezension von:
Kristian Toomaspoeg
Dipartimento dei Beni delle Arti e della Storia, Università del Salento, Lecce
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Kristian Toomaspoeg: Rezension von: Stefan Samerski (Hg.): Cura animarum. Seelsorge im Deutschordensland Preußen , Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 2 [15.02.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/02/23813.html


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Stefan Samerski (Hg.): Cura animarum

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Das Buch enthält 13 Vorträge, die im September 2010 im Birgittenkloster zu Danzig-Oliva anlässlich der Tagung des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte gehalten worden sind.

Nach einem Geleitwort des Institutsvorstands, Msgr. Paul Mai (7-8), liefert Stefan Samerski in seinem Vorwort (9-14) einen Überblick über die Literatur zur Kirchen- und Religionsgeschichte West- und Ostpreußens und verdeutlicht deren Schwerpunkte, so u. a. die Rolle des Deutschen Ordens im pastoralen Leben im Land, die Entwicklung der Klöster und geistlichen Orden und verschiedene Aspekte der Kirchengeschichte und Spiritualität im Zeitraum bis 1525, dem Datum der Säkularisierung des Ordensstaats in Preußen.

Arnold Mentzel-Reuters (15-43) behandelt den Deutschen Orden als geistliche Institution - ein Aspekt, der bis heute nicht ausreichend Beachtung gefunden hat. Der Orden war in der Tat keineswegs nur ein Ritterorden, wie ein umfassender Blick auf seine Statuten, seine geistliche und weltliche Literatur und die Rolle der Priesterbrüder in seinem Alltagsleben zeigt.

Roman Czaja (44-57) untersucht die Frage der Identität des Deutschen Ordens in Preußen, d.h. die Idee der Zugehörigkeit zu einer Gesamtkorporation, die auf der Idee des Heidenkampfes und der Kreuzzugsideologie gründete und die im Laufe des 15. Jahrhunderts eine Reihe von Herausforderungen zu meistern hatte, als die devotio antiqua durch eine neue, von religiösem Individualismus und einer Privatisierung des Kultes geprägten Frömmigkeit ersetzt wurde.

Radosław Biskup (58-73) stellt die bisher besonders durch Untersuchungen von Andrzej Radzimiński bekannte Geschichte der Bistümer im Deutschordensstaat in Preußen dar. Die Gründung einer geschlossenen Kirchenverwaltungsstruktur war im 13. und 14. Jahrhundert eine der Prioritäten der Deutschordenspolitik. Die durch den Orden kontrollierten Diözesen von Ermland, Kulm, Pomesanien und Samland und der Archidiakonat Pommerellen fielen seit 1255 unter die Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Riga.

Rafał Kubicki (74-91) betrachtet die Rolle der Bettelorden im Ordensland Preußen: Nicht nur der Deutsche Orden allein, sondern von Beginn an auch die anderen Orden waren in der Evangelisierung und Seelsorge Preußens tätig, so die Dominikaner, Franziskaner, Augustiner-Eremiten und Karmeliten. Das erste Dominikanerkloster wurde in Danzig 1227 gegründet und die Bettelorden hatten in der Gesellschaft, im politischen, religiösen und intellektuellen Leben, eine bedeutende Rolle inne. Dazu kommen auch einige interessante Aspekte, wie z.B. die Anwesenheit der weltlichen Brüder in den Klöstern und ihr Bildungsengagement. Der Autor liefert zusätzlich eine Karte der Klöster im Ordensland Preußen im 15. Jahrhundert.

Piotr Oliński (92-104) widmet sich den Franziskanern und untersucht ihre missionarischen und friedensstiftenden Aktivitäten im Deutschordensland des 13. Jahrhunderts. Die Franziskaner waren vor allem im Kulmerland (Thorn und Kulm) aktiv, und hatten zwei Hauptaufgaben: die Christianisierung der heidnischen Territorien und die Beilegung der Konflikte zwischen den christlichen Mächten (so zwischen dem Deutschen Orden und seinen polnischen Nachbarn).

Edith Feistner (105-120) behandelt das interessante Problem der Katechese der Ritterbrüder in der Frühphase des Deutschordensstaates. Aussagen dazu gewinnt sie aus den Ordensstatuten sowie aus einer Reihe geistlicher Dichtungen wie z.B. dem "Passional" oder dem "Marienleben" des Kartäusers Philipp. Deutlich wird ein gewisser "Pragmatismus", der sich darin zeigt, dass der Orden sich auf geistlich-katechetischem Gebiet beherzt bei anderen bedient.

Michael Neecke (121-131) legt eine Untersuchung zur "Identitätsstiftung durch Bibelepik" vor, die sich besonders auf die "Judith"-Dichtung aus dem Jahr 1254 stützt und eine Diskrepanz zwischen der Identitätsbehauptung innerhalb der Dichtung und dem in den Ordensstatuten und -chroniken entworfenen korporativen Selbstbild feststellt.

Christopher Herrmann (132-160) bietet einen Aufsatz über die Architektur der mittelalterlichen Kirchen in den preußischen Bistümern (mit einem langen Exkurs zu vier Domen und Pfarrkirchen) und liefert dazu eine Reihe von Karten und Abbildungen.

Anette Löffler (161-184) analysiert die Liturgie des Deutschen Ordens in Preußen: Die Ordensbrüder folgten seit 1244 der Liturgie der Dominikaner, die bearbeitet und für die Bedürfnisse des Deutschen Ordens adaptiert wurde. Ausgewertet wurden vor allem die Ordensstatuten, aber auch andere Werke, wie der "Liber Ordinarius" und die "Correctio Notulae". Auf den Forschungen Bernhart Jähnigs aufbauend, bietet die Autorin eine Hierarchie der Hochfeste des Ordens, mit deutlichem Schwerpunkt auf lokalen, "preußischen" Besonderheiten. Auch der durch Kirchenvisitationen und Diözesanberichte beschriebenen Problematik der Seelsorge in den Kirchen wird Beachtung geschenkt.

Cordelia Heß (185-199) widmet sich der Marienverehrung im spätmittelalterlichen Preußen, wo der Marienkult zwei ganz verschiedene Formen annehmen konnte: einerseits galt Maria als Himmelskönigin des Deutschen Ordens und damit als Element der politischen Rechtfertigung, anderseits aber als Gottesmutter der lokalen Bevölkerung. In beiden Fällen handelte es sich um eine deutlich "laikal geprägte und auf praktische Anwendung ausgerichtete Form der Marienverehrung".

Stefan Samerski (200-216) richtet den Blick auf die hl. Dorothea von Montau, die erste autochthone Heilige des Deutschordenslands (gest. 1394): interessant ist, dass die Kanonisation Dorotheas vom Deutschen Orden betrieben wurde, und dass es sich bei ihr sehr viel stärker um eine Ordensheilige als um eine Landespatronin handelte.

Klaus Militzer (217-226) behandelt "Die verzögerten Wirkungen der Bruderschaften im Osten im Mittelalter" - ein Aspekt, dem große Bedeutung für die Geschichte insgesamt zukommt, wo doch die Laienbruderschaften im Westen eine deutlich größere Verbreitung hatten als im Osten.

Schließlich legt Edith Feistner (227-238) eine mit einer profunden Einleitung versehene Edition der Verserzählung "Litauer" des Autors Schondoch (14. Jh.) vor, die funktional als religiöses Exempel anzusehen ist.

Der Sammelband bietet mehr als sein Titel verspricht. Eigentlich geht es hier nicht nur um Seelsorge: behandelt werden fast alle Aspekte der Kirchengeschichte und Spiritualität Ost- und Westpreußens im Mittelalter. Zu diesen Themen gab es bis jetzt nur eine relativ bruchstückhafte und oft nur schwer zugängliche Literatur, so dass man den "Cura animarum"-Band als Handbuch benutzen soll und kann. Der Sammelband ist darüber hinaus ein ausgezeichnetes Beispiel für das Zusammenwirken von deutschen und polnischen Historikern.

Inhaltlich empfinde ich die Bestrebung einzelner Autoren, eine nicht immer klar sichtbare Verschiedenheit zwischen dem Deutschen Orden als Korporation und dem Ordensland Preußen in den Blick zu nehmen als sehr überzeugend. Eine Kritik aber bleibt: Themen aus Kunstgeschichte und Architektur bleiben ebenso wie Aspekte materieller Kultur leider unbeachtet.

Kristian Toomaspoeg