Werner Dahlheim: Augustus. Aufrührer - Herrscher - Heiland. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2010, 450 S., ISBN 978-3-406-60593-2, EUR 26,95
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In insgesamt fünfzehn Kapiteln erzählt Werner Dahlheim, emeritierter Althistoriker an der Technischen Universität Berlin, die Geschichte des Augustus von den Anfängen bis zu seinem Tod (und etwas darüber hinaus, da 358-365 die Nachfolge und das Begräbnis behandelt werden). Mit den Überschriften der Kapitel und der Unterkapitel wird man nicht immer glücklich werden (siehe dazu bereits die Besprechung von Peter Kehne (Anm. 1)), dafür mit dem gut geschriebenen und lehrreichen Text, der Ereignis- und Strukturgeschichte gekonnt verknüpft, umso mehr.
Bei Biographien besteht nicht selten die Gefahr, dass der Verfasser seinen Protagonisten entweder zu sehr zu schätzen lernt (und entsprechend für ihn Partei ergreift) oder umgekehrt eine Abneigung gegen ihn entwickelt. Diesen Fehler begeht Dahlheim nicht. Er ist sich der Untaten insbesondere des frühen Augustus, des Octavianus, durchaus bewusst und formuliert diese auch klar (beispielsweise 42: "Die Anfänge des allmächtigen Kaisers waren die eines gesetzlosen Abenteurers, der sich des Hochverrats schuldig gemacht hatte, als er eigenmächtig Truppen anwarb", oder 129: "In diesem Zerrbild, einer Karikatur ähnlicher als der Realität, fiel Antonius die Rolle des Lakais einer Königin über Eunuchen zu"). Die Verdienste des Augustus fasst er in seinem Schlusssatz (405) nochmals prägnant zusammen: "Wenn die Dauer einer Leistung der Maßstab für Größe ist, dann war dieser Römer ein großer Mann."
Wo man sich allerdings noch mehr gewünscht hätte, ist das fünfzehnte Kapitel "Aufrührer, Herrscher und Heiland: Die Erinnerungen an einen Römer" (385-405). Der Schwerpunkt liegt klar auf neuzeitlichen Urteilen, während der einzige antike Autor, der hier einigermaßen umfassendere Berücksichtigung findet, Sueton ist (386). Tacitus wird nur beiläufig genannt (395 und 399), Nikolaos von Damaskus taucht hier (wie offensichtlich auch im gesamten Buch) nicht auf und Schriften der späteren Antike bleiben ohnehin meist weitgehend ausgeklammert (lediglich Dio wird immerhin in den Anmerkungen wiederholt zitiert), was angesichts des folgenden Zitates etwas sonderbar erscheint: "Die zeitgenössischen Historiker taten sich schwerer" (397). Eben darum wäre es von Interesse gewesen, zu sehen, wie antike Historiker, die noch über eine bessere Quellenlage als die moderne Forschung verfügten, aber durch den bereits vorhandenen zeitlichen Abstand nicht auf Interessen und Propagandistik des Augustus Rücksicht nehmen mussten, diese Aufgabe lösten. Ein interessantes (und auch für ein breiteres Publikum geeignetes) Beispiel wäre etwa die Darstellung des Augustus in den Caesares Julians, wo er eingangs als sich in chamäleonartiger Weise ständig wandelndes Wesen eingeführt wird (309A-C). Wie zudem Dahlheims Liste der Literatur zur Rezeptionsgeschichte (436) zeigt, gilt deren Hauptaugenmerk dem Mittelalter und der Neuzeit, was eine Auseinandersetzung mit der Literatur der späteren Kaiserzeit nochmals wünschenswerter gemacht hätte.
An der Vollständigkeit halber noch zu nennenden Kleinigkeiten war zu finden: 416, Anm. 25 (zu Kapitel sechs) lies "Schumacher" statt "Schuhmacher"; 416, Anm. 13 (zu Kapitel sieben) lies "Dio" (so in den übrigen Anmerkungen) statt "Cass. Dio"; 422, Anm. 18 ist im letzten Satz das überschüssige "wägt" zu streichen.
Historikern kann die Lektüre von Dahlheims Biographie nur bedingt empfohlen werden. Das Buch an sich ist alles andere als schlecht, es stellt die Augustusforschung aber auch nicht auf eine neue Grundlage. Dies ist jedoch von Dahlheims Biographie nicht beabsichtigt und somit auch nicht zu erwarten. Es handelt sich um ein gut geschriebenes, informatives und kurzweiliges Werk, das einem Leser, der sich nicht wissenschaftlich mit Augustus auseinandersetzen will, gute Dienste leistet. Oder, um eine Formulierung der Rezension von Armin Eich (siehe Anm. 1) zu verwenden: Dahlheims Buch ist ein Buch für das Bildungsbürgertum. Dies ist es im besten Sinne, so dass es seinen verdienten Platz in der Reihe der Augustusbiographien finden wird.[1]
Anmerkung:
[1] Frühere Rezensionen: Frank Bernstein, in: Gymnasium 120 (2013), 82-83; Armin Eich, in: Classical Review 126/N.S. 62 (2012), 243-245; Peter Kehne, in: Historisch-politisches Buch 59 (2011), 16-17; Christoph Michels, in: H-Soz-u-Kult, 20. Dezember 2010 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2010-4-202); Stefan Rebenich, in: Neue Zürcher Zeitung vom 8. Oktober 2011; Florian Reichenberger, in: Militärgeschichte 21 (2011), 26; Michael Weiskopf, in: Bryn Mawr Classical Review April 2011, Nr. 5 (http://bmcr.brynmawr.edu/2011/2011-04-05.html); Aloys Winterling, in: Süddeutsche Zeitung vom 22. Dezember 2010.
Raphael Brendel