Markus Pöhlmann / Harald Potempa / Thomas Vogel (Hgg.): Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Der deutsche Aufmarsch in ein kriegerisches Jahrhundert, München: C.J. Bucher Verlag 2013, 384 S., 750 Abb., ISBN 978-3-765-82033-5, EUR 45,00
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Militärgeschichte ist wieder 'en vogue'. Diese Einschätzung, in der geschichtswissenschaftlichen Zunft schon länger verbreitet, wird durch den zu besprechenden Band bestätigt. Nun wurde dieser allerdings von Experten aus dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam herausgegeben, insofern liegt eine Konzentration auf militärgeschichtliche Fragestellungen nahe. Allein die Hälfte der hier versammelten Autoren verfügt über einen militärischen Rang. Das Buch erscheint auf den ersten Blick ein wenig wie eine Ausstellung zum Ersten Weltkrieg in Buchform. Es ist großformatig und umfangreich mit zum Teil noch unbekannten Abbildungen und Karten ausgestattet und in vierzehn größere Kapitel geordnet, die jeweils von spezialisierten Autoren verfasst wurden. Der Sammelband bietet hier ein breites Panorama der militärgeschichtlichen Forschung unter Einbeziehung von sozial- und kulturhistorischen Fragen. Die Auswahl der entsprechenden Themen (u. a. der Luftkrieg, die Peripherien des Krieges und das Gedenken) entspricht der aktuellen Forschungslage. Die Kapitel über Front, Heimat und Besatzung sind ebenfalls neueren sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen angepasst und fassen aktuelle Forschungen klug zusammen, allerdings ohne sie ausdrücklich zu nennen, denn der Band besitzt keinen Anmerkungsapparat und nur ein sehr knapp gehaltenes Literaturverzeichnis. Innerhalb dieser umfangreicheren Kapitel, die große Themenfelder überblicksartig versammeln, werden in Einschüben die entscheidenden Schlachten des Krieges dargestellt, wie etwa die Marne-Schlacht, die von Gorlice-Tarnów und die Skagerrak-Schlacht. Dabei wurde die mediale und wissenschaftliche Konzentration auf die Westfront aufgebrochen und ein breiter geographischer Zugriff gewählt. Diese Einschübe der Schlachten repräsentieren einen ausschließlich militärgeschichtlichen Zugriff und stehen symbolisch für den Gesamtansatz des Bandes, der tatsächlich eher auf das Kampfgeschehen ausgerichtet ist als auf die politischen Auswirkungen des Krieges auf die gesamte Gesellschaft.
Diesen Eindruck bestätigen auch die weiteren Einfügungen, die farblich abgesetzt ebenfalls in die Großkapitel eingesetzt wurden. Hier haben sich die Verfasser dem sogenannten 'material turn' zugewandt und beschreiben sehr kenntnisreich jeweils eine technische 'Errungenschaft', wie etwa den Grabendolch, den Jagdflieger oder den Stahlhelm. Manchmal geht die Identifikation mit den 'Dingen' dann doch etwas zu weit, wenn die 'Rumpler Taube' als "gutmütig" bezeichnet wird und "wertvolle" Dienste bei der Schlacht von Tannenberg leistete. (25) Diese Einschübe sind ebenfalls rein militär- und technikgeschichtlichen Fragestellungen verpflichtet. Ein Artikel über eine 'Kriegskochkiste' oder ein 'Kriegsspielzeug' findet sich hier nicht.
Wie die Leser jetzt schon bemerkt haben dürften, ist es gar nicht so einfach, die Struktur und den Aufbau des Bandes zu beschreiben und in der Tat hat man bei der Lektüre manchmal Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Doch dieses 'Bilderbuch' des Krieges ist informativ und erfüllt hohe Ansprüche, auch wenn es sich vor allem an interessierte Laien oder auch an Studierende richtet.
Auf die vierzehn Aufsätze kann hier nur kursorisch inhaltlich eingegangen werden, sie sind aber durchweg zu empfehlen. Der erste Beitrag startet mit einer politikhistorischen Darstellung der Entscheidungsmomente des Krieges von der Julikrise bis zum Versailler Vertrag von Michael Epkenhans. Vor allem die Rolle des Reichskanzlers Bethmann Hollwegs zieht sich wie ein roter Faden durch den Aufsatz. Seine umstrittene Rolle in der Julikrise wie auch in der Kriegszieldiskussion wird durchweg positiv dargestellt. Auf Forschungskontroversen wie in die in jüngster Zeit doch wieder lebhaft aufgeflackerte Kriegsursachendiskussion wird aber kein Bezug genommen. Dabei hätte ein Beitrag zur Geschichte der Geschichtsschreibung des Ersten Weltkriegs die sehr faktenzentrierte Darstellung des Bandes bestimmt sinnvoll kontextualisiert. Wencke Meteling ist eine der wenigen Beiträgerinnen, die nicht aus dem direkten Umfeld des militärgeschichtlichen Forschungsamtes kommt. Ihr Kapitel über die "Heimat" zeigt, dass es eigentlich sehr spannend gewesen wäre, die vielfältigen Konflikte und Belastungen in der Kriegsgesellschaft noch ausführlicher zu behandeln. Geradezu befremdlich wirkt es allerdings, dass auch dieses Kapitel durch rein militärgeschichtliche Einschübe, z.B. über die 12. Isonzoschlacht, durchbrochen wird.
Ebenfalls herauszuheben ist der abschließende Beitrag von Rolf-Dieter Müller, der in sehr präziser Weise und mit einem breiten politik-, sozial und wirtschaftshistorischen Zugriff die Geschichte des Ersten und Zweiten Weltkriegs verknüpft. Diese Zusammenfassung des 'zweiten dreißigjährigen Krieges' ist auf diesem engen Raum eine synthetische Meisterleistung und wird sehr eindrucksvoll durch die ausgewählten Abbildungen illustriert. Der Beitrag belegt hinlänglich, dass der Große Krieg immer auch im Hinblick auf seine Folgen betrachtet werden sollte, wenn auch die Epochenbezeichnung "Zeitalter der Weltkriege" oder "dreißigjähriger Krieg" die vielen Alternativen, die die Zwischenkriegszeit auch geboten hat, zu sehr marginalisiert.
Aktuelle militärhistorische Forschungsergebnisse für ein breites und interessiertes Publikum kenntnisreich und in klarer Sprache zugänglich zu machen, ist ein großer Verdienst des Bandes. Er bietet eine allgemeinverständliche Militärgeschichte des Krieges auf höchstem technik- und militärgeschichtlichem Niveau mit spannendem Bild- und Kartenmaterial in guter Qualität.
Silke Fehlemann