Timothy Guard: Chivalry, Kingship and Crusade. The English Experience in the Fourteenth Century (= Warfare in History), Woodbridge / Rochester, NY: Boydell & Brewer 2013, XIV + 280 S., 4 Kt., ISBN 978-1-84383-824-1, GBP 60,00
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Trotz vieler Publikationen zum Thema Kreuzzüge fehlte bislang die Einbindung und Kontextualisierung der englischen Unternehmungen des 14. Jahrhunderts. Genau dieser Thematik widmet sich nun der englische Historiker Timothy Guard.
Die Interessen seiner Untersuchung zielen auf zwei Bereiche: Zum einen interessiert ihn die zeitgenössische Auswirkung der Kreuzzüge - nicht nur militärisches, sondern vor allem kulturelles Phänomen - auf die englische Gesellschaft. Konsequenterweise ergibt sich daraus, dass die Einbindung der ritterlichen Grundideen und Moralvorstellungen einen weitaus größeren Einfluss auf die kriegerischen Auseinandersetzungen und den Umgang mit Feinden hatten, als bisher angenommen. Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Verlust des Heiligen Landes, was nicht nur Auswirkungen auf die Legitimität der weiteren Unternehmungen hatte, sondern auch den Monarchen ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung eigener Ziele und Motive an die Hand gab. Im Zeitraum von 1337-1399 lässt sich eine massive Zunahme der gräflichen Partizipation an den Unternehmungen feststellen (40,4 %) - im Zeitraum von 1215-1300 stellte diese Gruppe nur 22,4 %. Somit legt Guard nochmals klar dar, dass die Teilnahme an den Kreuzzügen und der Kampf gegen die Feinde der Christenheit eine weit verbreitete und wichtige Erfahrung der englischen Ritterschaft im 14. Jahrhundert darstellte. Darüber hinaus listet er nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die Kampagnen detailliert auf und trägt somit zu einem erweiterten und präziseren Verständnis der späteren Kreuzzugshistoriographie bei. Des Weiteren untersucht Guard, welche Rolle die Kreuzzugsidee in der englischen Politik des 14. Jahrhunderts spielte. Kern seiner Argumentation bildet die Annahme, dass die englischen Monarchen die Kreuzzüge nicht als Ablenkung, Zeit- oder Ressourcenverschwendung, sondern als ein essentielles Werkzeug ihrer eigenen Selbstdarstellung und Eigenwahrnehmung und zugleich als definierendes Moment der höfischen Wirklichkeit ansahen.
Seine Untersuchungsschwerpunkte bilden zugleich auch die beiden Hauptkapitel in seinem Buch. Im ersten Teil untersucht er die verschiedenen Elemente, die zu einer Teilnahme englischer Ritter an den verschiedenen Kampagnen führten, so unter anderem im Heiligen Land, in Spanien, Afrika, in den baltischen Gebieten und in Konstantinopel. Dieser Raum, von Guard "hethenesse" genannt, lässt sich auf alle Gebiete der Auseinandersetzung anwenden und ist zentral für die ritterliche englische Gesellschaft im 14. Jahrhundert. Im Gegensatz zu den früheren Unternehmungen, die vor allem auf das Heilige Land ausgerichtet waren, ergibt sich für die Periode nach 1291 ein differenzierteres Bild, wobei sich im 14. Jahrhundert zunehmend die baltische Region als zentrales Expeditionsziel herauskristallisierte. Exemplarisch hierbei ist die Beziehung zwischen den Deutschordensrittern und denjenigen Rittern, die aus freien Stücken nach Preussen kamen, um an den Feldzügen des Ordens gegen die heidnischen Litauer teilzunehmen. Bemerkenswert hierbei, dass diese Auseinandersetzungen, ursprünglich ein angemessener Verwendungszweck für die Kampfkraft und die Ressourcen des Deutschen Ordens, keine grossen Kreuzzugsarmeen begünstigte, sondern nur durch geschickte Werbung der Ordensritter zustande kamen, die es verstanden, diese Auseinandersetzung als ritterliche und der Sache des Kreuzes dienende Unternehmung zu vermarkten. [1]
Im zweiten Teil untersucht der Autor die persönlichen Motive der Teilnehmer, die Rolle der Kirche in den Aufrufen und Kreuzzugspredigten und die Schwierigkeiten, denen sich die Teilnehmer gegenüber sahen. Somit leistet das Buch einen wichtigen Beitrag in Hinblick auf eine pluralistische Deutung der Kreuzzüge, nach der diese eben nicht im Rückgang begriffen oder gar eine Abirrung von den ursprünglichen Idealen, sondern im Wandel begriffene, dezentralisierte und sich so immer wieder an neue politische Situationen anpassende Unternehmungen waren. [2] Guard stellt fest, dass sich die Auseinandersetzung mit Frankreich von den Kreuzzügen unterscheiden ließ und der Kreuzzugsidee nicht geschadet, sondern durch internationale Kontakte weiterhin an Zugkraft gewonnen habe. Wichtige Fragen zu den Ursprüngen der Kreuzzugserfahrung im 14. Jahrhundert und zur Rolle der Könige werden gestellt. Erläutert wird auch der Umstand, dass die Kreuzzüge im 14. Jahrhundert im Niedergang begriffen waren und zwar nicht nur, weil sich die höfische Gesellschaft, hier vor allem die Ritterschaft, einer verstärkten Kritik ausgesetzt sah, welche ihrerseits wiederum Auswirkungen auf die Unternehmungen, ihre Durchführung und die Teilnehmer hatte.
Der Autor versäumt es, das Verhalten der Teilnehmer auf den Kampagnen in den historischen Kontext zu stellen und so einer zeitgenössischen Kritik an den Unternehmungen Raum zu geben, die eben nicht auf die Kreuzzüge allein, sondern vor allem auf die Ritterschaft, ihr Verhalten im Feld und ihre Absichten abzielte. Weiter lässt sich anfügen, dass der Gegensatz zwischen den Kreuzzügen als überregionale Unternehmungen und einer regionalisierten, pränationalen Ritterschaft am Ende des Mittelalters ebenfalls zu wenig ausgeführt wird. Hier wäre eine exemplarische Untersuchung am Beispiel Englands äusserst ergiebig gewesen, da sich eine innere Entwicklung und Abgrenzung von kontinentalen Einflüssen abzuzeichnen begann - vor allem, da im Zusammenhang mit den Preussenreisen des europäischen Adels die vorherrschende christlich-katholische Einheit mit gemeinsamen Zielen, einer zusätzlich eschatologischen Deutung der militärischen Ziele und einer Dämonisierung ihrer Gegner nicht mehr eine so starke Rolle spielte oder sich abzuändern begann und sich eine regionalisierte Ritterschaft mit starken nationalen Anklängen ebenso herauskristallisierte, wie sich eine veränderte Eigen- und Fremdperzeption in den Beschreibungen der Teilnehmer feststellen lässt. Auch wäre es wünschenswert gewesen, die Sonderrolle der englischen Monarchie in direktem Zusammenhang mit der Einbindung der Ritterschaft im Kontext der Kreuzzüge zu analysieren.
Trotz aller Veränderungen behält die Kreuzzugsbewegung im 14. Jahrhundert genügend Anpassungsfähigkeit und Spannkraft. Erst im Laufe des folgenden Jahrhunderts lassen sich gewisse Ermüdungstendenzen erkennen, die Guard vor allem dem Einfluss des Hauses Lancaster zuschreibt. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, warum die Kreuzzugsbewegung einen Niedergang unter der Dynastie der Lancaster erlebt haben soll, da doch bekannt ist, dass Heinrich selbst und viele seiner Gefolgsmänner ebenfalls an solchen Unternehmungen teilgenommen haben. Gründe für einen Rückgang und späteren Kollaps der englischen Kreuzzugsbewegung lassen sich nicht monokausal erklären, sondern haben ihre Ursachen in den strukturellen Bedingungen des 14. Jahrhunderts, zu einer Zeit, da die Anziehungskraft des Kreuzzugs immer noch stark war.
Timothy Guards Untersuchung liefert eine solide Basis für weiterführende Untersuchungen und Fragestellungen - und dies nicht nur mit Blick auf die englischen Unternehmungen des 14. Jahrhunderts -, und eröffnet vielfältige Möglichkeiten des Vergleichs.
Anmerkungen:
[1] Werner Paravicini: Die Preussenreisen des europäischen Adels, 2 Bde., Sigmaringen 1989-95.
[2] N. Housley: Contesting the Crusades. Oxford 2007, 122.
Patrick Stohler